Über eine halbe Million Franken
Im Jahr 2022 beliefen sich die Entschädigungen für Wildschweinschäden in den Kantonen Zürich, Thurgau und St. Gallen auf über eine halbe Million Franken.Im Kanton Zürich betragen die durchschnittlichen jährlichen Schäden laut der Fischerei- und Jagdverwaltung rund Fr. 300'000.–. Mal sei es etwas mehr, mal etwas weniger. 2022 waren es genau Fr. 291'395.–. Im Kanton Thurgau verursachten 2022 Wildschweine 50 % aller Schäden, gefolgt von Krähen und Bibern. Die Entschädigungssumme für Wildschweinschäden 2022 betrug Fr. 246'094.–, das sei aber rund 31 % weniger als im Vorjahr, erklärt Roman Kistler, Amtsleiter der Jagd- und Fischereiverwaltung. Relativ verschont bleibt der Kanton St. Gallen. Die Entschädigungssumme für Wildschweinschäden betrug 2022 Fr. 17'187.–. Die weitaus höhere Schadenssumme wird dort für Wolfsrisse aufgewendet.

Dort, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen, sind auch Wildschweine nicht weit – nämlich in Truttikon, wo sich ein Feldweg Richtung Basadingen schlängelt und wo Florian Keller, Thomas Schär und Fritz Hänni ihre Felder bewirtschaften. Die kleine Enklave im Weinland ist schön hufeisenförmig von Wald umgeben. Verkehr gibt es keinen, ebenso wenig stehen Hochspannmasten in der Landschaft. Geradezu paradiesische Verhältnisse für Wildschweine. Nicht so für die drei Landwirte. Seit 15 Jahren versuchen Keller, Hänni und Schär mit verschiedensten Massnahmen, ihre Felder vor den Wildschweinen zu schützen, und haben schon alles ausprobiert inklusive eines akustischen Wildschweinschrecks, der vor allem die Pferde von Kellers Nachbarn scheu gemacht habe, und Verbrämungsgranulat zum Ausstreuen. Das verdünnisiere sich aber rasch, so Schär.

Nun setzen sie wie seit 15 Jahren aufs Einzäunen der Felder. Meldemüde dürfen die Landwirte nicht werden, denn die Auswirkungen sind nicht zu unterschätzen. Wenn ein Drittel des Maisfelds von Wildschweinen ruiniert worden ist, muss man Mais zukaufen, was wiederum Folgen auf die Nährstoffbilanz hat. Oder bei Florian Keller wurde kürzlich eine Acker-Biodiversitätsförderfläche durchwühlt. Mit neuen Bestimmungen werden sofort neue Fragestellungen ausgelöst. Aber sofern sich dort in der aufgewühlten freien Stelle im Saum keine Ackerkratzdisteln, Neophyten oder Blacken einnisten und die Bekämpfungsschwellen nicht überschritten werden, kann dieser laut Strickhof auf jeden Fall zu den 3,5 % BFF-Fläche zugerechnet werden.

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Mal mehr, mal weniger

Abo Die hohen Wildschweinbestände führen in der Landwirtschaft immer wieder zu grossen Schäden. Hohe Schwarzwild-Population Wildschweine ausser Rand und Band Monday, 25. September 2023 In diesem Jahr können die Landwirte bis dato mit den Schäden leben. In den vergangenen Jahren seien die Schäden massiv höher gewesen. «Es lässt sich nicht voraussagen, wo die Rotten zuschlagen», sagt Schär. Werde im benachbarten Basadingen geschossen, seien die Wildschweine bei ihnen. Werde bei ihnen geholzt, flüchten sie ins benachbarte Guntalingen. Sicher ist, dass jedwelche Bodenbearbeitung die Wildschweine anlockt. Und dann gibt es noch die Leibspeise der Wildschweine – den Mais. Florian Keller und Thomas Schär halten gegen 100 Mastmunis beziehungsweise 100 Mastrinder und sind auf den Maisanbau angewiesen. Jährlich bauen sie auf ca. 5 ha an. «Mais ist eine der besten Ackerkulturen für uns», sagt Florian Keller. Aber der Mehraufwand zum Wildschweinschutz ist gross.

Schäden an Folgekultur

Jedes einzelne Feld wird eingezäunt und nachfolgend auch die Folgekultur wie zum Beispiel Wintergetreide. Die Wildschweine würden sonst im Winter das Feld nach Maiskörnern aufwühlen. Um das zu vermeiden, lässt Thomas Schär seine Rinder auf dem abgeernteten Maisfeld weiden. In der Hoffnung, dass seine Rinder die liegen gebliebenen Maiskolben fressen und er anschliessend im Winter beim Winterweizen Ruhe hat. Hänni und Schär sind beide im Gemeinderat und erzählen, dass sie erst kürzlich eine Zusammenkunft mit einem Kantonsverantwortlichen hatten. Dieser sei der Meinung gewesen, dass man den Mais nicht einzäunen müsse, der werde ja abgegolten. Hingegen gingen Schäden bei Kartoffeln und Zuckerrüben ins Geld, und nur diese sollten eingezäunt werden. Schär und Hänni schütteln beide den Kopf. «Für uns geht das sehr wohl ins Geld, wenn wir Mais zukaufen müssen», sagt Schär – und übrigens gebe die Wiesenerneuerung nach Wildschweinschäden am meisten Arbeit, hält Keller fest.

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«Fürs Zäunen und den Zaununterhalt gehen Stunden drauf.»

Fritz Hänni

[IMG 4] Fritz Hänni hat sein Kartoffelfeld eingezäunt und sagt: «Trotzdem haben letzte Woche die Wildschweine den Zaun durchbrochen. Der Schaden ist auf knapp Fr. 1000.–. geschätzt worden.» Nicht zu unterschätzen sei zudem der Schaden, wenn die Wildschweine quer durch den Kartoffelacker marschierten. Sie zertrampelten die Dämme und deckten Kartoffeln ab. Diese werden grün und müssen aussortiert werden. «Bei den Zuckerrüben fressen sie im Frühjahr die kleinen Knollen und im Raps schütteln sie bei Durchlaufen die Samen ab», zählt Keller auf, wobei er nicht mehr Raps anbauen werde, nicht wegen der Wildschweine, sondern aufgrund der unsicheren Ertragslage mit den zur Verfügung stehenden Pflanzenschutzmitteln. Beim Weizen setzt Keller auf begrannte Sorten, die zumindest während der Teigreife vor Wildschweinfrass schützen. Konsequent wird eingezäunt, ausgemäht und bei jedem Arbeitsdurchgang wie beim Spritzen der Hag abgelegt und anschliessend wieder installiert. «Fürs Zäunen und den Zaununterhalt gehen Stunden drauf», bringt es Hänni auf den Punkt. Der Kanton zahlt einen Beitrag für das Zaunmaterial und die Batterie und entschädigt den Arbeitsaufwand mit 50 Rappen pro Laufmeter.

Aber die Wildschweine durchbrechen auch die Elektrozäune. Wenn einer der Frischlinge unter dem Draht durchschlüpft, dann folgt die ganze Rotte nach. «Wenn Sie mal drin sind, lassen sie es sich gut gehen», fasst Schär zusammen.

Vermehrungsrate steigt

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«Die Entwicklung macht mir Sorgen. Wir haben in unserer Gegend mehrere Rotten mit 30 bis 50 Tieren», sagt Florian Keller. Die Wildschweine spazierten sogar am helllichten Tag über die Feldwege. Auch würden die Tiere bis zu dreimal jährlich werfen. Durch die milden Winter überlebten auch die Herbstfrischlinge. Zumal auch die Afrikanische Schweinepest immer näher rücke. Obwohl sich die vier Jagdgesellschaften in ihrem Umkreis Mühe geben, sei es nicht möglich, durch die Jagd die Wildschweine zu regulieren.