Immer mehr Milchviehbetriebe beschäftigen sich mit der Frage, ob eine verlängerte Laktation für ihre Herde sinnvoll ist. Anstelle des klassischen 12-Monats-Rhythmus wird dabei mit Zwischenkalbezeiten von 15 oder sogar 18 Monaten gearbeitet. Doch was bedeutet das für die Zucht – und was muss eine Kuh können, damit diese Strategie auch wirtschaftlich tragfähig ist?
Urs Schnyder von der Qualitas AG ging diesen Fragen beim Anlass «Netzwerk Nutztiere» an der HAFL in Zollikofen BE nach und zeigte auf, welche züchterischen Voraussetzungen verlängerte Laktationen erfordern – und welche Auswirkungen sie auf die Zuchtstrategie haben.
Hohe Anforderungen für Tiere
In der Praxis gibt es viele Gründe für eine verlängerte Laktation. Einerseits kann sie gezielt eingesetzt werden, um Kühe zu entlasten, die besonders leistungsstark sind. Andererseits entstehen solche Laktationen auch unfreiwillig, etwa bei Fruchtbarkeitsstörungen oder Kalbeproblemen. Wichtig ist in jedem Fall: Damit sich eine verlängerte Laktation lohnt, muss die Kuh konstant Milch geben – und das möglichst lange auf einem guten Niveau.
Damit das gelingt, sind hohe Anforderungen an die Tiere gestellt. Sie brauchen eine gute Persistenz, also die Fähigkeit, auch in späteren Laktationsmonaten noch stabil Milch zu produzieren. Auch die Fruchtbarkeit muss stimmen, gerade wenn die Rastzeit bewusst verlängert wird. Ein gutes Euter mit niedriger Zellzahl bis zum Laktationsende ist ebenso zentral wie ein stabiler Stoffwechsel.
Zucht auf verlängerte Leistung
Die Schweizer Zuchtorganisationen setzen seit einigen Jahren auf moderne genetische Modelle, um genau solche Merkmale besser beurteilen zu können. So erlaubt das sogenannte RRTDM-Modell (Random Regression Test Day Model) eine genauere Bewertung der Laktationskurve über den gesamten Verlauf. Ein wichtiger Indikator ist der Persistenzzuchtwert: Kühe mit einem hohen Wert bleiben länger leistungsstark, was für verlängerte Laktationen besonders entscheidend ist.
Daneben bleibt auch die Fruchtbarkeit ein zentrales Element in der Zucht. Der Zuchtwert Fruchtbarkeit umfasst Merkmale wie die Verzögerungszeit oder die Non-Return-Rate – also die Wahrscheinlichkeit, dass eine Kuh nach der Besamung nicht wieder brünstig wird.
Auswirkungen auf die Zuchtarbeit
Eine verlängerte Laktation verändert auch den Zuchtalltag. Kühe kalben seltener, was bedeutet: Es gibt weniger Kälber und damit sinkt die Selektionsintensität. Theoretisch wird dadurch der Zuchtfortschritt gebremst. Doch moderne Hilfsmittel wie die Genomik oder der gezielte Einsatz von gesextem Sperma helfen, diesen Effekt abzufedern.
Wie Urs Schnyder erklärt, ist es langfristig wichtig, dass die Strategie zur Verlängerung der Laktation bewusst und betriebsindividuell getroffen wird. Milchleistungsbetriebe haben andere Ziele als Betriebe, die stark auf Fruchtbarkeit und Langlebigkeit setzen.
Das ist wichtig
Wer das System mit verlängerter Laktation im Bestand verfolgt, muss Kühe haben, die folgende Eigenschaften mitbringen:
- Hohe Milchleistung über die gesamte Laktation
- Gute Persistenz (gleichmässige Laktationskurve)
- Fruchtbarkeit (v. a. bei freiwilliger Verlängerung)
- Geringe Zellzahlen bis zum Ende der Laktation
- Robuste Eutergesundheit und Stoffwechsel