Mit der Mappe unter der Arm empfängt Hansueli von Arx in der Mehrzweckhalle von «Schutz und Rettung Bern» eine Handvoll Feuerwehrmänner. Sie kommen aus einigen der sieben Sonderstützpunkten (SSP) des Kantons. Der Fachspezialist beim Feuerwehrinspektorat der Gebäudeversicherung Bern (GVB) begrüsst die Teilnehmenden zum dreitägigen Kurs im Rahmen der Fachdienstausbildung Grosstierrettung. Alle zwei Jahre findet eine solche Ausbildung statt.

Das Feuerwehrinspektorat Bern organisiert die Kurse in Zusammenarbeit mit dem Amt für Veterinärwesen des Kantons Bern, der Vetsuisse-Fakultät der Universität Bern, dem Nationalen Pferdezentrum Bern (NPZ) und der Berufsfeuerwehr Bern und dem Feuerwehrinspektorat (GVB).

Ein Crash-Kurs in drei Tagen

Das Programm ist kompakt. Die Feuerwehrleute starten mit der Einsatztechnik- und -taktik, lernen etwas über die Tierschutzregulationen im Zusammenhang mit einer Rettung oder Bergung mit Arnold Odermatt (Amt für Veterinärwesen) und sprechen über die nötige Schutzausrüstung und die Einsatzhygiene. Am zweiten Tag folgt ein Lernblock mit Beat Wampfler (Tierarzt im NPZ) zur Veterinärmedizin bei Huftieren und mit Robin Schmid (Tierarzt im Tierspital Bern) zu jener bei Wiederkäuern. Die Feuerwehrleute werden an diesem Tag auch sensibilisiert, wie man Gefahren bei der Bergung von Nutzieren auf einem Bauernhof beurteilt. 

Am dritten Tag diskutieren die Teilnehmenden über die Zusammenarbeit mit dem Tierarzt oder mit der Tierärztin. Ebenfalls gelehrt wird die tierschutzgerechte Rettung und Bergung in einer Wassergrube, auf der Autobahn und im Sumpf. Ergänzend folgt ein Block zur Einsatznachbearbeitung.

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Den gesetzlichen Auftrag umsetzen

Hansueli von Arx ist seit zwei Dekaden beim Feuerwehrinspektorat, einer Fachabteilung der Gebäudeversicherung Bern (GVB). 2010 wurde der Bedarf geäussert, dass sich die Feuerwehr für Sondereinsätze offiziell schulen müsste. Spezifisch ging es um die Umsetzung des gesetzlichen Auftrages, auch Nutztiere fachgemäss retten zu können. Um die Bergrettung von Grosstieren oder Krankentransporten kümmern sich andere Organisationen, wie die Rega mit ihren Partnerfirmen. 

Um dies auch vor dem Hintergrund des sich ändernden Tierschutzgesetzes professionell durchzuführen, bedurfte es einer sachgemässen Ausbildung der Feuerwehrleute. Im Falle des Kantons Bern verantwortet die GVB diese mit. Sie muss auch gewährleisten, dass die Feuerwehren zur Rettung von Grosstieren entsprechend ausgebildet und ausgerüstet sind. Dabei müssen sowohl die Technik aktuell sein, sowie die Arbeitssicherheit, der Gesundheit- und der Tierschutz beachtet werden.

Kosten ergeben sich in Relation zum Gewicht

Anlässlich dieser Forderung startete die Feuerwehr Bern im Jahr 2014 mit der Ausbildung von Feuerwehrleuten im Bereich der Grosstierrettung. Seither birgt die Instanz jährlich ungefähr 50 Nutztiere aus misslichen Lagen. Nun kopieren Kantone wie Luzern oder Zug das Berner Modell. Hansueli von Arx on Arx stellt die Kosten, welche sich nach Gewicht des Tieres eruiert werden, vor:

  • Kategorie 1: unter 200 kg, Fr. 600.
  • Kategorie 2: 200-800 kg, Fr. 1200.
  • Kategorie 3: über 800 kg, Fr. 1500.

Im Falle des Kantons Bern beteiligt sich die GVB an der professionellen Tierrettung durch die Sonderstützpunkte Grosstierrettung zu 50 %. Die übrigen Rettungskosten gehen zulasten der Tierhaltenden.

Bei der Bergung wichtig, und für das Tier lebenswichtig, sei die Zusammenarbeit zwischen der Ortsfeuerwehr, der Sonderstützpunkte und dem zuständigen Tierarzt, wie Hansueli von Arx betont. Im Kanton Bern gibt es insgesamt sieben Sonderstützpunkte der Berufsfeuerwehr, die Grosstierrettungen durchführen können – die Ortsfeuerwehr hat diesbezüglich keine Handlungskompetenz. «Die Ortsfeuerwehr muss nicht alles können», sagt von Arx. «In einem Sonderfall wird automatisch der zuständige Sonderstützpunkt alarmiert, dafür wurden diese Stationen geschaffen.»

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Wer ist für welches Gebiet zuständig?

Die Aufgabe des Tierarztes ist es, im Falle einer Bergung, den Bewegungsapparat des Tieres zu beurteilen und die Transportfähigkeit einzuschätzen. Beispielsweise werden Pferde in der Regel oftmals aus Sicherheitsgründen vor einer Bergung sediert. Bei dieser tierärztlichen Beurteilung steht im Vordergrund: Kann das Tier behandelt und gesund werden, wird es gerettet. Ist die Verletzung zu gross und kein erfolgreicher Ausweg in Aussicht, muss es getötet werden. 

Arnold Odermatt ruft in Erinnerung: wenn ein Tier gerettet werden soll und kann, darf es verletzt transportiert werden. Wenn ein Tier aber zum Schlachthof geführt wird, darf es nicht verletzt transportiert werden. Der Tierarzt erzählt, dass die Feuerwehr im Falle einer Uneinigkeit mit dem Tierbesitzer auch selber den zuständigen Tierarzt oder die Tierärztin kontaktiert.

60 % der Fälle passieren in Güllegruben

Die Spezialisierung der Fachkräfte ist zentral, denn die Umstände einer solchen Bergung sind oftmals prekär. 60 % der Rettungen geschehen aus Güllegruben. 2024 wurden die Feuerwehren zu 38 Einsätzen mit insgesamt 63 Grosstieren aufgeboten.

Bei 58 % der Einsätze handelte es sich um Tiere (45), welche aus einer Jauchegrube gerettet oder geborgen wurden. Auch werden gelegentlich Grosstiere aus Sumpfgebieten oder Bächen gerettet. Um diese Sonderfälle üben zu können, zieht das Feuerwehrinspektorat für die Ausbildung lebende Tiere bei, wofür sie im Besitz einer Tierversuchsbewilligung vom Veterinäramt ist. 

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Was tun, wenn ein Nutztier verunfallt?

Wie verhält man sich, wenn ein Grosstier in Not geraten ist? Mit einem Anruf auf die Notrufnummer 118 werden die Spezialisten des Sonderstützpunktes aufgeboten.

Der/die Tierhaltende bemerkt den Unfall.
Mit der Notrufnummer 118 die örtliche Feuerwehr alarmieren. Diese sichert die Unfallstelle. Die Einsatzzentrale benachrichtigt gleichzeitig den nächsten →Sonderstützpunkt Grosstierrettung.
Anschliessend ruft der/die Tierhaltende den Veterinär an. Der Tierarzt oder die Tierärztin versorgt das Tier vor und nach der Rettung.
Die Spezialisten der Sonderstützpunkte retten das Tier. Dabei werden sie bei Bedarf von der Ortsfeuerwehr unterstützt.