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Das Agrarpaket bringt, wie bereits alle vor ihm, Neuerungen. Unter anderem werden 2023 neun Produktionssystembeiträge (PSB) eingeführt. Ein weiterer PSB (Nutzungsdauer) folgt im Jahr 2024.
Die Zeit, sich mit den neuen Beiträgen auseinanderzusetzen, ist knapp. In wenigen Wochen öffnen bereits die Fenster der kantonalen Erhebung. Institutionen, wie am 5. Juli der Wallierhof in Riedholz SO, informieren die Betriebsleitenden in den Grundzügen. Die neu geschnürten Programme sind nicht mit einem kurzen Blick überschaubar. Agridea und die Mitarbeiter der Kantone bieten Hilfestellung.
«Man hat uns einmal versprochen, dass es einfacher wird», so ein Landwirt. Er ist zusammen mit vielen anderen Berufskollegen und -kolleginnen an den Wallierhof in Riedholz SO gekommen, um sich über die Auswirkungen der Parlamentarischen Initiative (Pa. Iv.) auf seinen Betrieb zu informieren. Nach einfacher sehe es aber derzeit ganz und gar nicht aus, ist er sicher – was viele andere im Saal teilen.
Wenig Selbstverantwortung
Dieser Ansicht ist auch Felix Schibli, Chef Amt für Landwirtschaft des Kantons Solothurn, der am Anlass ebenfalls dabei war. «Ich hätte mir mehr Selbstverantwortung für die Bäuerinnen und Bauern gewünscht», sagte er. Das jetzt zu hinterfragen und zu debattieren, sei aber nicht zielführend. Die anwesenden Landwirte wissen, in wenigen Wochen müssen sie über ihre Teilnahme an den neuen Programmen entscheiden. Bei der Herbsterhebung, die grösstenteils Anfang September startet, müssen sie wissen, was und wie sie es umsetzen wollen. Doch der Zeitpunkt scheint aktuell denkbar ungünstig – die Ernte ist im Gange. Weiter laufen Diskussionen um Getreidepreise, Milchpreise, Futterkosten oder sich nicht erholen wollende Treibstoffpreise. Und Wissen um diese Programme, die zur ganz grossen Mehrheit bereits am 1. Januar 2023 starten, ist noch reichlich wenig vorhanden.
«Vorstellen können wir, was wir kennen», sagte Lorenz Eugster, Bereichsleiter Direktzahlungen und Agrardaten am Amt für Landwirtschaft des Kantons Solothurn. Jedes Agrarpaket bringe Änderungen in den Beiträgen mit sich. «Zum Teil gehen sie rauf, zum Teil runter», sagt Eugster.
Ein Beispiel im ÖLN
Dass nicht nur bei den Produzenten noch nicht ganz alles klar ist, sondern auch bei den zuständigen Behörden, bewiesen die Aussagen von Gaetano Mori, Leiter Pflanzenschutzfachstelle. Er referierte über die ÖLN-Anforderung im Pflanzenschutzmitteleinsatz. Wirkstoffe mit erhöhtem Risikopotenzial dürften nur noch mit Sonderbewilligung angewendet werden, wenn keine Alternativen vorhanden seien, erklärte Mori (Bsp. Pyrethroide gegen diverse Schädlinge). Wie Mori sagt, ist es klar, welche Wirkstoffe mit Alternativen ersetzt werden müssen und somit verboten sind resp. einfach nicht mehr angewendet werden dürfen, welche Wirkstoffe weiterhin mit einer Sonderbewilligung appliziert werden dürfen und für welche Wirkstoffe es keine Sonderbewilligung braucht.
Noch nicht klar sei hingegen, welche Ausnahmen es geben wird, wo trotz Wirkstoff mit erhöhtem Risiko keine Sonderbewilligung benötigt wird. Eine entsprechende Liste von Indikationen (praktisch ausschliesslich im Gemüsebau) befindet sich in der Vernehmlassung.
Dass es stotzig kommt, wissen die Landwirtinnen und Landwirte. Und dass sie Unterstützung brauchen, auch. «Es bräuchte doch jetzt in jedem Dorf einen Berater», äusserte ein anwesender Landwirt. Das Team von Kanton und Wallierhof luden auch genau aus diesem Grund nach Riedholz: um das Bewusstsein für bedeutende bevorstehende Veränderungen zu schaffen und erste Hilfestellung anzubieten. Die Landwirtinnen und Landwirte sollten sich einen ersten Einblick verschaffen können, was da auf sie zukommt.
Vorsicht bei Herbizidfrei
Eine mögliche Massnahme im Bereich der Produktionssystembeiträge ist der Verzicht auf Herbizide im Ackerbau und in Spezialkulturen. Hier gilt zu beachten, dass bereits Auflagen zu erfüllen sind, bevor die Massnahme 2023 im eigentlichen Sinne in Kraft tritt.
Raps, Kartoffeln und Freiland-Konservengemüse im herbizidfreien Anbau werden mit 600 Franken/ha gefördert. Die Bedingungen sind eine Verpflichtungsdauer von der Ernte der Vorkultur bis zur Ernte der beitragsberechtigten Hauptkultur.
Spezialkulturen (ohne Tabak und Chicorée) sind mit 1000 Franken/ha beitragsberechtigt. Hier gilt eine Verpflichtungs-dauer. In Dauerkulturen: vier aufeinanderfolgende Jahre, flächenspezifisch; bei einjährigen Freilandgemüse, Beeren-kulturen, Gewürz- und Medizinalpflanzen: auf derselben Fläche während einem Jahr.
Die restliche Hauptkulturen der offenen Ackerfläche können 250 Franken/ha auslösen. Auch hier gilt die Verpflichtungsdauer: Von der Ernte der Vorkultur bis zur Ernte der beitragsberechtigten Hauptkultur. Und Vorsicht: es gilt die Gesamtbetrieblichkeit – alle Parzellen einer Kultur müssen herbizidfrei sein.
Nicht neu – aber viel
Über den Hintergrund der Ursache für diese Veränderungen hat die BauernZeitung schon mehrfach informiert. Die parlamentarische Initiative (Pa. Iv.) 19.475 legt als Ziele fest, dass die Risiken durch den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln bis 2027 um 50 % und die Nährstoffverluste bis 2030 um 20 % reduziert werden. Um diese Ziele zu erreichen, sieht der Bundesrat zwingende und freiwillige Massnahmen vor. So wurde die Direktzahlungsverordnung um zusätzliche Anforderungen im ökologischen Leistungsnachweis (ÖLN) ergänzt. Davon sind alle Bewirtschaftenden betroffen; das heisst, sie müssen eine gewisse Auswahl an möglichen und vorgeschriebenen Massnahmen umsetzen. Genannt werden sie die Basisanforderungen. Bereits gut bekannt und heftig diskutiert wurden hier die 3,5 % Biodiversitätsförderflächen (BFF) im Ackerbau.
Es gibt aber auch Zusatzmassnahmen, also freiwillige Programme, im Bereich Boden, Nährstoffe, Pflanzenschutzmittel und Tierprogramme. Es handelt sich dabei um die Produktionssystembeiträge (PSB). Sie haben alle eines gemeinsam – die Teilnahme daran ist freiwillig. Es handelt sich dabei um einen Umbau der bisherigen Ressourceneffizienzbeiträge (REB). Die dort bereits bestehenden Massnahmen – «Geräte präzise Applikationstechnik» und «Phasenfütterung Schweine» werden noch weitergeführt. Die Erste bis 2024, die Zweite bis 2026.
Wichtige Punkte
Am Anlass in Riedholz wurde am Dienstag eine Folie präsentiert, die für die Direktzahlungsberechtigten grosse Relevanz hat. Um sich mit den neuen Massnahmen vertraut zu machen, muss eine Liste von Fragen beantwortet werden. Es sind dies:
- Ab wann gilt etwas?
- Wie heisst die Massnahme?
- Auf welcher Stufe (Betrieb, alle Flächen einer Kultur, Einzelfläche) wird die Massnahme geführt?
- Einstiegsanforderungen – ist mein Betrieb bereit?
- Was für Umstellungen sind notwendig, damit mein Betrieb später einsteigen kann?
Eine Übersicht der «neuen» PSB (siehe Grafik unten) zeigt im Bereich des Pflanzenbaus ein deutliches Übergewicht. Hier stehen acht Programme zur Wahl, fünf davon (rot) betreffen die Pflanzenschutzmittel.
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Folgende Bereiche lassen sich unterteilen:
Ackerbau: kein Einsatz von Herbiziden, Bodenbedeckung durch Zwischenfrüchte, max. 90 % des Stickstoffbedarfs der Kulturen gemäss Düngerbilanz.
Dauerkulturen: kein Einsatz von Insektiziden, Akariziden und Fungiziden nach der Blüte, Flächen, die mit Betriebsmitteln bewirtschaftet werden, die dem Biolandbau entsprechen, kein Einsatz von Herbiziden und angemessene Begrünung im Weinbau.
Gemüsebau und einjährige Beeren: kein Einsatz von Insektiziden und Akariziden, kein Einsatz von Herbiziden, 90 % Stickstoffbilanz.
Rindviehhaltung: höherer Anteil an Auslauf und Weidegang, längere produktive Lebenszeit der Kühe.
Infos auf Faktenblättern
Die Agridea zeigt auf der Wissensplattform agripedia.ch auf, welche Anforderungen neu im Ökologischen Leistungsnachweis (ÖLN) gelten und welche neuen Massnahmen durch Direktzahlungen gefördert werden. Dafür hat sie in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) Faktenblätter ausgearbeitet, die auf die einzelnen Produktionsrichtungen zugeschnitten sind. Dank dieser Bündelung der Informationen finden Landwirtinnen und Landwirte sowie weitere Interessierte auf einfache Weise die für sie relevanten Informationen und erhalten somit eine solide Entscheidungsgrundlage für ihre Praxis.
Weitere Informationen finden Sie hier.


