Abo Gewässerrenaturierung Neuer Anlauf für die Thurkorrektion – Verband Thurgauer Landwirtschaft ist enttäuscht Saturday, 16. April 2022 Beim Hochwasserschutz- und Revitalisierungskonzept Thur+ gibt es seit jeher einen Interessenkonflikt zwischen Landwirtschaft und Umweltverbänden. Am 6. September 2022 fand dazu in Frauenfeld ein Podium statt. Den Befürwortern des Projekts, GLP-Kantonsrätin Nicole Zeitner und Grüne-Kantonsrat Toni Kappeler, standen SVP-Nationalrat Manuel Strupler und Landwirt Rolf Kuhn gegenüber. Einig waren sich die vier, dass es einen besseren Hochwasserschutz und die Sicherung des Grundwassers braucht. Bei der Frage, wie weit die Massnahmen gehen sollen, liegen die Ansichten weit auseinander.  

«Land gehört der Thur»

Manuel Strupler stört sich daran, dass der Thur mit dem Projekt so viel Raum gegeben werden soll. Dass Fruchtfolgeflächen bis zu den Dämmen geopfert wird, hat für ihn nichts mehr mit Hochwasserschutz zu tun. Nicole Zeitner erinnerte daran, dass das Land in den Vorländern, das seit der Begradigung der Thur vor 150 Jahren bewirtschaftet wird, eigentlich als Abflussrinne der Thur gedacht war. «Es ist also nur richtig, dieses Land der Thur wieder zurückzugeben.»

Toni Kappeler ergänzte, dass Thur+ 1 Prozent der Landwirtschaftlichen Nutzfläche (LN) des Kantons beansprucht. Ein Grossteil davon bleibe der Landwirtschaft erhalten, als Biodiversitätsförderfläche (BFF).

«Es geht um 1 Prozent Fläche für ein Jahrhundertprojekt. Ausserdem darf man nicht vergessen, dass mit Thur+ 2500 ha Fruchtfolgeflächen ausserhalb der Dämme geschützt werden.»

Toni Kappeler, Grüne-Kantonsrat und Präsident von Pro Natura Thurgau

Nicole Zeitner wie auch Toni Kappeler zeigten Verständnis für die Betroffenen. Der Kanton müsse hier Hand bieten und das werde er auch, beteuerten die beiden Kantonsräte.

Die Ausgangslage ist heute eine andere

Moderator Mathias Frei stellte die Frage, ob es ein Fehler war, die Thur im Jahr 1890 zu begradigen. Das war eine andere Ausgangslage als heute, waren sich die Teilnehmer einig. Hauptziel war damals, das Wasser möglichst rasch wegzutransportieren.

Die Thur unterhalb von Weinfelden. Thurrenaturierung IG Thur erhebt Einsprache gegen Gewässerraumlinie Monday, 29. November 2021 Toni Kappeler sagte: «Heute geht man mit Hochwassersituationen anders um, man gibt dem Wasser mehr Raum.» Manuel Strupler hielt fest, dass die Voraussetzungen heute andere sind. «Viele Flächen sind verbaut. Es fliesst schneller viel mehr Wasser aus den Städten in die Thur.» Rolf Kuhn erwähnte, dass auch die Auflandung dazu beitrage, dass schnell viel Wasser zusammenkommt. «Es wurde mal beschlossen, dass das Vorland wieder abgesenkt werden muss, umgesetzt wurde das nie.» 

Grosse Sorge ums Grundwasser

Für Toni Kappeler ist die Abtragung des Vorlandes die erste Massnahme, um den ursprünglichen Zustand der Thur wieder herzustellen. Als zweites müssten die Hartverbauungen weg. Die Kanalisierung wirke wie eine Feile, erklärte er. Die Thur fräse sich immer tiefer in den Boden, die Flusssohle sei heute nahe am Grundwasser. «Der Fluss braucht viel mehr Platz, damit das wichtigste Grundwasservorkommen im Kanton nicht gefährdet wird», argumentierte Kappeler.

Die Grundwasserversorgung hat auch für Rolf Kuhn höchste Priorität.

«Die Sohlenerosion kann man auch mit Schwellen beheben, das hat sich bewährt.»

Rolf Kuhn, Landwirt aus Mettendorf

Nach Struplers Ansicht ist es falsch, dass der Thur dafür Platz bis zu den Dämmen gegeben wird, «die teilweise sehr weit weg vom Fluss sind». «Realität ist, dass das Land schnell vom Fluss weggefressen wird und für immer für die Produktion verloren ist», warnte er.

Naherholung auf Kosten der Landwirtschaft

Nicole Zeitner wies darauf hin, dass es sich bei Thur+ um ein Generationenprojekt über 30 Jahre handelt. Der Thurkanal, der im Moment 45 Meter breit ist, soll in einem ersten Schritt mechanisch auf 80 Meter geöffnet werden. Später soll die Thur Raum auf einer Breite bis zu 100 Meter erhalten. «Mit Thur+ schaffen wir ein Naherholungsgebiet. Wir haben also auch mehr touristische Wertschöpfung», sagte sie. Dieser Satz brachte Manuel Strupler auf die Palme:

«Das zeigt wieder einmal, dass die Landwirtschaft den Kopf hinhalten muss, weil in den Städten und Dörfern alles verbaut ist!»

Manuel Strupler, Thurgauer SVP-Nationalrat 

Immer müsse die Landwirtschaft Abstriche machen. Die Bauernfamilien seien die einzigen Betroffenen, die einzigen, die etwas hergeben müssten.

Betroffene in den Prozess miteinbeziehen

Befürworter wie Gegner warfen sich gegenseitig vor, auf ihren Maximalforderungen zu beharren. Toni Kappeler hielt fest, dass die Umweltverbände darum besorgt sind, dass die gesetzlichen Grundlagen eingehalten werden. An Manuel Strupler gewannt meinte er: «Was ihr fordert, ist mit dem Gewässerschutzgesetz nicht vereinbar und kann darum so nicht umgesetzt werden.» Die Umweltverbände seien mit den Zielen von Thur+ zu 100 Prozent einverstanden: Hochwasserschutz, Sohlenstabilisierung, Schutz des Grundwassers und Revitalisierung.

Abo Gewässerrenaturierung Die IG Thur ist für den Hochwasserschutz, aber gegen eine übertriebe Renaturierung Friday, 15. July 2022  Manuel Strupler sagte, auch seine Seite sei mit den Hauptzielen einverstanden, aber nicht mit den Massnahmen. «Wir müssen zueinander finden», hob er hervor. Wie man die verhärteten Fronten denn aufweichen könne, wollte Moderator Mathias Frei zum Abschluss von den Beteiligten wissen. Dazu sagte Rolf Kuhn: «Indem man die Grundeigentümer an den Tisch holt und sie in den Prozess miteinbezieht.» Damit war auch Kappeler einverstanden: «Der Kanton konnte viel Land erwerben für den Strassenbau, dann soll er das auch beim Flussbau machen.»