Nachher müsse er sich noch bei einem Landwirt entschuldigen gehen, seufzt der Metzger. Der habe letzte Woche eine verunfallte Kuh gehabt, aber sein Kühllager sei schon voll gewesen, und er habe ihm absagen müssen. Auf meine Frage, was dann mit der Kuh passiert sei, bleibt es eine Weile still am Telefon – eingeschläfert sei sie worden und entsorgt. Etwas, das weder dem Metzger noch dem Landwirt in den Kopf will, aber im weitläufigen Bernbiet in diesen Tagen öfters vorkommt. «Wir sind hier in einer unglaublich misslichen Lage, unsere Strukturen reichen hinten und vorne nicht, um den Vorschriften zu genügen», fügt der Metzger noch an.

In der gleichen Woche zeigt eine Umfrage des Bundesamtes für Landwirtschaft, der Konsument will regional essen, wünscht kurze Transportwege. Doch gerade bei den Schlachttieren geht die Entwicklung immer noch in die andere Richtung. Und wieder mal geht es ums Geld, um ein paar Franken, die das Fleisch billiger sein könnte, um Vorschriften, die gemacht wurden, ohne die Konsequenzen zu bedenken. Denn die kleinen Metzgereien in den Dörfern gibt es längst nicht mehr, oder sie verkaufen nur noch Fleisch, das sie in den Grossmetzgereien zukaufen. Schlachten im Dorf ist weitgehend undenkbar geworden.

Kreuz und quer durch die Schweiz

Statt in der Dorfmetzgerei kurz und schmerzlos in Gegenwart des Besitzers geschossen zu werden, fahren darum die Tiere kreuz und quer durch die Schweiz und stehen, wenn es dumm läuft, am Eingang der Grossmetzgerei stundenlang Schlange. Es ist wohl auch diese Entwicklung, die es nötig machte, die Transportregeln zu verschärfen.

Abo Die Kuh ist lahm; darf sie transportiert werden? Nicht selten ist die Antwort auf diese Frage ein Abwägen. Auch Tierärzte zeigen Unsicherheiten. Tierschutz Kein Tiertransport bei Fraktur Monday, 5. June 2023 Sobald ein Tier auch nur ein Bein nicht mehr richtig belastet, darf es nur noch eingeschränkt transportiert werden. Das ist sicher richtig, aber wo sind die Alternativen? Nur Vorschriften erlassen und nicht sagen, wie sie erfüllt werden können, geht doch irgendwie auch nicht. Jeder, der die Möglichkeit hat, sein Tier in der Region zu schlachten, wird dies tun, sei es nun transportfähig oder nicht. Niemand mit einem fühlenden Herz wird freiwillig seinen Tieren den letzten Gang unnötig schwer machen. Aber wohin mit den Schlachttieren, wenn in der Region keine Metzgerei mehr den Vorschriften und Investitionskosten genügen konnte?

Nun haben wir den Salat - Das Steak sucht noch einen Schlachthof 

Gerade die Schlachtkühe haben nun mal alle ihre Bresten. Weil sie so topfit und gesund sind, werden die nicht geschlachtet, sondern weil sie eben das Ende der Nutzungsdauer erreicht haben. Und da zwickt schon mal die Hüfte oder ist das Sprunggelenk geschwollen. Alles Fälle, die keine langen Transporte mehr erlauben. Doch an die Konsequenzen daraus hätte man vermutlich denken sollen, bevor man die kleinen Metzgereien zu Tode reguliert hat. Nun haben wir den Salat, denn das dazugehörige Steak sucht noch einen Schlachthof.

Wäre es einfach nur der Strukturwandel, man würde es irgendwie verstehen. Wären es die Metzger, die nicht mehr genug verdienen, sich die unmenschlichen Arbeitszeiten nicht mehr antun möchten, man könnte es nachvollziehen. Doch sie sagen alle das Gleiche: Der Konsument will gut gelagertes Fleisch aus der Region, und gut verdienen würde man mit den kleinen Metzgereien auch.

Auch dezentrale Gebiete haben eine Infrastruktur verdient

«Neben mir hätten locker noch ein oder zwei weitere Metzger hier in der Region ein Auskommen», erzählte kürzlich einer. Doch es gebe sie immer seltener, die Einzelkämpfer, die sich mit den Ämtern um den Fortbestand der Schlachthöfe streiten mögen. Denn trotz der Misere gibt es Betriebe, die seit Jahren um die Erweiterung der Kühlräume streiten müssen und zuerst beweisen müssen, dass es in der Gegend kein Tomatenhaus gibt, das man abreissen könnte, um die Gebäudefläche im Lot zu halten. So ersticken sie langsam im Korsett der Vorschriften, die verbliebenen ländlichen Strukturen und Arbeitsplätze. Die Wertschöpfung wandert dorthin ab, wo sie schon am Haufen liegt.

Das mag man im Zuge der grenzenlosen liberalen Marktwirtschaft noch irgendwie schönreden können. Doch spätestens dann, wenn es zu einem Tierschutzproblem wird, ist dies mit keinem Frankenbetrag der Welt zu rechtfertigen. Auch nicht mit irgendwelchen politischen oder heimatschützerischen Argumenten. Die dezentralen Gebiete haben, ob für Mensch oder Tier, das genau gleiche Recht auf ausreichend Infrastruktur, eine funktionierende medizinische Versorgung und ein würdevolles Ende. Wann das gegeben ist, das ist nun mal nicht vom Schreibtisch in Bern aus zu beurteilen.