Er war nicht nur für das Berggebiet und für die Alpwirtschaft ein Segen, sondern auch für die gesamte Land- und Waldwirtschaft. Erich von Siebenthal, der Bergbauer aus Gstaad, sagt Adieu. Der sympathische Landwirt politisierte 16 Jahre lang für die SVP im Nationalrat. Wegen Amtszeitbeschränkung der Berner SVP ist nun Schluss: Mit Erich von Siebenthal verlässt ein Bergler den Nationalrat, der sich nicht nur für die heimische Landwirtschaft einsetzte.

Fäden ziehen im Hintergrund

Abo Er war gerne Staatsmann: Andreas Aebi wird den freien Zugang zum Bundeshaus vermissen. Rücktritt im Bundeshaus Andreas Aebi spricht lieber in Bildern, als in Paragrafen Monday, 23. October 2023 «Es war ein grosses Privileg, 16 Jahre lang die Politik in unserem Land mitgestalten zu können», hält er fest. Der letzte Sessionstag sei sicher mit Emotionen verbunden gewesen, doch er könne jetzt gut Abschied nehmen. Wir treffen Erich von Siebenthal in einem Café vor dem Bundeshaus. Auch bei diesem Treff erscheint der Noch-Nationalrat überpünktlich. Zielstrebig, ehrlich und hartnäckig – das sind die Attribute, welche den Politiker 16 Jahren lang begleiteten. Der Bergbauer mit Jahrgang 1958 war sicher nicht der grosse Redner im Bundeshaus, viel lieber zog er die Fäden im Hintergrund, lobbyierte bei den anderen Partien, suchte dort Mehrheiten für seine Anliegen. «Meine Ratskolleginnen und -kollegen wussten, für was ich einstehe», hält er fest.

Stimmen anderer Parteien

Diesen Bonus habe er nie verspielt, dieser Bonus half ihm, die Stimmen anderer Parteien zu gewinnen. Erich von Siebenthal hat in den 16 Jahren verschiedene weitreichende Vorstösse und Motionen eingereicht. Zum einen ist es der Vorstoss Anbindestall, wo der Bergbauer erreicht hat, dass man diesen gegenüber dem Laufstall finanziell nicht benachteiligt, und zum anderen ist es die Motion beim RAUS-Beitrag: Die Pflicht, die Kühe von Mai bis Oktober 26-mal im Monat nach draussen zu lassen, funktioniere im Berggebiet nicht. Hier müsse von Vegetationsbeginn bis Vegetationsende gerechnet werden. «Schon vor über zehn Jahren brachte ich einen entsprechenden Vorstoss durch beide Räte», hält von Siebenthal fest. Doch die Verwaltung setzte das Anliegen nur zum Teil um.

«Alle wussten, wofür ich einstehe.»

Erich von Siebenthal, SVP-Nationalrat

Beiträge müssen erhalten bleiben

Abo Rücktritt im Bundeshaus Jacques Bourgeois: «Herbe Niederlagen gab es nicht» Monday, 23. October 2023 «Nun stimmte der Nationalrat einer neuen Motion von mir zu. Und ich hoffe, dass diese in der nächsten Legislatur auch den Ständerat passiert, dass dort die nötige Sensibilität vorhanden ist», sagt der Bergbauer. Aber auch für die Alpungs-, Sömmerungs-, Biodiversitäts- und Landschaftsqualitätsbeiträge setzte sich der Saaner massiv ein. «Es ist wichtig, und ich betone es immer wieder, dass diese Beiträge erhalten bleiben müssen», sagt er bestimmt. Für Erich von Siebenthal als Noch-Präsident des Schweizerischen Alpwirtschaftlichen Verbands bleibt auch die Wolfsthematik ein akutes Thema: «Als Vorstandsmitglieds des Trägervereins des Bäuerlichen Sorgentelefons kenne ich die Sorgen und Nöten von betroffenen Landwirtinnen und Landwirten nach einem Wolfsübergriff auf ihre Tiere», so von Siebenthal.

Sagt hier auch Adieu

Es sei jetzt wichtig, dass die Behörden grünes Licht geben, damit die Wolfsbestände massiv reduziert werden können», so der Politiker. Wenn nicht, sei die Gefahr sehr gross, dass noch mehr Alpen aufgegeben werden. «Hier brauchen wir Grossrätinnen und Grossräte beziehungsweise Kantonsräte, die darauf achten, dass die Kantone ihren Handlungsspielraum in Zukunft nutzen», stellt er klar. Aber auch als Präsident des Schweizerischen Alpwirtschaftlichen Verbands wird Erich von Siebenthal nicht mehr lange vorstehen. «Im Herbst 2024 gebe ich das Präsidium ab», sagt er deutlich.

2007 wurde Erich von Siebenthal schon im ersten Anlauf in den Nationalrat gewählt. Vorher politisierte er sechs Jahre lang im Grossen Rat des Kantons Bern. «Eigentlich wurde ich als Nachfolger von Fritz Abraham Oehrli aus Teuffenthal und als erster Saaner in den Nationalrat gewählt», erzählt er von seinen Anfangszeiten.

Der Blocher-Effekt

An die damalige Wahl könne er sich noch sehr gut erinnern. «Ich hatte damals ein sehr gutes Wahlkomitee, welches mich weit über die Kantonsgrenze hinaus unterstützte», weiss der redegewandte Berner Oberländer noch. «Sicher habe ich damals auch vom sogenannten ‹Blocher-Effekt› profitiert», gibt er zu. Da musste er auch nicht überlegen, als er nach der Abwahl von Christoph Blocher nicht zur neugegründeten BDP wechselte. «Ich wurde seinerzeit von den SVP-Wählern ins Parlament gewählt, und ich werde als SVP-Parlamentarier den Nationalrat verlassen», sagt er mit grosser Dankbarkeit. In all den Jahren habe er die nötige Kraft nicht nur von seiner Familie mitgekommen, auch im Glauben findet Erich von Siebenthal einen grossen Halt.

In Gottes Händen

«Ich habe immer gesagt, Gott, ich bin in deinen Händen, Gott, du weisst, was du für mich und meine Familie vorbereitet hast», sagt der überzeugte Kirchgänger. Nur einmal konnte Erich von Siebenthal in all seinen Politjahren nicht gut schlafen. «Das war 2002, als ich in den Grossen Rat gewählt wurde. Ich dachte, wie funktioniert das jetzt auf dem Betrieb, wenn ich in Bern unten bin», lacht er heute noch. «Wenn man am Abend mit gutem Gewissen ins Bett gehen darf, ehrlich ist mit sich selbst, den Tag ins Gottes Hand gibt, hat man keine Schlafprobleme», so von Siebenthal. Diese Lebensphilosophie möchte er weitergeben, weitergeben an die neugewählten Parlamentarierinnen und Parlamentarier. Für Erich von Siebenthal ist nun Schluss, ein Bergler verlässt das Bundeshaus, ein Bergbauer sagt der Politik Adieu.