Der Regierungsrat des Kantons Thurgau hat das Hochwasserschutz- und Revitalisierungskonzept für das Thurtal, das Konzept Thur+, dem Grossen Rat zur Kenntnisnahme überwiesen. Mit der Umsetzung werde sichergestellt, dass künftige Hochwasser schadlos abgeleitet werden und dass der Flussraum ökologisch aufgewertet wird, schreibt die Regierung.
Flussbett mindestens doppelt so breit
Der Regierungsrat spricht von einem Kompromiss zwischen Naturschutz, Landwirtschaft und Hochwasserschutz. Der zentralste Punkt ist, dass die Dämme entlang der Thur weiterhin als Fixpunkt bestehen bleiben. Davon ausgenommen sind die Auenschutzgebiete. Damit bleiben die Grundpfeiler des bestehenden und bewährten Hochwasserschutzsystems unverändert. Zwischen den bestehenden Dämmen erhält die Thur mehr Freiraum: Das heutige Flussbett wird mechanisch von heute 45 auf neu 80 Meter Breite aufgeweitet. Dies hat Auswirkungen auf die Landwirtschaft. Nach heutigem Stand könnten 212 ha landwirtschaftliche Nutzfläche verloren gehen, davon 59 ha Fruchtfolgeflächen. Beim Wald rechnet die Regierung mit 345 ha, die «umgestaltet» werden.
Kanton zahlt höhere Preise für Land und Wald
Aufgrund dieses Flächenbedarfs hat der Regierungsrat im Konzept Thur+ eine Strategie zum vorsorglichen Landerwerb beschlossen. Als Anreiz bezahlt der Kanton befristet bis Ende 2024 höhere Preise:
- Für Acker, Wiese und Weide Fr. 15.– statt 5.– pro Quadratmeter
- Für Wald Fr. 7.50 statt Fr. 2.50 pro Quadratmeter
Schrittweise Ablösung von Bewirtschaftung
In Bezug auf die Landwirtschaft schreibt die Regierung: «Weil an der Thur teilweise grosse landwirtschaftliche Nutzflächen in den Vorländern von der Festlegung betroffen sind, hat der Kanton intensiv und früh nach einer Lösung gesucht, um die Auswirkungen auf die Landwirtschaft in Grenzen zu halten und zu staffeln.»
Das Amt für Umwelt (Afu) habe in Rücksprache mit dem Bundesamt für Umwelt (Bafu) einen auf die Thur massgeschneiderten Lösungsansatz erarbeitet. Dieser ermögliche einerseits die schrittweise Umgestaltung des Thurvorlandes und andererseits die schrittweise Ablösung der heutigen landwirtschaftlichen Bewirtschaftung.
Speziallösung bei Bonau und Weinfelden
Es ist von einer Speziallösung im Raum Bonau und Weinfelden die Rede. Die zuständige Regierungsrätin Carmen Haag äussert sich auf Anfrage der BauernZeitung zu den Details wie folgt. Grundsätzlich umfasse der Gewässerraum der Thur die ganze Fläche zwischen den beiden Dämmen. Im Falle des Exerzierplatzes in Weinfelden wie auch der Bonau liegen die Dämme zum Teil sehr weit weg von der Thur und dazwischen grosse Flächen wertvolles landwirtschaftliches Kulturland.
«Da wir das Resultat mit Blick auf einen sorgfältigen Umgang mit den Kulturlandflächen in diesen beiden Fällen als stossend empfunden haben, ist in Rücksprache mit dem Bafu in diesen beiden Fällen ein abweichendes Vorgehen vorgesehen.»
Carmen Haag, Vorsteherin Departement Bau und Umwelt
So werde der grundeigentümerverbindliche Gewässerraum voraussichtlich dort begrenzt, wo man aus heutiger Sicht einen neuen Damm bauen würde.
Bauernverband kritisiert Regierung
Enttäuscht vom Ergebnis ist man beim Verband Thurgauer Landwirtschaft. Co-Präsident Daniel Vetterli sagt: «Wir hatten uns mehr erhofft, insbesondere im Raum Eschikofen-Hüttlingen.» Hier hätte es eine weitere Reduktion der renaturierten Fläche zugunsten des Kulturlandes gebraucht, so Vetterli. «Leider wurden unsere gut begründeten Argumente nicht aufgenommen.»
Dass der Kanton bei Weinfelden und Bonau der Landwirtschaft entgegen kommt, relativiert er. «Diese Speziallösung stand schon vor der Vernehmlassung fest.» Man müsse sich bewusst sein, dass diesem Erfolg ein 20-jähriger Kampf der Bauern für ihr Land vorausgegangen sei. Die Anliegen der Landwirtschaft seien nicht berücksichtigt worden, sagt Vetterli.
«Wir hätten uns gewünscht, dass auf dem Abschnitt Eschikofen-Hüttlingen die Begrenzungslinie anders gesetzt wird. So wird das Entgegenkommen in der Bonau und beim Exerzierplatz in Weinfelden neutralisiert.
Daniel Vetterli, Co-Präsident VTL
Renaturierung günstiger als Extremereignis
Das Konzept Thur+ soll abschnittsweise über einen Zeitraum von rund 30 Jahren mit konkreten Projekten umgesetzt werden. Die Kosten für die Umsetzungsprojekte werden gesamthaft auf rund 325 Millionen Franken geschätzt. Ein grosses Hochwasser hätte ähnliche Kosten zur Folge, so die Regierung. Berechnungen würden zeigen, dass bei einem Jahrhundertereignis Schäden von bis zu 219 Millionen Franken zu erwarten sind, bei einem Extremereignis sogar bis zu 573 Millionen Franken.


