Restaurants und Hotels beliefern? Eine interessante Chance für Bauernfamilien mit Direktvermarktung. Bei den Gästen mit Produkten von lokalen Höfen punkten? Eine ebensolche Gelegenheit für Gastronomiebetriebe. Das Projekt «Land Gast Wirt» möchte die beiden Seiten vernetzen.
Was ist das Projekt «Land Gast Wirt»?
Jasmin Vultier: «Land Gast Wirt» ist eine Website, die Gastronomie und Landwirtschaft zusammenbringt, um regionale Produkte direkt zu vermarkten.
Wer steckt dahinter?
Das Projekt wird vom Schweizer Bauernverband, von Gastro Suisse und Hotellerie Suisse geführt.
Das Projekt gab es vor Corona schon einmal, richtig? Nun ist es quasi wiederauferstanden?
Ja, das Projekt wurde kurz vor dem Ausbruch der Pandemie gestartet, musste dann jedoch aufgrund der Ausnahmesituation vorübergehend pausieren. Nun ist es in einem frischen Look und mit neuem Elan zurückgekehrt.
Welche Chancen sehen Sie in der Zusammenarbeit von Gastronomie und Landwirtschaft für die Bauernfamilien?
Die direkte Vermarktung an Gastronomen bietet den Bauernfamilien die Möglichkeit, ihre Produkte ohne Zwischenhändler zu verkaufen, was eine stärkere Wertschöpfung ermöglicht.
Und welche Chancen für Wirt(innen) und Hoteliers?
Wirtinnen und Hoteliers können ihren Gästen regionale Spezialitäten anbieten, was ein Alleinstellungsmerkmal schafft und das Bewusstsein für lokale Produkte bei den Gästen stärkt.
Was braucht es für die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen einem Bauernbetrieb und einem Restaurant/Hotel aus Ihrer Sicht?
Es braucht in einem ersten Schritt zunächst die Bereitschaft, sich auf eine Partnerschaft einzulassen, sowie Zeit für den Aufbau einer Zusammenarbeit. Ein langfristiges Miteinander entsteht durch gegenseitiges Engagement und Verständnis für die Bedürfnisse beider Seiten.[IMG 2]
Auf der Website können die beiden Seiten sich gegenseitig finden. Wie funktioniert das genau?
Es gibt eine Hofsuche, dort werden Landwirtschaftsbetriebe und ihre Produkte dargestellt. So kann die Gastronomie einen passenden Hof finden. Dann gibt es umgekehrt auch eine Gastrosuche. Dort können sich Restaurants oder Hotels anmelden und auch angeben, nach welchen Produkten sie suchen. So haben beide Seiten die Möglichkeit, einen potenziellen Partner zu finden und miteinander in Kontakt zu treten – ein Land-Gast-Wirt-Tinder sozusagen.
Was hat die Website sonst noch zu bieten?
Neben der Suchfunktion bietet die Website die Links zur Anmeldung und auch Tipps und Tricks für eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Gastronomie und Landwirtschaft.
Wo steht das Projekt «Land Gast Wirt» aktuell? Gibt es noch Ausbaupläne?
Derzeit liegt der Fokus darauf, möglichst viele Betriebe aus Gastronomie und Landwirtschaft zur Teilnahme zu motivieren, um die Chancen für passende Partnerschaften zu erhöhen. Zukünftig sind auch Events wie Speed-Datings oder Messeauftritte geplant, um die Vernetzung weiter zu fördern.
Prominente Beispiele
Es gibt in der Schweiz einige prominente Beispiele von Köchinnen und Köchen, die sich auf die Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft spezialisiert haben.
Rebecca Clopath
«Mitte meiner Zwanziger musste ich einsehen, dass kein Restaurant meine Kochphilosophie eins zu eins umsetzte. Fast Food, Fertigmischungen und in Plastik verpackte Lebensmittel gehörten in vielen Gastronomie-Betrieben der Normalität an», schreibt die Bündnerin Rebecca Clopath auf ihrer Website. Ebenso akzeptiert sei die Tatsache gewesen, die Herkunft und Produzent(innen) der Lebensmittel nicht zu kennen. «Das fühlte sich für mich an, als würden wir die Gäste belügen.»
Also kehrte Clopath 2016 zurück zum elterlichen Bauernhof und funktionierte den ehemaligen Stall in eine Stivetta um. «Das machte am meisten Sinn, denn hier habe ich die Tiere und Gärten wortwörtlich vor der Haustüre.» Sie habe auf dem Biohof Taratsch einen Schritt weitergehen wollen. Das Resultat ist die «Esswahrnehmung». In diesen 9-Gänge-Menüs servieren Clopath und ihr Team den «Geschmack der Alpen».
Hansjörg Ladurner
Seit 2007 ist Hansjörg Ladurner Küchenchef im Restaurant Scalottas Terroir in Lenzerheide GR. Das Wort «Terroir» kommt vom lateinischen «terra» – Erde. Beim Koch mit Südtiroler Wurzeln landet nur im Topf und auf dem Teller, was er kennt und auf Hof, Weide und Keller besuchen kann. Das Fleisch, das Ladurner verwendet, stammt zum grössten Teil von Tieren, die er selber gekauft hat und die bei Bauern in der Umgebung untergebracht sind. Für dieses Engagement wurde «Scalottas Terroir» als einer von 19 Betrieben von Michelin mit dem Symbol «Grüner Stern 2021» ausgezeichnet: Mittlerweile bewirtschaftet Hansjörg Ladurner seinen eigenen «Bergacker» – mit Dreifelderwirtschaft, bearbeitet von Hand und mit Pferden.
Mirko Buri
Foodoo stellt Produkte aus gerettetem Gemüse her, das es aufgrund optischer Abweichungen nicht in die Regale des Grosshandels geschafft hat. Dank des Projektes des ehemaligen Spitzengastronoms Mirko Buri landen die krummen Rüebli und zu klein geratenen Süsskartoffeln nicht im Abfall, sondern in Saucen, Bouillons und Mayos. 2018 gründeten Buri und sein Geschäftspartner Foodoo. Buri führte ausserdem während mehrerer Jahre das Foodsave-Restaurant «Mein Küchenchef» in Köniz BE.

