Wenn die Bezeichnung Stadtbauer zu einem Landwirt passt, dann zu Adrian Annen. Der 34-Jährige bewirtschaftet auf dem Heimwesen Lorze mitten in der Stadt Zug einen grossen Milchwirtschaftsbetrieb. «Unser Futtertisch wird zeitweise zu einer Kinderwagen-Rennstrecke», erklärt Adrian Annen mit einem Schmunzeln. Aber auch Zweiräder sind auf dem Hof permanent auszumachen. Fast im Sekundentakt fahren Velofahrer unmittelbar neben dem extrem sauberen Milchviehstall vorbei. «Für mich ist das ganz normal, ich bin so aufgewachsen», so Adrian Annen.

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Enorme Bautätigkeit in Zug

Rund 60 Hektaren Land bewirtschaftet er zusammen mit einem Angestellten und einem Auszubildenden, um die 60 Kühe plus Nachzucht stehen in den Ställen der beiden rund ein Kilometer voneinander entfernten Pachtbetrieben Lorze und Chollerhof. Bis 2021 wurde der Hof in einer Betriebsgemeinschaft geführt. Seit der Pensionierung des BG-Partners Alois Iten führt Adrian Annen den Hof eigenständig. «Mein Vater Walter Annen gründete die BG im Jahr 2002 mit Alois Iten. Damals umfasste die Gemeinschaft 110 Hektaren LN», erinnert sich Adrian Annen. Wegen der grossen Bautätigkeit in der Region Zug seien seither immer wieder Pachtlandflächen weggefallen, oftmals hätten sie auch Parzellen verloren, welche anderen Bauern als Realersatz dienten.

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Mehr Freizeit dank einem Angestellten

Nicht nur der Flächenverlust sei eine Folge des Bevölkerungswachstums, auch der Verkehr habe enorm zugenommen. «Wir versuchen, Fahrten auf stark frequentierten Strassen während den Stosszeiten möglichst zu vermeiden». Zudem gäbe es bei der Strassenverkehrstauglichkeit seiner Maschinen keine Kompromisse. Der Maschinen- und Gerätepark von Adrian Annen ist imposant. Bis auf Mais säen und Häckselarbeiten werden fast alle Feldarbeiten selber ausgeführt. Dazu werden für Dritte Lohnarbeiten wie Gülletransporte oder Mistausbringen gemacht. «Mit dieser Strategie kann ich einen Angestellten finanzieren, welcher mir bei der Betriebsführung Verantwortung abnimmt und zudem ermöglicht, jedes zweite Wochenende freizumachen».

Melkroboter seit 2021in Betrieb

Ebenfalls zu mehr Flexibilität trägt der dreijährige Melkroboter bei. Adrian Annen ist vom automatischen Melksystem überzeugt: «Damit kann ich die Stallarbeiten zeitlich flexibler und auch effizienter bewältigen». Auch bei der Überwachung der Tiergesundheit sei der Roboter eine grosse Unterstützung: «Dank der Zellzahlbestimmung werden Eutererkrankungen schneller erkannt und der Medikamenteneinsatz kann so vermindert werden.»

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Die Kosten eines Roboters dürften aber nicht unterschätzt werden. Auch wenn die reinen Service-Kosten nicht höher als bei einem grossen Melkstand liegen würden, zusammen mit dem Verbrauchsmaterial und den Energiekosten würden alleine die laufenden Kosten jährlich gegen 20 000 Franken betragen. «Aus meiner Sicht müssen pro Tag 1500 Liter Milch gemolken werden können, damit ein Roboter wirtschaftlich sinnvoll ist.» Mehr als 60 Kühe würde er pro Roboter nicht halten: «Ich hatte anfänglich 70 Kühe, diese gaben bei der gleichen Fütterung nicht mehr Milch als jetzt 60 Tiere.» Vor allem für die gekalbten Rinder sei der Roboter sehr wertvoll. Dank den 2,4 bis 2,6 Melkungen pro Tag hätten diese weniger Euterdruck. Der Tagesmilchschnitt liege aktuell bei knapp 30 Liter, die Jahrmilchmenge bei gegen 9000 kg Milch.

Gute Milch und gesunde Klauen

Bevor Adrian Annen 2018 in die BG einstieg, war er mehrere Jahre Zuchtberater bei Braunvieh Schweiz. «Das war eine spannende und lehrreiche Zeit». Die regionalen Unterschiede in der Zuchtarbeit seien in der Schweiz schon frappant. «Während die grossen Betriebe in Regionen wie dem Thurgau vor allem funktionelle und leistungsfähige Tiere züchten, hat das Exterieur in Gebieten wie dem Kanton Schwyz infolge des hohen Stellenwertes der Viehschauen ebenfalls eine grosse Bedeutung.» Sein eigenes Zuchtziel liege wohl irgendwo dazwischen. «Ich gehe zwar auch gerne mit Tieren an Schauen wie die Zuger Open Expo, aber solange eine Kuh gut Milch gibt und gesunde Klauen hat, darf sie auch trotz tieferem Euterboden im Stall bleiben.»

Eigene Aufzucht und strenge Selektion

Weniger kompromissbereit zeigt sich Adrian Annen aber gegenüber Jungkühen, die zu wenig Milch geben. «Wenn ein Erstmelk nicht 25 Liter gibt, verlässt er den Betrieb.» Auch Jungkühe mit Euterproblemen oder Defiziten bei den Klauen besamt er nicht mehr. Bei den aktuell hohen Schlachtviehpreisen sei es nicht wirklich interessant, Nutzvieh zu verkaufen. «Der Markt verlangt genau nach den Tieren, die ich selber im Stall behalten möchte. Da gebe ich lieber eine Kuh mit einem Manko in den Schlachtviehkanal», so Adrian Annen. Alle weiblichen Braunvieh-Kälber werden selber aufgezogen.

Spaziergänger können Geburten beobachten

Die kleinen Kälber und deren Zukunftsaussichten seien auch das Hauptthema bei den nicht seltenen Gesprächen mit der Stadtbevölkerung im Stall. Adrian Annen setzt dabei auf eine bedingungslose Transparenz. Das zeigt schon die Platzierung der Abkalbebox. Diese ist vom neben dem Stall vorbeiführenden Spazier- und Radweg vollständig einsehbar. «Klar gibt es bei Geburtskomplikationen auch Situationen, wo ich nicht noch Zuschauer benötigen würde. Grossmehrheitlich wird aber die Möglichkeit, eine Geburt so nah zu erleben, sehr geschätzt.»

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Die vielen Besucher im Stall hätten zudem auch positive Punkte: «Meine Kälber sind durch die Kontakte mit den Kindern zahm». Bald werden die Kälber noch zusätzlich Kontakt haben: Seit acht Monaten sind Adrian Annen und seine Frau Isabelle Eltern der kleinen Elina.

VMMO
An der DV 2023 der Vereinigten Milchbauern Mitte-Ost (VMMO) wählten die Delegierten Adrian ­Annen in den Verwaltungsrat. Der Kampf für einen besseren Milchpreis sei für die VMMO natürlich eine Daueraufgabe. Zudem könne die VMMO als unabhängige Vereinigung Ungereimtheiten im Milchmarkt beim Namen nennen. Dank der professionellen Geschäftsstelle könnten Probleme auch detailliert aufge­arbeitet werden, was einem einzelnen Bauer oder einer kleineren Organisation nicht möglich sei.