Bei der Anwendung von Pflanzenkohle (PK) nimmt das Bundesamt für Umwelt (Bafu) eine abwehrende Haltung ein. Zusammen mit der Vereinigung der Bodenschutz-Fachleute Cercle Sol hat es 2022 ein Faktenblatt herausgegeben. Dessen Botschaft: Es gibt zu wenig Wissen über Langzeitfolgen, «im Sinne der Vorsorge wird vom weitflächigen Einsatz von PK auf landwirtschaftlichen Flächen vorläufig abgeraten.»
Fokus auf Wirksamkeit
Für Schweizer PK-Hersteller ist diese Haltung zwar nicht erfreulich, «aber wir finden es gut, dass jemand kritisch darauf schaut», erklärt Adrian Würsch. Er ist in der Geschäftsleitung der Verora AG und im Vorstand des Schweizer Fachverbands für Pflanzenkohle Charnet. Verora pyrolysiert Baum- und Strauchschnitt zu PK. Als Zusammenschluss von Zuger Landwirten legt die AG ihren Fokus auf die Wirksamkeit der PK. Da die Kohle sehr lange im Boden bleibt, sieht Würsch im Ausbringen eine grosse Verantwortung – Stichwort Schadstoffe. Das ist einer der Gründe für die Skepsis des Bafu.
«Wir haben über zehn Jahre Praxiserfahrung», bemerkt Würsch. Er würde es begrüssen, wenn sich das Bafu stärker mit Branche und Anwendern vernetzte. Aber Würsch stimmt zu, dass es wenig wissenschaftliche Langzeitstudien aus der Schweiz zur Wirkung von PK gibt.
«Das Projekt sei nicht verlängerbar.»
Toni Meier, APD, über Pflanzenkohleversuche.
Nicht verlängerbar
Die Gelegenheit für eine Langzeitstudie hätte sich im Zürcher Flaachtal geboten: Im Rahmen des Ressourcenprojekts AgroCO2ncept wurde seit 2016 unter anderem die Klimawirkung von PK untersucht. 2022 ist die Projektdauer von sechs Jahren abgelaufen. «Wir hätten den Pflanzenkohleversuch gerne verlängert», erklärt Toni Meier, Geschäftsleiter des Auenpflege-Diensts (APD) und dort für die PK-Produktion zuständig. Doch vom Bund hiess es, ein Ressourcenprojekt sei nicht verlängerbar. «Wir müssten einen neuen Antrag stellen mit dem ganzen Aufwand», sagt Meier.
«Die Wirkung beim Binden von Kohlenstoff im Boden war minim nach drei Jahren. Jene nach sechs Jahren ist noch in Auswertung», fasst Toni Meier die bisherigen Ergebnisse von AgroCO2ncept zusammen. Er sieht PK aber innerhalb eines Systems mit Hofdüngerfluss und Tierhaltung: 40 bis 60 g Kohle pro Tag den Tieren verfüttern, die PK in Gülle oder Mist mischen und so in kleinen Mengen über Generationen dem Boden zuführen, das ist Meiers Vision. «Das Bafu geht von grossen Mengen in kurzer Zeit aus», erklärt er weiter. Bei kleinen Gaben könne sich der Boden aber an die PK anpassen.
Qualität drosselt Menge
Schon wegen der enormen Holzmengen, die verkohlt werden müssten, hält Toni Meier grosse PK-Gaben für den falschen Weg. Da es Schweizer Landwirten aber primär um die Wirkung und nicht das Binden von Kohlenstoff gehe, würden sie seiner Meinung nach auch nicht diesen Weg wählen. «Das Bafu sollte besser auf die gute Qualität pochen. Hohe Qualität macht die Kohle auch teurer, was die Ausbringmengen automatisch drosselt», fährt er fort. Der APD pyrolisiert Schnittgut aus der Garten- und Landschaftspflege, vermischt mit Hackschnitzel aus dem Wald. Die Erfahrungen damit sind z. B. in einer Staudengärtnerei sehr gut: Die Jungpflanzen brauchten dank PK dreimal weniger Wasser, wodurch im Gewächshaus die Feuchtigkeit sank und eine Bekämpfung von Pilzkrankheiten wegfiel. Hinzukam ein stärkeres Wurzelwachstum. «Bei jungen Pflanzen ist die Wirkung am besten», so Meier.
Zertifikat mit Fragezeichen
Man ist sich einig, dass Qualität bei PK wichtig ist. Dafür gibt es mit dem ECB ein Zertifikat in mehreren Kategorien mit Grenzwerten für Schadstoffe je nach Verwendungszweck. Die PK von Verora und jene des APD sind als Futtermittelzusatz und für die Anwendung im Boden zertifiziert. Letzteres ist aber keine Voraussetzung, damit ein Produkt zum Verfüttern zertifiziert wird. Auch gibt es ein eigenes Zertifikat für den städtischen Raum. Beides löst bei Toni Meier Stirnrunzeln aus, da sowohl Hofdünger als auch städtischer Kompost am Ende auf Landwirtschaftsböden gelangen. «Hier sollte das Bafu aktiv werden», findet er.
In Deutschland zwingen die tiefen Preise die PK-Produzenten laut Adrian Würsch in eine andere Richtung: Sie versuchten, mit PK CO2-Zertifikatserlöse zu bekommen, und es seien günstigere Ausgangsstoffe wie etwa Gärreste statt Holz im Gespräch, um PK billiger zu machen. Das sieht er kritisch und befürwortet, dass das Bafu bisher nur naturbelassenes Holz als Rohstoff erlaubt. Beim Verkohlen von Gärresten, Hofdüngern oder Stroh sei die Wirksamkeit des Endprodukts nicht gesichert und die Technik noch nicht ausgereift. Aber auch bei PK aus Holz seien je nach Prozessparameter Unterschiede in der Wirkung zu sehen, die zu erforschen seien.

