Abo Aktualisiert Delegiertenversammlung 2023 Bio Suisse beschliesst Ausnahmeregelung für mehr Protein Wednesday, 15. November 2023 Die 100 %-Schweizer-Futter-Regelung hat jüngst grosse Diskussionen in der Bio-Szene ausgelöst. Es war für uns Delegierte von Bio Grischun eines der wichtigsten Traktanden an der vergangenen Herbst-DV von Bio Suisse, da viele unserer Mitglieder Mühe bekunden, die neue Regelung erfolgreich in der Praxis umzusetzen.

Längerfristige Lösung nötig

Der gefasste Entscheid an der DV, eine Übergangslösung in Form eines Absenkpfads für den Import von Eiweissträgern zur Mischfutterherstellung für die nächsten fünf Jahre zu bewilligen, entspannt wohl kurzfristig die Situation. Er dürfte aber die längerfristigen Schwierigkeiten der inländischen Eiweissbeschaffung oder fehlendes inländisches Grundfutter nach Trockenheitsereignissen kaum gänzlich lösen. Deshalb möchte Bio Grischun an der kommenden Frühlings-DV eine Grundsatzdiskussion darüber führen, ob man die Richtlinie anpassen sollte und ermöglicht, wieder 10 % des Futters zu importieren, solange in der Schweiz nicht genügend verfügbar ist.

An der DV musste ich feststellen, dass viele Delegierte anderer Mitgliederorganisationen viel weniger Mühe haben, die neuen Richtlinien umzusetzen.

«Es gab wenig bis gar kein Verständnis für unser Anliegen. Der Vorwurf stand im Raum, dass betroffene Betriebe ihre Hausaufgaben nicht gemacht hätten.»

Gion-Franzestg Schaniel zur Stimmung an der DV

Diese Stimmung hat mich als Delegierten von Bio Grischun und Milchproduzenten sehr überrascht und nachdenklich gestimmt. Am Schluss mussten wir froh sein, dass der Vorschlag mit der Übergangsfrist von fünf Jahren angenommen wurde.

Ich frage mich, ob nur die betroffenen Betriebe ihre Hausaufgaben nicht erledigt haben oder ob dies nicht auch für Bio Suisse gilt. Wieso ist es denn immer noch so schwierig, qualitativ hochwertiges Futter zu erhalten? Warum wird argumentiert, dass ohne die verschärfte Richtlinie das Verhältnis von Angebot und Nachfrage bei der Milch aus dem Gleichgewicht gefallen wäre? Dies, nachdem viele Betriebe auf Bio umgestellt und investiert haben, weil die Nachfrage stieg.

Biomilchproduktion im Bündnerland gefährdet

Auch die ganze Logistik um den Milchtransport und die Verarbeitung wurde in vielen Regionen im Bündnerland in den letzten Jahren auf Biomilch ausgerichtet. Vor allem in abgelegenen Gebieten ist man froh um jeden Milchproduzenten, damit es sich noch lohnt, die Milch zu holen.

«Viele Biobauern in unserer Region haben versucht, ihre Produktion an die neuen Richtlinien anzupassen. Einigen gelang es gut, anderen weniger.»

Gion-Franzestg Schaniel zur Anpassungsfähigkeit der Betriebe

Nun ist es aber leider so, dass es auch Betriebe gibt, die ernsthaft mit dem Gedanken spielen, mit der Milchproduktion nach Knospe-Richtlinien aufzuhören. Sie stellen mit ihrem Entscheid die Zukunft der anderen Biomilchlieferanten, die bereits eine Lösung gefunden haben, in Frage.

Hinzu kommt, dass Sömmerungsbetriebe, die in Graubünden meist durch Alpgenossenschaften bewirtschaftet wer-den, verpflichtet sind, die Kühe der jeweiligen Gemeinde zu alpen. Wenn nur schon ein Mitglied mit Bio aufhört, kann die betroffene Alp die Knospe-Richtlinien nicht mehr einhalten. Wird die Milch dann im Tal verarbeitet, so gilt sämtliche Milch nicht mehr als Bio, und die Biobetriebe erhalten im Sommer keinen Biomilchpreis.

Einzelentscheide treffen ganz viele

Abo Gastbeitrag Ein Grossversuch mit Potenzial zum Nachjustieren Sunday, 22. October 2023 Werden da nicht gerade solche Betriebe bestraft, die sich mit den Richtlinien bereits gut arrangiert haben? Fördern wir somit nicht noch mehr die Biomilchknappheit im Sommer? Gehen nicht wertvolle regionale Bioprodukte verloren, weil die Verarbeiter, die jetzt bereits schon knappe Milchmengen haben, ihre Bioproduktion einstellen? Es gibt Biomilchverarbeiter, die sich ernsthafte Sorgen um die immer geringere Biomilchmenge machen, da sich der Aufwand nicht mehr lohnt. Dies sind die Fragen, die mich in der ganzen Thematik beschäftigen. Vor allem, dass Entscheide von einzelnen Betrieben ganz viele andere betreffen können.

 

 

Zur Person
Gion-Franzestg Schaniel ist Milchproduzent, Vorstandsmitglied von Bio Grischun und Bio-Suisse-Delegierter. Er schreibt für die «Arena» der BauernZeitung Ostschweiz und Zürich.