Es ist vermeintlich ruhiger geworden im Streit um die Eigentumsverhältnisse von Toggenburger Alpgebäuden – zumindest vordergründig. Anfang Jahr hatte unsere Zeitung über die angebliche Enteignung berichtet. Das mediale Interesse und der politische Druck waren danach so gross, dass sich der Kanton St. Gallen gezwungen sah, drei Informationsanlässe durchzuführen. Das war Ende März 2022. Seither sind keine Informationen mehr an die Öffentlichkeit gedrungen.
Drei Varianten stehen zur Option
Die Grundbuchaufsicht des Kantons St. Gallen stellte ursprünglich fünf Varianten vor, wie das Eigentum von Alpgebäuden geregelt werden kann. Davon blieben noch drei übrig:
- Zustand belassen
- Alpzimmervertrag (schriftl. Vereinbarung über das bisher geregelte Gebäudeerstellungs- und Benützungsrecht)
- Errichtung von selbstständigen und dauernden Baurechten
Die Varianten Regelung in den Statuten und Abparzellierung wurden nicht weiterbearbeitet, letztere wegen Konflikten mit übergeordnetem Recht.
Am 23. Mai fand unter dem Dach des Alpwirtschaftlichen Vereins Toggenburg ein Treffen aller 32 Alpkorporationspräsidenten statt. Nach diesem Austausch überarbeitete die Grundbuchaufsicht in Zusammenarbeit mit dem Landwirtschaftlichen Zentrum St. Gallen (LZSG) die Musterverträge für den Alpzimmer- und den Baurechtsvertrag. «Bis Ende August passierte einfach nichts mehr», stört sich Josef Koller, einer der Betroffenen. Er selber ist nicht Landwirt, besitzt aber Alpgebäude auf der Alp «Flis», die er verpachtet und die ihm gemäss Grundbucheintrag nicht mehr gehören.
Zu den Hintergründen
Auslöser der Geschichte war der Erlass einer neuen Verordnung über die selbstständigen Anteilrechte und das Alpbuch durch die St. Galler Regierung. Die alte Verordnung vom 22.3.1951 wurde ersetzt und auf 1.1.2020 in Kraft gesetzt. Dies bewirkte bei der staatlichen Gebäudeversicherung eine Praxisänderung, die zur Folge hatte, dass die Alpkorporationen als Eigentümerinnen der Alpgebäude eingesetzt wurden. Neu werden die Rechnungen der Gebäudeversicherung pro Alpkorporation gemeinsam an die jeweiligen Alpkorporationen gerichtet und nicht mehr direkt an die ehemals aufgeführten Alpgebäudebesitzer. Erst dadurch wurden die Gebäudebesitzer darauf aufmerksam, dass die Alpkorporation, welche vorgängig nicht über diese Praxisänderung informiert worden war, im Grundbuch als Eigentümerin der Gebäude eingetragen ist.
Alpkorporation Flis gewährt Baurecht
Die Mitglieder der Alpkorporation Flis entschieden am 6. Mai mit grosser Mehrheit, das Baurecht zuzulassen, was bisher gemäss Statuten vom 15.6.2015 nicht zulässig war. Chancenlos war die Variante Alpzimmervertrag. Koller stellte im April beim Grundbuchamt Alt St. Johann ein schriftliches Gesuch für einen Vertragsentwurf für ein Baurecht. Auch forderte er Klarheit über die Kosten für den Baurechtseintrag. Wie hoch diese Kosten sein werden, weiss er bis heute nicht.
Am 20. Oktober erhielt Josef Koller vom Grundbuchamt Gams den ersten Vertragsentwurf für ein Baurecht, «sechs Monate nachdem ich ein Gesuch dafür gestellt hatte, und nur auf explizites Anfordern». Dass der Kanton diese Musterverträge nicht von sich aus an die Alpgebäudeeigentümer aushändigt, ist für ihn unverständlich.
«Der Kanton schiebt jetzt alles auf die Grundbuchämter ab und diese auf die Korporationen. Es geht nirgends wirklich vorwärts und die Zeit läuft uns davon.»
Josef Koller, Besitzer von Alpgebäuden auf der Flis
Kanton verlängert Frist bis 2025
Josef Koller spricht damit die neue Verordnung über das Alpbuch an, die der Kanton St. Gallen Anfang 2020 in Kraft setzte. Diese Darstellung sei falsch, sagt Markus Hobi vom LZSG in Salez. «Nur die Alpkorporationen, die noch nicht über vom Kanton bewilligte Statuten verfügen, müssen diese bis am 1. Januar 2023 einreichen.» Es sei vorgesehen, diese Frist bis Ende 2025 zu verlängern. Davon betroffen seien aber nur eine Handvoll Korporationen. Die Musterstatuten seien auf der Kantonswebsite aufgeschaltet.
«Die neue Verordnung über die Alpstatuten hat absolut nichts mit der Diskussion über die Eigentumsverhältnisse der Alpgebäude zu tun.»
Markus Hobi, Leiter Landwirtschaftliches Zentrum St. Gallen in Salez
Am 7. November 2022 fand ein zweites Treffen der Korporationspräsidenten mit Kantonsvertretern statt. Josef Koller war als Vertreter der Alp Flis dabei. Er beschreibt die Stimmung als sehr aufgeheizt. «Der Ärger über die schlechte Kommunikation des Kantons und darüber, dass die Grundbuchaufsicht für die Überarbeitung der Musterverträge vier Monate Zeit benötigte, war gross», sagt er. Sehr viele Fragen seien noch offen. So habe man erneut keine Auskünfte erhalten, welche Kosten die Grundbuchämter erlassen und was der einzelne Gebäudebesitzer zahlen muss.
Jede Korporation muss für sich schauen
Josef Koller liess die erforderlichen 2500 m2, die es für den Eintrag im Baurecht braucht, in den Grundbuchplänen einzeichnen. Geometer haben seine nach einem Lawinenniedergang neu erstellten Gebäude im Sommer vermessen. Die Pläne liegen jetzt beim Grundbuchamt zur Genehmigung. Der Baurechtsvertrag wird nach den Korrekturen an ihn und bei der Alpkommission durch das Grundbuchamt eingereicht. Koller sagt: «Ich kann doch nicht für alle schauen, dass sie ihre Eigentumsverhältnisse regeln.»
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Spannend sei, dass die ursprünglich vom Kanton angezweifelte Eigentumsfeststellung des Grundbuchamtes Wildhaus vom 23. März 1989 jetzt im Baurechtsvertrag wieder als «Erwerbsbeweis» aufgeführt ist, sagt Koller. Er bezeichnet die ganze Übung als «Affentheater» und verschwendete Energie. «Wir haben in 20 Jahren wieder dieselben Diskussionen, wenn nicht Baurechte errichtet werden», ist er sich sicher.


