Eine Hürde bei der Vermarktung von Körnerleguminosen ist die in der Schweiz fehlende Esskultur. Während eine solche für Kichererbsen mittlerweile neu entsteht und orientalische Produkte wie Falafel oder Hummus an Beliebtheit gewinnen, wäre es im Fall gewisser Auskernbohnen eher ein Zurück-zu-den-Wurzeln – Einst hatten sie einen festen Platz auf der europäischen Speisekarte.
Eine alte Sorte in St. Gallen
Ein bekanntes Beispiel ist die Ackerbohne, die bereits seit 3000 Jahren in Europa angebaut wird. Heute findet man im Detailhandel stattdessen etwa Konserven mit roten Indianerbohnen (Kidneybohnen), es gäbe aber auch solche mit kultureller Vergangenheit in der Schweiz: Die Schwefelbohne (Phaseolus vulgaris) wurde historisch im Rheintal zusammen mit Ribelmais angebaut. In Salez SG läuft ein Projekt mit dem Ziel, diese alte Sorte wiederaufleben zu lassen.
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Ackerbohnen sind auf dem Feld erprobt
Das Interesse an Auskernbohnen seitens Landwirt(innen) ist da, stellt Melanie Rediger fest. Sie ist bei Biofarm für Hülsenfrüchte zuständig. Auch die Nachfrage sei vorhanden, der Anbau habe allerdings grossenteils noch Versuchscharakter. «Bei der Ackerbohne ist es anders: Da ist die Kultur gut bekannt, wir wissen aber noch nicht, wie das Produkt bei den Konsument(innen) ankommt», bemerkt Rediger. Mit Bergackerbohnen hat der Biohof Las Sorts im bündnerischen Albulatal eine Nische gefunden und der Verein Ostschweizer und Liechtensteiner Speiseleguminosen vernetzt die Akteure entlang der ganzen Wertschöpfunsgkette, um die Produktion einheimischer Hülsenfrüchte voranzutreiben.
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Die Schwefelbohne – Heimisch und zurück im Rheintal
Die Wiederbelebung einer alten Ackerkultur hat im Rheintal mit dem Ribelmais schon einmal funktioniert. Historisch damit verbunden ist die Schwefelbohne. «Die Bauernfamilien haben den Ribelmais mit einigen Reihen Schwefelbohnen angebaut», erzählt Michael Hammerschmidt. Er ist für den Anbau und die Inwertsetzung der Bohne im Rahmen eines vom Bund unterstützen Projekts zur nachhaltigen Nutzung genetischer Ressourcen verantwortlich. Schwefelbohnen sind sogenannte Reiserbohnen, eine Übergangsform zwischen Stangen- und Buschbohnen. Je nach Selektion sind sie standfester oder eher rankend. «Das macht den Anbau schwieriger, weil die Pflanzen schneller lagern», bemerkt Hammerschmidt. Man selektiere aktuell aus Samen verschiedener Herkünfte standfestere Sorten und arbeite an gesundem Saatgut.
Probleme mit der Standfestigkeit
Es gibt mit der Schwefelbohne aber auch schon erste Anbauversuche in kleinem Rahmen in Au SG auf rund 30 Aren. Man konzentriert sich laut Hammerschmidt auf Reinsaaten. «Mischkultur mit Mais funktioniert zwar schon. Die Trennung des Ernteguts ist aber schwierig, weil die Körner etwa gleich gross sind», so seine Begründung.
Schwefelbohnen seien nicht sehr heikel, was Krankheiten oder Schädlinge angeht, stellt der Projektverantwortliche fest. «Wir haben eher das Problem, dass die Pflanzen zu stark ranken, dann umkippen und bei feuchtem Wetter zu faulen beginnen.» Die Ernte funktioniere statt mit einem Mähdreschen besser, wenn die Bohnen gemäht, anschliessend auf dem Heustock getrocknet und erst dann gedroschen werden. «Das geht aber nur im kleinen Massstab», ist sich Hammerschmidt bewusst. «Mit besserer Erntetechnik könnte man zudem die Verluste reduzieren.»
Der Geschmack ist noch in Erinnerung
Das Projekt zur Schwefelbohne läuft weiter, kleine Mengen konnten bereits via Hofläden vermarktet werden. «Es ist ein Nischenmarkt für die schwefelgelben Bohnen vorhanden, da der feine Geschmack der Schwefelbohne der Rheintaler Bevölkerung noch von früher in Erinnerung ist», ist Michael Hammerschmidt überzeugt. Nun sollen Saatgut, Anbau- und Erntetechnik weiter verbessert werden.
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Biofarm sammelt Erfahrungen mit diversen Auskernbohnen
Ungefähr 22 Betriebe bauen aktuell Auskernbohnen für Biofarm an. «Je nachdem, wie sich die herrschende Trockenheit noch auswirken wird, rechnen wir mit insgesamt etwa 22 Tonnen», gibt Melanie Rediger Auskunft, die bei Biofarm für Hülsenfrüchte zuständig ist. Die Genossenschaft verkauft Borlotti-, Schwarze, Rote und Weisse Bohnen aus Schweizer Produktion. Angefangen habe man mit Borlotti- und und Schwarzen Bohnen, die anderen Typen kamen auf Nachfrage sowohl seitens Landwirte als auch der Kundschaft hinzu. Die Wuchsform und damit der Anbau sei eher abhängig von der Sorte als vom Typ. «Die Unterschiede sind grösser, ob man die eine oder andere Sorte Schwazer Bohnen anbaut, als wenn man Schwarze und Borlotti-Bohnenpflanzen vergleicht», so Rediger. Die Form der Kerne, Geschmack und Kochverhalten sind ebenfalls unterschiedlich, während die Ansprüche der Kulturen ähnlich seien.[IMG 12]
Man ist offen für neue Produzent(innen)
Biofarm konnte die Verkaufsmengen von ganzen, getrockneten Auskernbohnen in den letzten Jahren steigern. Auch Bruch ist, zu einem günstigeren Preis, im Angebot. «Viele Landwirte haben eher kleine Flächen und sammeln Erfahrungen mit der Kultur», schildert Melanie Rediger. Die Genossenschaft ist offen für neue Produzenten. «Wichtig ist, dass man zuerst mit uns Kontakt aufnimmt, damit wir Sorten und Fläche besprechen können.»
Auskernbohnen eignen sich laut der Agronomin dort, wo Hacken möglich ist – die Pflanzen sind konkurrenzschwach. Es sollten also nicht zu steile Flächen gewählt werden. Was den Boden angeht, so seien ein pH zwischen 6-7,5 und eine gute Wasserspeicherfähigkeit ideal. «Auf sandigem Untergrund und bei Sommertrockenheit kann es passieren, dass die Blüten abgeworfen werden», warnt Rediger. Ein Reihenabstand von 50 cm habe sich bewährt, weil viele Betriebe dafür die passende Mechanisierung haben. «Wenn auf engeren Abständen gehackt werden kann, ist das auch gut.»
Das Sortiment soll wachsen
In einem ersten Schritt will Biofarm «den Anbau in den Griff bekommen», wie es Melanie Rediger ausdrückt, also dank mehr Wissen für Ertragssicherheit zu sorgen. Geplant sei eine Erweiterung des Bohnen-Produktesortiments und innovativ zu bleiben.
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Ostschweizer und Liechtensteiner bauen Bohnen auch konventionell an
Der Verein Ostschweizer und Liechtensteiner Speiseleguminosen sammelt ebenfalls Erfahrungen im Anbau von Auskernbohnen, genauer von Borlotti-, Schwarzen und Roten Bohnen. Die Testflächen werden sowohl biologisch als auch konventionell bewirtschaftet. «Es ist gar nicht so einfach, die richtigen Sorten auszuwählen», fasst Lena Geiger die Erkenntnisse der letzten drei Jahre zusammen. Da die Witterung jeweils sehr unterschiedlich gewesen sei, könne sie noch keine genaueren Angaben zur Eignung verschiedener Sorten machen.
Die ganze Wertschöpfungskette beteiligen
Mit seinen Anbauversuchen verfolgt der Verein das Ziel, kulturspezifische Informationen zur geeigneten Mechanisierung und Infrastruktur zu sammeln. In diesem Bereich stehe ein Mangel der steigenden Nachfrage von Konsument(innen) und Verarbeitern gegenüber. «Auch die Koordination und Vernetzung der beteiligten Akteure entlang der ganzen Wertschöpfungskette sowie die Öffentlichkeitsarbeit spielen in unserem Verein eine wichtige Rolle», ergänzt Lena Geiger.
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Rare Bergackerbohnen werden zur lokalen Erfolgsgeschichte
[IMG 8]Ackerbohnen sieht man zwar mancherorts auf Schweizer Feldern, jedoch werden sie in der Regel zu Futterzwecken oder als Gründüngung angebaut. Die meisten noch erhaltenen Kultursorten aus der Zeit, als Ackerbohnen noch ein wichtiges Lebensmittel waren, stammen laut Pro Specie Rara (PSR) aus dem Berggebiet. In einem Projekt der Organisation im Rahmen des Nationalen Aktionsplans zur Erhaltung von Kulturpflanzen wurde Saatgut vermehrt und der Anbau im Berggebiet vorangetrieben.
Tests mit Untersaaten in den Bohnen
Bei der Ackerbohne gibt es Winter- und Sommerformen, wobei erstere auch in höheren Lagen gedeiht. Das beweist die Familie Heinrich, die auf dem Biohof Las Sorts in Zusammenarbeit mit PSR seit mehreren Jahren Bergackerbohnen anbaut. Landwirt Marcel Heinrich hat bei dieser alten Kultur viel Pionierarbeit geleistet und tüftelt noch immer am optimalen Anbausystem, wie er im PSR-Magazin «Rara» erklärt. Derzeit werde z. B. Wildstaudenroggen als Untersaat getestet, die im zweiten Jahr eine Roggenernte geben könnte. Die meisten erhaltenen Ackerbohnensorten stammen laut PSR aus Bergregionen. Sie seien sehr kältetolerant, vertragen auch Frost und dank der Höhe gebe es kaum Probleme mit Schädlingen. Heinrichs produzieren ihr Saatgut selbst. «Leider haben wir ansonsten keine Saatgutvermehrung mit anderen alten Sorten, von der andere Landwirte profitieren können», erklärt Philipp Holzherr von PSR auf Anfrage der BauernZeitung. Bei Interesse an Pro-Specie-Rara-Ackerbohnen müsste man demnach entweder – wegen der Pflanzenpasspflicht mit einer Ausnahmebewilligung – Saatgut aus der bestehenden Produktion ziehen. Alternativ könnte eine Kleinstmenge einer Sorte von PSR bezogen werden, um sie dann selbst aufzubauen. So war das Vorgehen im Fall des Biohofs Las Sorts, mit Unterstützung des Bundesamts für Landwirtschaft.
Interesse vonseiten Gastronomie
Die Bergackerbohnen werden unter dem PSR-Gütesiegel als Spezialität erfolgreich direktvermarktet. Die Maismühle Näfels stellt daraus auch Mehl und Griess her, das sie selbst verkauft. «Neben Privatkund(innen) steigt auch der Absatz in der Gastronomie», führt Philipp Holzherr aus. Einen grossen Anteil daran habe der Spitzenkoch und Genusstrainer Freddy Christandl, der bei seinen Besuchen in der Spitzengastronomie eine Lanze für die Bergackerbohnen breche – wie schon bei den Bergkartoffeln, der ersten Erfolgsgeschichte des Hofs Las Sorts.
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Für jeden Betrieb die geeignete Sorte
Die Bemühungen von Marcel Heinrich wurden mit einer Sorte Bergackerbohnen belohnt, die gut zum Standort seines Biohofs passt. Als Stickstoff-fixierende Leguminose eigne sie sich ausserdem gut für die Fruchtfolge mit Kartoffeln. «Für jeden Betrieb sind bei einem solchen Aufbauprojekt wieder andere Herausforderungen zu meistern», schätzt Philipp Holzherr. Pioniergeist und Herzblut seien Interessierten daher sicher zu empfehlen. Der Projektverantwortliche gibt allerdings zu bedenken, dass es auch schon im Unterland Ackerbohnen für die Futterproduktion gibt. «Der Schritt der Vermarktung als Speisebohne dürfte da auf dem Feld nicht allzu weit entfernt sein», meint er. Es gelte aber auch hier, die für den Betrieb geeignete Sorte zu finden. Weiter könnte der Ackerbohnenkäfer, der in der Bergregion kaum ein Thema ist, in tieferen Lagen eher als Schädling auftreten.
Wichtigster Punkt ist die Vermarktung
Ackerbohnen lassen sich vielfältig verwenden, z. B. als Mehl zum Backen. Tatsächlich sollen kleine Mengen Ackerbohnenmehl im traditionellen französischen Baguette (nach der Definition von 1993 maximal zwei Prozent) für einen geschmeidigeren Teig und eine hellere Kruste sorgen. Da sich Ackerbohnen nach Einschätzung von Biofarm – in Gegensatz etwa zu Borlottibohnen – schlechter als ganze Körner vermarkten lassen, steht laut Melanie Rediger bei diesem Bohnentyp die Verarbeitung im Vordergrund. «Die Anbaubereitschaft ist aktuell noch grösser als das vermutete Vermarktungspotential, aber wir beobachten den Markt», ergänzt Melanie Rediger. Auch Philipp Holzherr sieht in der Vermarktung die bedeutendste Frage: «Lassen sie sich alleine unverarbeitet verkaufen? Welche Mühlen sind bereit, sich auf Nischenprodukte wie Ackerbohnenmehl einzulassen?». Interessierte Handelspartner zu finden, scheine ihm da eine wichtige Voraussetzung.
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Was sind «Bohnen» botanisch gesehen?
Schweizer(innen) mögen Bohnen, denken dabei aber meistens an die grün geernteten Hülsen. Dabei handelt es sich um Pflanzen der Gattung Phaseolus, zu der z. B. verschiedene Garten- und Stangenbohnensorten gehören und die von Amerika aus nach Europa eingeführt worden sind. Der österreichische Lebensmitteltechnologe Roland Pöttschacher erläutere anlässlich einer Fachtagung die Botanik der «Bohnen», die neben Phaseolus zwei weiteren Gattung zugeordnet werden: Vigna und Vicia. Zu erster zählen beispielsweise Mung- und Schlangenbohnen, die in Asien als Gemüse besonders beliebt sind. Laut der Universität Giessen geht man aber davon aus, dass diese Bohnen-Gattung aus Afrika stammt. Ein bekannter Vertreter der Gattung Vicia (Wicken) ist Vicia faba, die Ackerbohne. Sie und ihre engere Verwandtschaft haben ihren Ursprung nach Angaben des Julius-Kühn-Instituts vermutlich in Mittelasien und dem Mittelmeerraum. Seit ungefähr 3000 Jahren werde die Ackerbohne in Europa angebaut, im Mittelalter sei die Kultur wegen ihres hohen Stärke- und Eiweissgehalts eines der wichtigsten Nahrungsmittel für Menschen und Vieh gewesen.
Favismus: Wenn Ackerbohnen krank machen
Hülsenfrüchte sind oft eher schwer verdaulich. Vor allem, wenn man sich den Konsum nicht gewöhnt ist. Heftig fällt die Reaktion auf Ackerbohnen aber bei Menschen mit Favismus aus. Wie das Julius-Kühn-Institut erläutert, bilden die Betroffenen keine ausreichende Menge eines bestimmten Enzyms. In der Folge komme es nach dem Verzehr von Ackerbohnen zur Auflösung der roten Blutkörperchen, was zu einer Blutarmut führen kann. Die Betroffenen leiden dann unter Bauchschmerzen, Durchfall, Erbrechen, Haut- und Schleimhautblutungen, Schüttelfrost und Fieber. Favismus werde vererbt und komme vor allem unter Schwarzafrikanern und im Mittelmeerraum bei Italienern, Griechen, hebräischen Juden und Aarabern, aber auch bei Thailändern, Chinesen und Indern vor.
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