Muss man sich als Landwirt(in) entscheiden, wem man Glauben schenken will? Bei der Pflanzenkohle scheint genau das der Fall zu sein, denn es stehen zwei grundverschiedene Haltungen im Raum. Notabene von zwei ernstzunehmenden Akteuren.
Ein Bericht mit Beteiligung der Branche
Böse Zungen könnten sagen, der Bericht müsse wegen Interessensbindungen gefärbt sein: Eine Übersichtsstudie im Auftrag von Agroscope kommt zu dem Schluss, dass Pflanzenkohle der Schweizer Landwirtschaft bei der notwendigen Anpassung helfen kann. Dies im Sinne einer effizienten Nutzung von Produktionsmitteln und angesichts der deutlich spürbar trockeneren Sommermonate als Folge des Klimawandels. Die Autorenschaft dieses Berichts setzt sich aber zusammen aus Forschern von Agroscope und Vertretern der Pflanzenkohle-Branche in Gestalt des international tätigen Ithaka-Instituts und des Maschinenrings Zuger Berggebiet, der selbst mit der Verora AG in der Produktion von Pflanzenkohle tätig ist.
«Keine schädlichen Auswirkungen»
Schlussendlich bringt der Bericht internationale Studien mit Praxiswissen aus der Schweiz zusammen und zeigt auch Grenzen der Pflanzenkohle auf. Idealerweise kommt die Pflanzenkohle zuerst in der Tierhaltung zum Einsatz, um dann mit Nährstoffen aufgeladen auf den Boden ausgebracht zu werden. Das poröse Material hat mit seiner grossen Oberfläche das Potenzial, Nitrat und organischen Stickstoff pflanzenverfügbar zu speichern und den Wasserhaushalt in Böden oder Töpfen zu verbessern. Nährstoffe würden weniger ausgewaschen und Kulturen hielten Trockenheit besser stand, heisst es bei Agroscope. Im Bericht werden aber für die hiesigen Böden kaum Ertragssteigerungen versprochen und man empfiehlt nicht die Anwendung grosser Mengen pro Hektare. Meist bestimme der Einsatz in der Tierhaltung, wie viel Pflanzenkohle am Ende der Kaskade auf Weiden und Äcker gelange. Die Studienautoren gehen von 0,5 bis 2 t/ha aus. «Bei Einhaltung der in der Schweiz geltenden Zertifizierungsvorschriften nach dem Europäischen Pflanzenkohle-Zertifikats (EBC) sind schädliche Auswirkungen weder auf die Ökosysteme noch die Anwender zu befürchten», schreiben die Autoren.
«Braucht es nicht»
Ganz anders tönt es beim Bundesamt für Umwelt (Bafu): Pflanzenkohle bringe nichts und sei im Gegenteil potenziell gefährlich wegen irreversibler Schäden an Bodenlebewesen und dem Eintrag von Schadstoffen, so der Tenor. Mehr Ertrag ist bekanntlich nicht alles, zumal darauf ausgelegte Systeme oft am Limit laufen und entsprechend instabil werden. Trotzdem führt das Bafu in seinem Faktenblatt das Ausbleiben von Mehrerträgen dank Pflanzenkohle hierzulande als ein hauptsächliches Gegenargument ins Feld. Für das Bundesamt überwiegen Unsicherheit mangels wissenschaftlicher Studien aus der Schweiz und Skepsis. Hiesige Böden brauchen keine Pflanzenkohle, lautet das Fazit.
Was sagt die Verordnung?
Als Landwirt(in) kann man sich der Haltung der Pioniere anschliessen und Pflanzenkohle als potentes Hilfsmittel sehen oder dem vorsichtigen Bafu folgen und darauf verzichten. Es gibt zwei Alternativen: die Vernetzung mit Anwendern, die – nach allem, was in der Öffentlichkeit zu vernehmen ist – von der Wirkung von Pflanzenkohle mehrheitlich überzeugt sind. Oder man orientiert sich an den gesetzlichen Rahmenbedingungen. Diese steckt u. a. die Düngerverordnung ab, die das Inverkehrbringen von Pflanzenkohle aus pyrolysiertem, naturbelassenem Holz für gewerbliche Produzenten an eine Qualitätskontrolle koppelt. Per 2024 wird eine revidierte Version dieser Verordnung in Kraft treten, deren genauer Wortlaut noch unbekannt ist. Die Vernehmlassung dazu ist allerdings abgeschlossen und der Schweizer Fachverband für Pflanzenkohle Charnet verlangt in seiner Stellungnahme einen stärkeren Fokus auf die Qualität für Pflanzenkohle aus inländischer Produktion und Importware. Für Futterkohle sollten dieselben Grenzwerte gelten wie für Pflanzenkohle gemäss Düngerverordnung. Eine sinnvolle Forderung, wenn man die Kaskadennutzung mit vorgängigem Einsatz in der Tierhaltung bedenkt. Ein Streitpunkt scheint zu sein, dass die Düngerverordnung neu eine maximale Ausbringungsmenge von 0,5 t/ha festlegen soll – für Charnet ein unhaltbar tiefer Wert.
Im Ermessen des Landwirts
Für die Düngerverordnung ist das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) zuständig. Wahrscheinlich sähe die revidierte Version anders aus, käme sie vom Bafu. So oder so ist das Hauptziel der Revision, die hiesigen Vorschriften zwecks der Vermeidung von Handelshemmnissen an EU-Recht anzupassen. Es bleibt abzuwarten, was die definitive Version zur Pflanzenkohle vorschreibt.
Fest steht, die Anwendung von Pflanzenkohle im gesetzlich erlaubten Rahmen liegt im Ermessen des Landwirts oder der Landwirtin. Ein Allheilmittel ist sie nicht, das sagen auch die Praktiker. Denn was Pflanzenkohle alles bewirken können soll, klingt verlockend, wird aber nicht in jedem System und an jedem Standort gleich sein. Nicht in jedes Mosaik passt ein schwarzer Stein, aber richtig platziert kann er das Bild verbessern.

