Traditionell werden die Grünflächen im Appenzellerland in einer Kombination von Weiden und Schnitt genutzt. Es gibt aber auch Vollweidebetriebe, wie jener von Michael und Brigitte Steiner-Fässler, etwas ausserhalb von Herisau AR. An einer Flurbegehung der landwirtschaftlichen Dienste der beiden Appenzell gaben sie ihren Berufskollegen Einblick in ihr Vollweidesystem mit saisonaler Abkalbung.
Wer nicht ins System passt, muss weg
Michael und Brigitte Steiner-Fässler haben den Betrieb 2014 in Pacht übernommen und auf Silomilch umgestellt. Vor zwei Jahren begannen sie mit der Umstellung auf saisonale Abkalbung. Dies sei nun das erste Jahr, in dem alle Kühe im Winter abkalbten, sagte Michael Steiner. Im Moment werden 34 Kühe gemolken, sie befinden sich im 200. Laktationstag. «Unser Ziel wäre eine Herdengrösse von 42 bis 44 Tieren», erklärte der Betriebsleiter.
Dafür haben sie 19 Rinder remontiert, von denen 16 im nächsten Winter abkalben sollten. Sie werden gegen Ende der Weidephase in die Kuhherde integriert. Die Rinder werden früh gedeckt, damit sie mit zwei Jahren das erste Mal abkalben. Rinder, aber auch Kühe, die nicht ins System passen, müssen den Betrieb verlassen.
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Brigitte und Michael Steiner-Fässler führen den Betrieb zu zweit, ohne zusätzliche Arbeitskräfte. (Bild sgi)
Ausgeklügeltes Management
Im Moment erhalten die Kühe nebst dem Weidegras etwas Heu (1,5 kg TS pro Kuh), «damit es mit der Melkerei funktioniert», bemerkte Michael Steiner. So lange wie möglich wird geweidet. Mitte November werden alle Kühe trockengestellt. Ab Anfang Januar startet die Abkalbezeit.
Um den Überblick zu behalten – innerhalb von zweieinhalb Monaten kalben um die 40 Kühe –, arbeiten Steiners mit einer Liste. Dort werden Brunst, Besamungszeitpunkt, provisorisches Abkalbedatum usw. eingetragen. Aber auch, welche Kuh Trockensteller oder Vitamin D bekommt. Weil pro Tag bis zu vier Kühe abkalben können, wird einige Tage vor Geburtstermin konsequent die Temperatur gemessen. «Sinkt sie 0,3 bis 0,8° C unter 39° C, wird die Kuh innert 24 Stunden abkalben», führte Brigitte Fässler aus.
Die Kälber kommen nach der Geburt in eine Wärmebox. «Das ist zwar ein grosser Mehraufwand, aber die Kälber profitieren davon», weiss Brigitte Fässler. Innert vier Stunden bekommen sie die Biestmilch und eine Mutterschutzimpfung, danach wird ad libitum getränkt. Sie werden schon früh nach Zucht oder Mast separiert. Ein Teil wird als Tränkekälber verkauft.
Neuseeländische Genetik
Angefangen haben sie mit einer Braunviehherde. Davon kommen sie aber mehr und mehr weg. Sie setzen bei der Eigenremontierung auf die Weiderassen Norwegisches Rotvieh und KiwiCross, eine Kreuzung zwischen Jersey und neuseeländischen Friesen. «Wir brauchen Kühe, die frühreif und ring zum melken sind und eine gute Persistenz haben», zählte Michael Steiner auf. Dabei nimmt er auch eine tiefere Milchleistung in Kauf. Im 200. Laktationstag sind es jetzt 15 Liter pro Kuh und Tag.
Nutzung und Düngung müssen im Gleichgewicht sein
Das Weidemanagement ist für den Betrieb das A und O, wie der Landwirt festhält. Die 38 ha Land sind mehr oder weniger um den Betrieb arrondiert. Mitte März wird mit dem Weiden gestartet. «Die Kühe müssen vor dem ersten Mal güllen auf der Weide gewesen sein», sagte Michael Steiner. Die Weideflächen sind in neun Parzellen unterteilt. Je nach Graswachstum erfolgt nach dem Weidewechsel ein Säuberungsschnitt. Im Herbst wird wegen dem Mausdruck gemulcht. Die Nutzungshöhe liegt bei 5 bis 7 cm. Das Englische Raigras, die Wiesenrispe und der Weisklee können sich dank ihren unterirdischen Ausläufern gut im Bestand halten.
Die Düngung spielt bei diesem System eine sehr zentrale Rolle. Alle sechs bis acht Wochen wird mit dem Schleppschlauch gegüllt. Hinzu kommen 100 kg Ammonsalpeter pro ha und Jahr. Weil in der Güllengrube vor allem Mist anfällt, die Kühe koten auf der Weide, muss er mit sehr viel Wasser verdünnt werden.
Schon zwei Tage nach dem Güllen werden die Kühe wieder auf die Weide gelassen. «Das macht ihnen nichts», weiss Steiner aus Erfahrung. Entscheidend sei, dass man den Kühen im Stall nichts zufüttert, «sonst funktioniert das System nicht». Wegen den tieferen Futterkosten geht die Rechnung für den Betrieb auf, trotz tieferer Milchleistung. «Voraussetzung ist einfach, dass man konsequent in der Umsetzung ist», betonte das Betriebsleiterehepaar.