«2024 war das Jahr der Bildungsrevisionen», sagt Petra Sieghart. Die Bildungsverantwortliche des Schweizer Bauernverbands (SBV) informierte kürzlich an der Delegiertenversammlung der OdA AgriAliForm über die neuen Entwicklungen in der landwirtschaftlichen Bildung. Die OdA ist für die Entwicklung und Qualitätssicherung der Ausbildungen in den landwirtschaftlichen Berufen zuständig – von der Lehre bis zum Meisterdiplom. So liefen bzw. laufen gleich drei Totalrevisionen gleichzeitig, beim Eidgenössischen Fähigkeitszeugnis (EFZ), beim eidgenössischem Berufsattest (EBA) und bei der höheren Berufsbildung.

Die Revision der Grundbildung auf EFZ-Stufe ist quasi abgeschlossen. Die neuen Bildungspläne und die Bildungsverordnung wurden Ende 2024 genehmigt und sollen ab dem Schuljahr 2026/27 in Kraft treten.

Viertes Jahr möglich

Ein zusätzliches viertes Lehrjahr soll der zunehmenden Spezialisierung der Betriebe gerecht werden. In den ersten beiden Lehrjahren werden bei den Landwirt/innen EFZ in der Berufsfachschule Grundlagen aus verschiedenen Handlungskompetenzbereichen vermittelt. Diese heissen: Pflegen des Kulturlands, Unterhalten und Nutzen der technischen Infrastruktur, Organisieren und Kommunizieren im Betriebsumfeld, Halten von Nutztieren, Bewirtschaften von Grünland und Raufutterflächen. Im dritten Lehrjahr spezialisiert man sich in einer der Fachrichtungen:

  • Ackerbau
  • biologischer Pflanzenbau
  • Alp- und Berglandwirtschaft
  • Geflügelhaltung
  • Rindviehhaltung
  • Schweinehaltung.

Der bisherige Beruf «Geflügelfachleute» wird dabei im Zuge der Revision eine Fachrichtung in der Lehre Landwirt/in EFZ. Um eine entsprechende Fachrichtung anbieten zu können, müssen Lehrbetriebe gewisse Zusatzanforderungen erfüllen (siehe unten).

Mehr in die Tiefe, weniger breit

Nach drei Jahren schliesst man ein EFZ in einer Fachrichtung ab – und sei in dieser deutlich besser ausgebildet als bisher – dafür etwas weniger breit, so Petra Sieghart. Für Betriebe mit mehreren Betriebszweigen wird den Lernenden ans Herz gelegt, in einem vierten Jahr eine zweite Fachrichtung anzuhängen. Mit dieser hat man die Möglichkeit, ein zweites EFZ zu erlangen.

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Abo Die Anforderungen an Lernende aus dem Berufsfeld Landwirtschaft steigen mit der zunehmenden Spezialisierung der Betriebe. Totalrevision Grundbildung Ein Mammutprojekt ist auf der Zielgeraden Saturday, 5. October 2024 Bildungstechnisch handelt es sich beim vierten Lehrjahr mit der zweiten Fachrichtung um eine auf ein Jahr verkürzte Zweitlehre. Mit diesem Modell könne sehr flexibel auf die unterschiedlichen Bedürfnisse in der Landwirtschaft eingegangen werden, schreibt der Fachbereich Agriprof des SBV in seinem Argumentarium zur zweiten Fachrichtung. Für einen spezialisierten Betrieb mit einem Hauptbetriebszweig sei man mit der entsprechenden Fachrichtung besser ausgebildet als bisher. Wer den Betrieb später aber verändern und noch vertieftes Wissen in einem anderen Betriebszweig möchte, sollte auf jeden Fall eine zweite Fachrichtung absolvieren, heisst es. Dies könne man aber auch später als direkt im Anschluss machen. 

Die zweite Fachrichtung im vierten Jahr sei ein Lehrjahr mit Lehrvertrag «und damit kostenfrei für die Lernenden.» Der Richtlohn dafür entspricht 60–70 % des Einstiegslohns eines Landwirts EFZ (60–70 % von etwa 4000 Franken = 2400–2800 Franken). Die zweite Fachrichtung wird als Praxisjahr für die Berufsprüfung anerkannt.

Lernendenzahlen halten

2024 befanden sich 3800 Lernende in Ausbildung für einen landwirtschaftlichen Beruf. «Wir sehen eine leichte Aufwärtstendenz bei den Lernendenzahlen», hält Petra Sieghart fest. «Unsere Aufgabe ist jetzt, dass das weiter so bleibt. Bei vielen anderen Berufen zeigt die Kurve nämlich steil nach unten.» Die Revision der Grundbildung macht auch Änderungen an der Struktur der OdA Agri Ali Form nötig. Über die entsprechende Statutenrevision werden die Delegierten an einer ausserordentlichen Delegiertenversammlung im Oktober abstimmen. Auf diesen Zeitpunkt tritt Präsident Loïc Bardet zurück, da er vom Dachverband der Westschweizer Landwirtschaft Agora zum SBV wechselt.

Auch über die Revision der höheren Berufsbildung wurden an der DV informiert. Die einzelnen Berufe werden voraussichtlich weiterhin eigene Abschlusstitel haben. Neu kommt ein Abschluss für die biologische Landwirtschaft dazu. Ziel ist es, die Anschlussfähigkeit an die neue EFZ-Grundbildung sicherzustellen und zugleich Synergien zu nutzen – etwa durch eine engere Zusammenarbeit mit der biologisch-dynamischen Landwirtschaft. «Dafür wird Demeter der OdA Agri Ali Form beitreten», kündigt Petra Sieghart an.

Abo Wer in der Landwirtschaft vorwärtskommen will, tue gut daran, eine Weiterbildung in Angriff zu nehmen, wie diese jungen Leute hier, die eine Höhere Fachschule besuchen. Weiterbildung Warum ein EFZ nicht das Ende ist Tuesday, 24. June 2025 Grundsätzlich ist für die Bildungsverantwortliche des SBV klar, nach der Lehre dürfe mit Lernen nicht Schluss sein: «Wir haben zu wenig Leute in der höheren Berufsbildung. Es ist nicht das Ziel, dass man einen Betrieb mit einem EFZ führt», sagt sie. Das Ziel der Revision(en) sei deshalb auch, mehr Leute in die höhere Berufsbildung zu bringen. «Für eine strategische Weiterentwicklung des eigenen Betriebs sollte man die Meisterprüfung haben», hält sie fest. 

Swiss Skills für Sichtbarkeit

Nun freut sich Petra Sieghart darauf, dass das «Jahresereignis 2025 etwas ist, das endlich mal nichts mit der Totalrevision zu tun», nämlich die nationalen Berufsmeisterschaften Swiss Skills – ein wichtiger Anlass, um die grünen Berufe sichtbarer zu machen, gerade bei Jugendlichen, die vor der Berufswahl stehen. Zum vierten Mal finden diese vom 17. bis 21. September in Bern statt. An den Swiss Skills 2025 findet man Berufsdemonstrationen von über 150 Berufen. 90 davon führen einen Wettbewerb durch, um die besten jungen Berufsleute zu küren. Auch die Berufe der Landwirtschaft sind wieder mit dabei. Es gibt Wettbewerbe für die Landwirte/innen, die Gemüsegärtner/innen und die Weinfachleute. Die Berufe Geflügelfachmann/frau und Obstfachmann/frau kann man an Berufsdemonstrationen kennenlernen.

«Vielleicht wird sogar wieder ein Landwirt Totalsieger wie 2022?», hofft Sieghart. Damals hatte der Berner Matthias Baumann die höchste Punktzahl aller Berufe erreicht und damit einen Doppelschlag gelandet – bester Landwirt und bester Lehrling der Schweiz.


Zusatzanforderungen für Lehrbetriebe je nach Fachrichtung

Schweinehaltung

Die Zusatzanforderungen an einen Lehrbetrieb für die Fachrichtung Schweinehaltung sind folgende: Diese bildet einen wirtschaftlichen Betriebszweig und wird professionell geführt – und:

  • Der Betrieb ist anerkannt bei QM-Schweizerfleisch, IP-Suisse oder Bio Suisse.
  • Er nimmt an einem Schweine-Plus-Gesundheitsprogramm teil
  • Betriebsgrösse: Mindestens 20 Mutterschweine oder mindestens 100 Mastplätze oder mindestens 10 Abferkelplätze im Ferkelring.
  • Die Schweinestallungen entsprechen dem Stand der Technik. Branchenübliche Geräte und technische Einrichtungen sind vorhanden. 

Ackerbau

Zusatzanforderungen an den Lehrbetrieb für die Fachrichtung Ackerbau:

  • Der Lehrbetrieb weist offene Ackerflächen auf.
  • Er bewirtschaftet mindestens drei Ackerbaukulturen, davon mindestens eine Hackfrucht (dazu gehören z.B. Rüben, Kartoffeln, Mais, Sonnenblumen, Raps, Soja und Feldgemüse).
  • Der Lehrbetrieb führt mindestens zwei der nachfolgend aufgezählten Arbeitsschritte in den geforderten Kulturen der bewirtschafteten Ackerbaukulturen selbst durch: Bodenbearbeitung, Saat/Pflanzung, Pflege, Düngung, Ernte
  • Der Lehrbetrieb steht in der Verantwortung, dass die praktische Ausbildung zur Fachbewilligung Pflanzenschutz umgesetzt wird.
  • Die praktische Ausbildung zur Fachbewilligung Pflanzenschutz kann mittels Verbundvertrag an einen weiteren, dafür geeigneten Lehrbetrieb übertragen werden. 

Berglandwirtschaft

Um die Fachrichtung Alp- und Berglandwirtschaft anbieten zu können:

  • muss der Lehrbetrieb im Minimum in der Bergzone 1 liegen oder es wird eine Alp (mind. 10 Normalstösse) als wichtiger Betriebszweig bewirtschaftet.
  • Der Lehrbetrieb übernimmt die Ausbildung der im Bildungsplan Landwirt/in EFZ aufgeführten Leistungsziele Betrieb. 

Bio-Pflanzenbau

Für die Fachrichtung Bio-Pflanzenbau:

  • muss der Lehrbetrieb mindestens ein nach Bio-Verordnung anerkannter Betrieb sein.
  • Der Pflanzenbau bildet einen wirtschaftlichen Betriebszweig (ein reiner Grünlandbetrieb erfüllt diese Anforderung nicht).
  • Der Lehrbetrieb führt wesentliche Arbeitsschritte (z.B. Bodenbearbeitung, Saat/Pflanzung, Pflege, Düngung, Ernte) des Pflanzenbaus selbst durch.
  • Der Lehrbetrieb steht in der Verantwortung, dass die praktische Ausbildung zur Fachbewilligung Pflanzenschutz umgesetzt wird.
  • Die praktische Ausbildung zur Fachbewilligung Pflanzenschutz kann mittels Verbundvertrag an einen weiteren, dafür geeigneten Lehrbetrieb übertragen werden.

Rindviehhaltung

Zusatzanforderungen für den Betriebszweig Rindviehhaltung:

  • Diese hat auf dem Lehrbetrieb eine wesentliche Bedeutung.
  • Es werden mindestens 10 Rinder-Grossvieheinheiten (GVE) gehalten.
  • Die Stallungen und Mechanisierung entsprechen dem branchenüblichen Stand der Technik. 

Geflügelhaltung

Um die Fachrichtung Geflügelhaltung anbieten zu können:

  • Müssen auf dem Betrieb branchenübliche Geräte und technische Einrichtungen vorhanden sein.

Geflügelhaltung kann sein:

  • Haltung einer Nutzgeflügelherde mit insgesamt mindestens 1000 Tieren (Legehennen, Mastpoulets, Truten, Junghennen oder Elterntiere)
  • Betreiben einer Brüterei oder Aufzuchtorganisation (Betreuung von Herden, Umstallungen etc.)
  • Betreiben einer Mastintegration und den damit verbundenen Tätigkeiten (z.B. Beratung und Betreuung von Produzenten).