In Hütten oder Ställen gehaltene Kälber müssen ab dem ersten Lebenstag jederzeit Zugang zu Wasser haben, so schreibt es die Schweizer Tierschutzverordnung vor. Trotzdem gehört die Wasserversorgung der Kleinsten im Stall zu den häufigsten Beanstandungen bei einer unangemeldeten Tierschutzkontrolle.
Milch alleine reicht nicht
Zwar besteht Milch zu über 80 % aus Wasser, doch dieses reicht nicht zur Deckung des Flüssigkeitsbedarfs der Jungtiere aus. Das bestätigt auch Tierarzt Jens Becker von der Wiederkäuerklinik der Vetsuisse-Fakultät der Universität Bern. «Ad libitum getränkte Kälber benötigen weniger Frischwasser als restriktiv gefütterte Tiere.
«Bei beiden Ernährungsregimen ist jedoch der Frischwasserzugang unentbehrlich», so der Fachmann und macht den Vergleich: «Auch wenn Sie um sechs Uhr morgens so viel essen und trinken, wie Sie können, haben Sie sehr wahrscheinlich vor sechs Uhr abends erneut Durst.»
Wie viel Wasser soll es sein?
Und wie viel sollte ein Kalb in den ersten Wochen trinken? «Aus Beobachtungen weiss man, dass die tägliche Wasseraufnahme in den ersten Wochen stark schwankt», erklärt Becker. Aus Beobachtungsstudien wisse man aber, dass der Wasserverbrauch zwar variabel, aber in den meisten Fällen weit über nur einigen Dezilitern pro Tag liege.
«Bei längeren Durststrecken sind die Tiere körperlich und mental gestresst.»
Jens Becker, Wiederkäuerklinik der Vetsuisse-Fakultät der Universität Bern.
Richtwerte, wenn diese überhaupt vorhanden sind, gelte es aber mit Vorsicht zu interpretieren. Wichtiger ist es, den Tieren rund um die Uhr sauberes Wasser zur Verfügung zu stellen, damit diese ihren Bedarf auch jederzeit decken können.
Gut für die Pansenentwicklung
Eine frühe Wasseraufnahme stillt nicht nur den Durst, sondern spielt auch bei der Entwicklung des Pansens eine wichtige Rolle. «Wasser stimuliert die Aufnahme von Festfutter wie Kälberstarter oder Heu und ist für die Entwicklung der Pansenflora unabdingbar», heisst es in der Fachinformation des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV). Damit wird die Entwicklung des Pansens gefördert und die Kälber zeigen bessere Zunahmen.
Im Winter genauso wichtig wie im Sommer
Nicht nur bei der Entwicklung des Pansens nimmt die Wasserversorgung einen wichtigen Stellenwert ein: «Unser Körper, und auch der von Kälbern, besteht zu einem grossen Teil aus Wasser. Unsere Organfunktionen und Stoffwechselprozesse hängen von einer physiologischen Wasserversorgung ab.» Ein Beispiel dafür sei die Niere, die bei zu wenig Flüssigkeit im System übermässig belastet werde. Aus diesem Grund sei die Wasserversorgung der Tiere im Winter genauso wichtig wie im Sommer.
Den Einfluss der Wasserversorgung auf das Immunsystem schätzt Becker als indirekt ein. «Bei längeren Durststrecken sind die Tiere körperlich und mental gestresst. Und Stress begünstigt die Anfälligkeit auf Krankheiten», so der Tierarzt.
Weniger Durchfallerkrankungen
Laut Merkblatt des BLV sollen Kälber, die jederzeit Zugang zu sauberem und frischem Wasser haben, zudem weniger an Durchfall erkranken. Leiden die Jungtiere dennoch an Durchfall, hilft ihnen die Wasseraufnahme, massive Stoffwechselentgleisungen zu verhindern und so die Krankheit besser zu überstehen.
Leiden die Tiere an Durchfall, verlieren sie grosse Mengen an Wasser und Nährstoffen. Zum Ausgleich der verlorenen Flüssigkeit und Nährstoffen empfiehlt es sich, den Kälbern eine Elektrolytlösung zu vertränken (siehe Kasten). Milch sollte den Kälbern auch weiterhin vertränkt werden.
Elektrolyte gegen Durchfall selber machen
Durchfall gehört bei Kälbern zu den häufigsten Krankheiten. Bis zu sieben Liter Flüssigkeit kann ein erkranktes Kalb pro Tag verlieren. Der Verlust von Flüssigkeit und Elektrolyten führt schnell zu Problemen wie Dehydration und Azidose. Das Vertränken von Elektrolytlösungen hilft, den Flüssigkeitsverlust zu kompensieren und Ungleichgewichte im Elektrolythaushalt mit puffernden Substanzen auszugleichen. Um die Milchgerinnung nicht zu stören, gilt es, die Elektrolytlösung jeweils zwei Stunden nach der Milchgabe zu geben.
Im Handel finden sich verschiedene Anbieter von Elektrolytlösungen. Diese kann jedoch auch einfach selbst gemacht werden, wie eine Anleitung des Forschungsinstituts für Biologischen Landbau zeigt. Benötigt werden dazu: 3,5 g Kochsalz (NaCl), 1,5 g Kalisalz (KCl), 2,5 g Natriumbicarbonat (NaHCO3) und 20 g (Bio-)Glukose pro Liter Wasser oder Tee.