Kaum ist die Alpsaison gestartet, sorgen Nutztierrisse durch den Wolf in allen Bergregionen für Ärger, Frust und Wut. Da verwundert es nicht, dass die jüngsten Meldungen durch die Gruppe Wolf Schweiz (GWS) bei vielen Betroffenen, aber auch in anderen Kreisen für Unmut sorgten. Nun hat der Verein Lebensraum Schweiz reagiert und kontert mit einer Replik. 

GWS geht von tieferen Zahlen aus

Wie die Gruppe Wolf Schweiz vergangene Woche in einer Mitteilung schrieb, sei die Anzahl der Wolfsrisse in den Kantonen Graubünden und Wallis stark rückläufig. Diese Beobachtung fusse auf den Zahlen für das erste Halbjahr 2023, argumentiert die Gruppe, und schliesst daraus, dass die Herdenschutzmassnahmen Wirkung zeigen würden. Es sei deshalb nicht die Grösse des Wolfsbestandes, die Ausschlag über die Risszahlen gebe. Die Formel «mehr Wölfe = mehr Risse» sei falsch.

Mehr Wolfs-Abschüsse hält die GWS für nicht zielführend, ja gar für kontraproduktiv. Internationale Studien würden belegen, dass mehr Abschüsse das Risiko durch Wölfe erhöhen würden. 

Verein Lebensraum Schweiz kritisiert «zynischen» und falschen Inhalt

Der Verein Lebensraum Schweiz, der sich für den Schutz der ländlichen Lebensräume vor Grossraubtieren einsetzt, kritisiert diese Darstellung. Der Verein erachtet den Inhalt der Medienmitteilung der GWS als «zynisch» und will einige Fakten darin richtigstellen, darunter die folgenden Punkte:

  • Trotz zusätzlicher 5. Millionen Franken für den Herdenschutz im Jahr 2022 seien dem Wolf über 1600 Nutztiere zum Opfer gefallen. Die Gesamtkosten für die Grossraubtierpolitik würden weiterhin aus dem Ruder laufen.
  • Die im Juni suggerierten tiefer ausgefallenen Schäden an Nutztieren in den Kantonen Graubünden und Wallis seien ein Schlag ins Gesicht eines jeden Tierhalters. Der Verein Lebensraum Schweiz spricht in diesem Zusammenhang von einer «sektenartigen Verehrung des Wolfs durch die Gruppe Wolf Schweiz».
  • Es müsse erwähnt werden, dass vermehrt auch Mutterkuhherden, Pferde oder Esel dem Wolf zum Opfer fielen.

Der Rückgang der Landwirtschaft werde durch die erhöhte Präsenz des Wolfs beschleunigt, beklagt der Verein. Während die Zahl der Wölfe steige, würden weniger Nutztiere gesömmert, woraus folge, dass Alpweiden aufgegeben würden.

Zu wenig Kredit für ein ganzjähriges Problem

Im Kanton Graubünden ist es im Lauf des Winters erst zu einem Riss an Nutztieren gekommen. Im November 2020 fiel dem Wolf im Prättigau ein Schaf zum Opfer. (Bild pd) wolf Mehrere Wildtierrisse in Graubünden: «Situation ist durchaus ernst» Monday, 1. March 2021 Wolfsrisse seien mittlerweile kein saisonales Phänomen mehr, sondern vielmehr ein ganzjähriges Problem, das stetig zunehme, so Lebensraum Schweiz. Wölfe würden auf den Herbst- und Frühlingsweiden zuschlagen und im Winter in die Dörfer und gar bis in die Ställe vordringen.

Abo Sofortmassnahmen Kein Geld mehr für den Herdenschutz Friday, 30. June 2023 Der Verein stelle fest, dass der Bundeskredit für Herdenschutzmassnahmen, der für diese Saison in einer Höhe von 4 Mio. Franken gesprochen wurde, bereits aufgebraucht sei. Es stelle sich die Frage, ob der Bund bereit sei, einen zusätzlichen Kredit für den Alpsommer und die Herbstweiden gewähre.

Eine weitere brennende Frage sei, ob die Bevölkerung bereit sei, Millionen von Franken von Steuergeldern in die Grossraubtierpolitik zu stecken. Dabei gingen die zusätzliche unbezahlte Arbeit, die persönlich eingesetzten finanziellen Mittel und der tägliche Stress der Betroffenen und der gesamten Landwirtschaft meistens vergessen, schliesst der Verein Lebensraum Schweiz.