Der Kanton St. Gallen gestaltet seine zukünftige kantonale Landwirtschaftspolitik neu aus. Die Vision 2030 der St. Galler Landwirtschaft sieht unter anderem vor, das Landwirtschaftliche Zentrum St.Gallen (LZSG) als Innovationsstandort weiterzuentwickeln, die Digitalisierung zu nutzen sowie eine ressourcenschonende Landwirtschaft zu fördern.

Herr Inauen, zunächst einmal: Warum braucht der Kanton St. Gallen nebst der nationalen Agrarpolitik ein eigenes Papier für die Ausrichtung der Landwirtschaft?

Abo Interview «Das Potenzial von Drohnen wird unterschätzt» Tuesday, 19. July 2022 Bruno Inauen: Die Agrarpolitik wird im Wesentlichen auf nationaler Ebene definiert, das istkorrekt. Aber die konkrete Ausgestaltung liegt bei kofinanzierten Themen wie den Strukturverbesserungen und der Beratung auch beim Kanton. Es ist richtig und wichtig, dass sich der Kanton überlegt, wo er Schwerpunkte setzen möchte oder wie er mit Innovationen umgeht. Weiter ist uns in den Bereichen Pflanzengesundheit, Tierwohl und Digitalisierung/Smartfarming der Wissenstransfer in die Praxis wichtig. Wir möchten uns ergänzend zu den Bundesmassnahmen überlegen, was im Bereich Ressourcenschutz auf kantonaler Ebene noch nötig ist.

Welches sind die Kernstücke der neuen Strategie?

Wir möchten den Ressourcenschutz, den Pflanzenbau und die Digitalisierung über Praxisversuche fördern und so die Bäuerinnen und Bauern unterstützen, die Herausforderungen der Zukunft zu nutzen. Die Vernetzung mit Partnern aus Bildung, Forschung, Privatwirtschaft und bäuerlichen Organisationen, der Wissenstransfer sowie die Etablierung des LZSG als Innovationsstandort sind wichtige Elemente.

Das braucht es, um den Innovationsgedanken bereits in der Berufsbildung zu verankern und die Landwirte bei der wertschöpfenden Produktentwicklung und Produktequalität zu unterstützen. Der Erhalt der Produktionsgrundlagen unter Berücksichtigung des Klimaschutzes und der Klimaanpassung ist ein weiteres Kernstück.

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Im Bericht werden fünf Schwerpunkte genannt. Diese sind sehr allgemein abgefasst. Was bringt die Strategie den St. Galler Bäuerinnen und Bauern in ihrem Alltag?

Die intensivere Zusammenarbeit mit dem Landwirtschaftsbetrieb der Strafanstalt Saxerriet bietet optimale Bedingungen, um Praxisversuche im Ackerbau durchzuführen. Von dieser «St.Galler Versuchsstation» können Landwirtschaftsbetriebe die Resultate in ihre praktische Tätigkeit integrieren.

Die verstärkte Vernetzung mit der Branche soll Innovationen hervorbringen, die wir auf kantonaler Ebene mitunter auch finanziell unterstützen können. Unsere geplanten Vorhaben im Bereich der Produktionsgrundlagen (Bodenverbesserung) sollen wegweisende Beispiele sein, wie mit meliorierten Böden im Rheintal umgegangen werden kann. Wir planen auch mehr finanzielle Mittel für die Strukturverbesserungen ein. Dabei stehen Verarbeitungsstrukturen auf Alpen oder die Erneuerung von Wasserversorgungen im Fokus.

Einige Ziele wie die Digitalisierung oder Robotik decken sich mit Bereichen, die auf der Swiss Future Farm in Tänikon angegangen werden. Warum will der Kanton St. Gallen ein eigenes Kompetenzzentrum im Innovationsbereich werden, wo doch mit der SFF in der Ostschweiz schon Vieles an Forschung und Infrastruktur vorhanden ist?

Im Gegensatz zu Tänikon sind wir kein Forschungsstandort der Agroscope und somit anders aufgestellt. Unser Fokus liegt auf einer möglichst praxisnahen Versuchstätigkeit unter unseren klimatischen Verhältnissen und auf unseren Böden. Wir arbeiten projektbezogen trotzdem mit Partnern zusammen. Diese Zusammenarbeit kann sowohl mit der Agroscope, als auch mit der ETH, Hafl oder auch mit privaten Firmen und der bäuerlichen Praxis sein. Wir sind interessiert an einer Zusammenarbeit und einem Austausch mit unseren Kolleg(innen) im Thurgau. Wir decken aber andere Themenfelder ab als die SFF. 

Was kostet die neue Landwirtschaftspolitik den Kanton?

Wir rechnen im nächsten Jahr mit knapp 1 Million Franken, später mit Mehrkosten von rund 2,5 Million Franken jährlich gegenüber heute. Als einer der grössten Landwirtschaftskantone der Schweiz sind wir überzeugt, dass diese Mittel zielgerichtet und sinnvoll eingesetzt sind.

Wie waren die Rückmeldungen aus Landwirtschaftskreisen auf die Strategie?

Die Rückmeldungen waren mehrheitlich positiv. Am ehesten Diskussionsstoff liefert die vorgesehene Reduktion der ­kantonalen Unterstützung der ­Gemeindeviehschauen. Die politische Diskussion über die Gesetzesrevision wird zeigen, ob ein Kompromiss zielführend wäre. Aus finanzieller Sicht ist die Position eher untergeordnet, die gesellschaftliche und emotionale Seite muss hier sicher noch berücksichtigt werden.

Wagen Sie eine Prognose, wie der St. Galler Landwirtschaftsbetrieb der Zukunft 2030 aussehen wird?

Der Kanton St. Gallen ist auf nationaler Ebene bekannt dafür, seine finanziellen und personellen Ressourcen effizient einzusetzen. Aus unserer Optik hat sich diese Haltung auf die Landwirtschaftsbetriebe übertragen. Viele Be­triebs­lei­ter­(in­nen) sind effizient, innovativ und fortschrittlich unterwegs und nutzen die Marktchancen.

«Der St. Galler Landwirtschaftsbetrieb wird auch in Zukunft die Produkte und Dienstleistungen zugunsten der Öffentlichkeit anbieten, die von ihm gefordert werden.»

Bruno Inauen, Leiter Landwirtschaftsamt St. Gallen

Das Verhalten der Konsument(innen) hat einen wesentlichen Einfluss auf die einheimische Produktion. Unser Ziel ist es, den Landwirtschaftsbetrieb der Zukunft 2030 zu befähigen, sich resilient zu verhalten und mit einer nachhaltigen Produktion einen wichtigen Anteil an die Versorgungssicherheit beizutragen. Er wird dies künftig noch ressourcenschonender als heute machen, weil die Produktionsgrundlagen für jeden Landwirtschaftsbetrieb elementar sind. Das gleiche Verhalten erwartet sich der Landwirtschaftsbetrieb der Zukunft von der ganzen Land- und Ernährungsbranche und wünscht sich das auch von den Konsument(innen).

Hier geht's zum Bericht über die kantonale Landwirtschaftspolitik

Abo Sie trafen sich in Salez, um über die Zukunft der Landwirtschaft zu diskutieren: Moderatorin Angelika Hardegger, Gabriele Schachermayr, Markus Kobelt, Karl-Heinz Camp, Bernard Lehmann und Martijn Sonneveit (v.l.n.r.). (Bild Alexandra Stückelberger) Agrarpolitik Tagung Vision Landwirtschaft 2050: «Resilienz zeigt sich in der Krise» Saturday, 12. June 2021