Pro: Ein berechtigtes Verlangen und eine Chance
Prallen Stadt und Land aufeinander, erhitzen sich mitunter die Gemüter. Die einen werfen den anderen Engstirnigkeit und fehlende Bereitschaft zur Weiterentwicklung in eine gewünschte Richtung vor. Diese kontern wiederum, dass Erstere keine Ahnung von der Landwirtschaft hätten und irgendwelchen realitätsfernen Traumgebilden nachhingen. In einem solchen Fall kochen bereits die Emotionen über. Ein paar Schritte weg vom «Schmelzofen der Gefühle» helfen, die Frage sachlich zu betrachten.[IMG 2]
Rechtlich gesehen sind Pächter und Verpächter durch den Pachtvertrag miteinander verbunden. Dessen Ausgestaltung ist in vielen Punkten, wie zum Beispiel bei der Frage der Pachtdauer oder der allfälligen Beendigung, im Gesetz geregelt. Für einige Aspekte der Pacht überlässt das Gesetz den Parteien die Freiheit zur individuellen Ausgestaltung. Die Parteien können somit für ein Stück Land oder einen Betrieb zusätzliche Anforderungen miteinander vereinbaren.
In der Praxis kommt es vor, dass Land oder ein Betrieb nur an einen Pächter verpachtet wird, wenn dieser zusätzliche Bedingungen des Verpächters erfüllt. Beispiele sind der Anbauverzicht von intensiven Kulturen wie Zuckerrüben und Kartoffeln oder die «Zurverfügungstellung» des gepachteten Bodens an Dritte, meistens an Gemüsebaubetriebe. Auch können Betriebe im Pachtvertrag verpflichtet werden, nach einem bestimmten Label zu produzieren. Möglich ist auch, solche Vertragsänderungen bei Verlängerung einer bestehenden Pacht neu in den Vertrag aufzunehmen.
Solche Bedingungen sind rechtlich zulässig und gedeckt von der Vertragsfreiheit der Parteien. Also der Freiheit, Verträge mit Personen der eigenen Wahl und mit Inhalten der eigenen Wahl abzuschliessen.
Wenn Stadtberner Politiker nun verlangen, dass landwirtschaftliche Betriebe und Nutzflächen der Stadt biologisch bewirtschaftet werden sollen, ist diese Forderung auch konsistent mit der langfristigen Ausrichtung der Stadt. In dieser hat sich Bern unter anderem zur Nachhaltigkeitsstrategie der UNO und zur Klimastrategie des Bundes verpflichtet. Es wird also keine Symbolpolitik auf dem Rücken der Landwirte betrieben.
Bio ist schon lange kein «Wollsockenverein» mehr. Ebenfalls kein Geheimnis ist, dass einige der heute besten Biolandwirte vor der Umstellung die besten «Vollgasproduzenten» waren. Das Verlangen der Stadt nach Bio sollte deshalb als Chance statt als Bedrohung wahrgenommen werden. Es ist eine ausgestreckte offene Hand der Stadtbürger in Richtung Land. Es liegt nun an den Landwirten, mit der Faust oder einem Handschlag zu antworten.
Kontra: Hier herrschen schon bald Zustände wie in China
Diejenigen, die von der Landwirtschaft am wenigsten verstehen, haben immer das Gefühl, sie müssten den Bäuerinnen und Bauern ihr Handwerk erklären. Sie haben das Gefühl, sie würden selber besser bauern, die Pflanzenschutzmittel seien überflüssig, oder sie haben das Gefühl, die Kühe bräuchten nur Heu und Gras zum Fressen. Am Schluss sind sie noch der Meinung, der Landwirtschaft gehe es zu gut, man verdiene damit viel Geld.[IMG 3]
Nein, die Gesellschaft entfernt sich mehr und mehr von der heimischen Landwirtschaft, sie hat völlig den Bezug verloren. Mitbestimmen möchte sie, kommt mit abstrusen Forderungen. So auch die SP der Stadt Bern. Die Politiker wollen, dass alle Landwirtschaftsbetriebe, die im Besitz der Stadt Bern sind, auf Bio umstellen. Die Pächter der Betriebe fragt man nicht, man fordert es. Hierzulande herrschen bald Zustände wie in China. Wer nicht spurt, kommt weg; wer nicht das macht, was verlangt wird, bekommt es zu spüren.
Die Motion der beiden Berner SP-Stadträte Katharina Altas und Timur Akçasayar eröffnet sehr gute Chancen, dass auch der letzte Stadtberner Betrieb auf Bio umstellen muss. Was bleibt dem Pächter anderes übrig, als mitzumachen? Was bleibt ihm übrig, als sich den Forderungen zu beugen, damit er seinen Hof nicht verliert. Sicher haben die beiden Stadträte mehr bzw. ebenso wenig Ahnung von der Landwirtschaft wie die meisten Beamten.
Hier wird also einem Betriebsleiter etwas aufgezwungen, was er vielleicht nicht machen möchte, wo er nicht mit ganzem Herzen dahinterstehen kann. Es ist natürlich einfacher, in einem warmen Ratssaal auf Kosten einer Bauernfamilie Pläne zu schmieden, um die eigenen Vorstellungen oder Wünsche, wie die Landwirtschaft auszusehen hat, umsetzen. Und vielleicht auch das eigene Gewissen zu beruhigen.
In der warmen Ratsstube fragt sicher auch keiner, ob genau dieser Betrieb für die Bioproduktion geeignet ist, ob der Betriebsleiter die nötigen Maschinen dazu hat oder der Landwirt über das nötige Fachwissen und Know-how verfügt. Mögliche Ertragseinbussen scheinen die Stadträte weniger zu interessieren. Hauptsache, man ist ihren Forderungen nachgekommen; Hauptsache, man ist ihrem Gedankengut gefolgt.
Wenn ich Bauer wäre, würde ich Katharina Altas und Timur Akçasayar im Sommer dann einladen, auf den Feldern mitzuhelfen, das Unkraut zu jäten, mit ihnen die Kühe zu putzen oder mit ihnen die Blacken zu stechen. Wenn es so weit ist, bin ich gerne dabei. Ich bin sicher, weder Altas noch Akçasayar wissen, wie eine Blacke aussieht, geschweige denn, was eine Bauernfamilie leistet.
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