Mit dem einen Fuss in der Schweiz, mit dem anderen in Deutschland: Für Debora Bührer ist dies Alltag. Ihr Betrieb liegt in Bibern, nördlich von Schaffhausen und direkt an der Grenze. Einige ihrer Felder befinden sich bereits auf deutschem Boden. Einzig Grenzsteine stellen alle paar hundert Meter klar, was auf welche Seite gehört.
Zolleinfuhr ist Routine
«Dass sich unsere Äcker bis ins Ausland erstrecken, hat mit der Familiengeschichte zu tun», erzählt Debora Bührer. Ihre Grossmutter sei ursprünglich aus dem deutschen Nachbardorf Schlatt am Randen gekommen. Seit mehreren Generationen ist die Siedlung Rosegghof über die Grenze hinweg gewachsen. Weil die meisten Felder direkt angrenzend sind, hätte dies für die Bewirtschaftung keinen Mehraufwand zur Folge. «Anders sieht es mit der Zolleinfuhr aus», verrät die Bäuerin. Sie müsse jede Ernte, die sie über die Grenze fahre, mindestens zwei Stunden vorher anmelden. «Allerdings kenne ich es nicht anders, diese Abläufe sind für mich Routine.»
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Die 35-Jährige hat den Betrieb Anfang Jahr von ihren Eltern übernommen. Dass eine der beiden Töchter diesen Schritt machen würde, war lange nicht zu erwarten gewesen. Debora Bührer liess sich zunächst zur Kauffrau ausbilden, wollte reisen und hätte am liebsten in einer Grossstadt gelebt.
Berufserfahrungen gesammelt
Als Debora Bührer am Strickhof die Berufsmaturität nachholte, kam es zu einem Wendepunkt: «Damals habe ich mich wieder in die Landwirtschaft verliebt», erzählt sie. Der Gedanke, dereinst den Betrieb zu übernehmen, sei allmählich in den Bereich der Möglichkeiten gerückt. Doch zunächst wollte sie Berufserfahrungen sammeln: Die Schaffhauserin absolvierte verschiedene Praktika, etwa in einem Labor sowie in der Gastronomie und arbeitete auf dem erlernten Beruf in diversen Branchen. Zudem liess sie sich zur Fachfrau im Finanz- und Rechnungswesen weiterbilden. Seit zehn Jahren ist sie nun bei der kantonalen Steuerverwaltung tätig.
Doch auch ihren Weg in die Landwirtschaft verfolgte Debora Bührer weiter: Vor einem Jahr schloss sie nach der berufsbegleitenden Bäuerinnenschule den Fachausweis ab, zurzeit absolviert sie die Betriebsleiterschule am Strickhof. «Es macht mir Freude, in die landwirtschaftliche Praxis hineinzuwachsen», sagt sie. Dabei schätze sie die Vielfalt der Lerninhalte: von typischen Modulen wie Acker- und Futterbau bis hin zu technischen Themen wie Vollkostenberechnungen, Marketing und Personalführung.
Den Betrieb verschlankt
Bevor ihr Vater ins Pensionsalter kam, überlegte sich Debora Bührer, wie eine Übernahme aussehen könnte. Sie kam zum Schluss, dass es am besten passen würde, ihren Verwaltungsjob in reduziertem Pensum zu behalten und den Landwirtschaftsbetrieb im Nebenerwerb weiterzuführen. Das hiess, sowohl die Mutterkuhherde als auch den Ackerbau zu verschlanken. «Nicht Knall auf Fall, sondern über Jahre, gemeinsam mit den Eltern», erzählt Bührer. Heute hat sie acht Mutterkühe mit Nachwuchs und bewirtschaftet insgesamt 18 Hektaren landwirtschaftliche Nutzfläche. Darauf baut die Bäuerin hauptsächlich Getreide und Sonnenblumen für den Lebensmittelkanal an, zudem Futtermais, den sie einem Nachbarbetrieb verkauft. Gerne würde sie spezielle Kulturen wie etwa Kichererbsen ausprobieren, sofern es der typisch dichte Boden der Gegend zulässt.
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Austausch ist ihr wichtig
Auf dem Feld arbeite sie am liebsten, erzählt Debora Bührer. Doch das entsprechende Wissen – von der Planung bis zur praktischen Bodenbearbeitung – musste sie sich Schritt für Schritt aneignen. Ausserdem gefällt ihr die Arbeit mit dem Vieh: «Mir tut es gut, abends nach dem Bürojob im Stall zu arbeiten.» Ihre Eltern, mit denen sie zusammenwohnt, packen ebenfalls mit an.
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Die Mutter ist für Küche und Garten zuständig, der Vater hilft hauptsächlich im Stall und in der Werkstatt. Wichtig sei ihr auch der Kontakt zu den lokalen Bauern und Bäuerinnen. «Man fühlt sich nie alleine», stellt die Betriebsleiterin fest. «Zum Beispiel sehe ich samstags immer andere, die auch mit dem Traktor auf dem Feld ihre Bahnen ziehen.» Auch den Austausch mit der Bevölkerung erlebe sie weitgehend positiv. Immer wieder kämen interessierte Passanten auf sie zu, die Fragen zu ihrer Arbeit und zur Landwirtschaft stellen.
Perspektive der Bäuerin
Im März wurde Debora Bührer neu in den Vorstand der Schaffhauser Landfrauen gewählt, zusammen mit Jana Schwaninger und Luna Küppers, die ebenfalls eine jüngere Generation von Frauen vertreten. «Das Netzwerk der Landfrauen erachte ich als sehr wertvoll», sagt sie. Der Schweizerische Bäuerinnen- und Landfrauenverband hätte sich in den letzten Jahrzehnten sehr für die Stellung der Bäuerin eingesetzt. «Nicht zuletzt ihnen ist es zu verdanken, dass der Wert von Haushalt und Kindererziehung gesellschaftlich mehr Anerkennung erhalten hat», sagt Bührer. Sie wisse es auch zu schätzen, dass sie als Bäuerin in der Betriebsleiterschule gleich behandelt werde wie Landwirte.
«Vor zwei Generationen wäre das nicht möglich gewesen», ist sie überzeugt. Mit ihrer Mitarbeit im Vorstand wolle sie nun gerne etwas zurückgeben. Ausserdem erlebe sie es immer wieder, dass Bäuerinnen eine andere Perspektive in die Landwirtschaft brächten. Sie nennt ein Beispiel dafür: «Landwirte betrachten Löwenzahn, Spitzwegerich und Schafgarbe als schmackhaftes Futterkraut, während es eher Bäuerinnen sind, welche die Heilwirkung dieser Kräuter und den Verwendungszweck in der Küche sehen.»
Betriebsspiegel Rosegghof
Debora Bührer
Ort: Bibern SH
LN: 18 ha
Viehbestand: 8 Mutterkühe mit Nachwuchs
Ackerkulturen: Getreide und Sonnenblumen für Lebensmittelkanal, Futtermais