Jedes Jahr erkranken in der Schweiz rund 3300 Menschen an Hautkrebs. «Insbesondere sind Menschen gefährdet, die viel Sonnenlicht ausgesetzt sind und im Freien arbeiten, da UV-Strahlen das Risiko für Hautkrebs erhöhen», weiss Dr. Antonio Cozzio, Chefarzt der Klinik für Dermatologie am Kantonsspital St. Gallen. Besonders gefährdet seien auch Menschen mit heller Haut, hellen Haaren und blauen oder grünen Augen sowie Personen mit einer Vorgeschichte von Sonnenbränden oder einer familiären Vorbelastung für Hautkrebserkrankungen.
«Die Zahl von 3300 betrifft allerdings nur die schwarzen Hautkrebse, sogenannte Melanome, die zwar weniger häufig auftreten, aber gefährlicher sind», erklärt der Facharzt weiter. «Deutlich häufiger sind aber die zwei häufigsten ‹weissen› Hautkrebse, die Basalzellkarzinome und Plattenepithelkarzinome. Jedes Jahr erkranken in der Schweiz alleine rund 30 000 Menschen an diesen beiden Hautkrebsen.»
Herr Cozzio, gibt es Zahlen, wie häufig Menschen in der Landwirtschaft betroffen sind?
Antonio Cozzio: Ich kenne keine spezifischen Zahlen, aber wir gehen davon aus, dass in der Landwirtschaft tätige Menschen ähnlich wie im Baugewerbe oder im Strassenbau tätige Personen zur Gruppe mit dem höchsten Hautkrebsrisiko gehören. Die Verknüpfung der Aussenarbeit und UV-Exposition mit einem erhöhten Hautkrebsrisiko ist so gut belegt, dass die Suva heute UV-bedingten Hautkrebs als Berufskrankheit anerkennt bei jahrelangem, überwiegend im Freien ausgeübten Beruf. Diese Anerkennung kann auch nachträglich bei Erfüllen gewisser Voraussetzungen erreicht werden, wenn die Betroffenen bereits pensioniert sind, aber ein Leben lang im Freien mit entsprechender UV-Belastung gearbeitet haben. Das hat unter anderem eine Bedeutung, ob bei einer ambulanten Behandlung der sogenannte Selbstbehalt bezahlt werden muss oder nicht. [IMG 2]
Welche Hautkrebsarten können durch zu viel Sonne entstehen?
Durch die UV-Strahlung der Sonne werden unter anderem der schwarze Hautkrebs (Melanom) sowie die weissen Hautkrebse (Basalzellkarzinome und Plattenepithelkarzinome der Haut) sowie deren Vorstufen ausgelöst, die aktinischen Keratosen. Zusammen mit den Vorstufen betrifft das in der Schweiz an die 100 000 Patientinnen und Patienten jedes Jahr.
«Schwarzer und weisser Hautkrebs kann sich auf andere Organe ausbreiten.»
Antonio Cozzio darüber, wie gefährlich Hautkrebs sein kann.
Welchen Sonnenschutz brauchen Menschen, die viel draussen arbeiten?
Sie brauchen den besten Sonnenschutz! Und das ist das eigene Verhalten: wenn möglich, die Sonne zwischen 11 und 15 Uhr meiden. Falls dies nicht geht, sollten langärmlige Kleidung, lange Hosen und eine Kopfbedeckung mit Stirn-/Nacken- und Ohrenschutz den Körper vor der direkten Sonneneinstrahlung schützen. Erst an letzter Stelle, aber ebenfalls wichtig, kommt die Sonnencreme. Hier sollten Sonnenschutzmittel ab Lichtschutzfaktor 30 zum Einsatz kommen. Zusammengefasst sind es also drei wichtigste Schutzmassnahmen: das eigene Verhalten, die optimale Bekleidung sowie das Auftragen von Sonnencreme. Eine Sonnenbrille komplettiert den Schutz ideal, da der schwarze Hautkrebs auch auf der Augen-Netzhaut auftreten kann.
Worauf ist beim Kauf von Sonnencreme zu achten?
Der Lichtschutzfaktor sollte mindestens 30 betragen, das heisst, bei richtiger Anwendung der Sonnencreme könnte man 30-mal länger in der Sonne bleiben. Nun trägt aber praktisch niemand genügend Creme auf, und da wir durch Schwitzen und Abwischen der Haut immer wieder Sonnenschutzmittel entfernen, ist der tatsächliche Schutz viel geringer. Mehrmals tägliches Auftragen ist also ebenfalls sinnvoll. Die Sonnencreme sollte sowohl vor UVA- als auch UVB-Strahlen schützen, was durch ein eingekreistes UVA-Signet oder die Bezeichnung «Broad Spectrum» auf der Verpackung gekennzeichnet ist. Sofern diese Angaben auf den Sonnencremen vorhanden sind, kann auch die kostengünstigere Creme gekauft werden.
Wie oft sollte man sich eincremen, wenn man draussen arbeitet?
Einmaliges Eincremen wirkt nur den ganzen Tag, wenn man sich wie unter Laborbedingungen mit genügend Creme eincremt, nicht schwitzt, nicht abwischt, nicht badet. Da dies an einem normalen Arbeitstag nicht realistisch ist, ist ein mehrfaches Auftragen von Sonnencreme wichtig, mindestens zweimal. Wichtig: Bewölkung reduziert die UV-Strahlung nur maximal zur Hälfte, man kann also auch unter Wolken einen UV-Schaden in der Haut bekommen. Akut wäre das ein Sonnenbrand, chronisch Hautkrebs.
Gibt es Sonnencremearten, von denen Sie abraten?
Die physikalischen Sonnencremen, die etwas «weisseln», bleiben auf der Haut und reflektieren die UV-Strahlung. Sie sind deshalb gut geeignet für Kinder und Erwachsene, auch wenn sie manchmal ästhetisch stören wegen des weisslichen Hautbelags. Diese mineralischen Filter (wie Zinkoxid und Titandioxid) sind oft besser für empfindliche Haut und scheinen umweltfreundlicher zu sein als chemische Sonnencremen, die in die Haut eindringen und dort die schädlichen UV-Strahlen in Wärme umformen. Einige Sonnencremes enthalten Mikroplastik, die in die Umwelt gelangen und schädlich sein können. Wichtig ist es auch, das Ablaufdatum der Cremen ernst zu nehmen. Gewisse Inhaltsstoffe können sich nach Ablauf zersetzen in toxische oder krebserregende Stoffe.
Braucht es Spezialkleidung als Schutz vor der Sonne?
Ein T-Shirt, insbesondere ein helles oder dünnes, bietet nur einen begrenzten Sonnenschutz und ist ein schlechter UV-Schutz, wenn man den ganzen Tag in der Sonne arbeiten muss. Als Faustregel gilt: je stärker Sie geblendet werden, wenn Sie das Kleidungsstück gegen die Sonne halten und hindurchschauen, desto geringer ist der Schutz vor UV. Je dichter und dunkler ein Kleidungsstück ist, desto besser ist der Schutz. Für optimalen Schutz werden langärmelige, dunkle Kleidungsstücke und Kopfbedeckungen empfohlen. Wichtig ist die drei H-Regel: Hut, Hemd und Hosen tragen. Zu guter Letzt sind auch Sonnenbrillen wichtig, da der schwarze Hautkrebs leider überhäufig auch im Auge drinnen, auf der Netzhaut entstehen kann.
Wie zuverlässig ist spezielle UV-Schutzkleidung?
Sie ist eine zuverlässige Methode, um die Haut vor schädlichen UV-Strahlen zu schützen. Die Wirksamkeit hängt jedoch von der Qualität der Kleidung und den spezifischen Bedingungen ab, wie etwa der Dicke des Stoffes, der Farbe und dem UV-Schutzfaktor (UPF). So bedeutet zum Beispiel ein UV-Schutzfaktor von 50+, dass maximal 2 %, also 1/50, der UV-Strahlung die Haut durchdringen. Das ist eine sehr gute Ergänzung zum UV-Schutz durch Verhalten und durch Sonnencreme.
Sie sagen, aktinische Keratose ist eine Vorstufe von Hautkrebs. Wie erkennt man sie als Laie?
Sie ist erkennbar an sind rauen schuppenden Hautstellen, die beim Abkratzen manchmal leicht bluten und deren Schuppung rasch nachwächst nach dem Abkratzen.
Wie hoch ist die Erfolgsrate bei Behandlung?
Die Erfolgsraten liegen bei über 90 %. Wichtig zu wissen ist, dass bereits konsequentes Auftragen von Sonnencreme mit mindestens Schutzfaktor 30 die aktinischen Keratosen zur Abheilung bringen kann: Das ist dann Prophylaxe und Behandlung in einem.
Und wenn nicht behandelt wird?
Wir gehen davon aus, dass in rund 10 bis 20 % aus den aktinischen Keratosen im Verlauf weisse Hautkrebse (Plattenepithelkarzinome der Haut) entstehen, die bei verpasster Behandlung lokal destruktiv wachsen und auch Ableger in andere Organe machen können.
Kann sich Hautkrebs auf andere Organe ausbreiten?
Ja, schwarzer Hautkrebs (Melanom) und weisser Hautkrebs können sich auf andere Organe ausbreiten. Diese Ausbreitung nennt man Metastasenbildung und ist besonders gefährlich. Metastasen in Organen wie Lunge, Leber oder Gehirn können lebensbedrohlich sein. Allerdings sind heute neue chemotherapie-freie Behandlungen möglich, die eine deutliche Behandlungsverbesserung mit sich bringen. Diese Behandlungen beruhen auf der Aktivierung des eigenen Immunsystems, das schliesslich dann die Krebszellen auch in den Organen effizient abtöten kann.
Was ist dabei wichtig?
Früherkennung bleibt aber entscheidend: Beim Melanom entscheiden wenige Millimeter Eindringtiefe in der Haut über die Prognose der Erkrankung. Je früher ein Hautkrebs erkannt und entfernt wird, desto besser sind die Chancen, eine Ausbreitung zu verhindern. Deshalb sollten wachsende Hautveränderungen auch der Ärztin, dem Arzt gezeigt werden.
Gibt es bei Sonnenschutz und Hautkrebs Mythen, die sich hartnäckig halten?
Ich höre immer noch oft, dass ein richtiger Sonnenbrand anfangs Sommer nötig sei, um dann richtig schön braun zu werden. Das ist natürlich total absurd und mehrfach falsch. Der Mythos ist etwa so sinnvoll, wie wenn man sagen würde: Ich gebe kein Öl in meine Motoren, weil der Motor erst richtig läuft, wenn er das erste Mal einen Kolbenfresser gehabt hat. In diesem Sinne: Öl in den Motor und Sonnencreme auf die Haut!
Die ABCD-Regel
Für Laien ist die ABCD-Regel (manchmal auch ABCDE-Regel) hilfreich, um abzuschätzen, ob ein neues Muttermal oder eine Hautveränderungen potenziell gefährlich sind.
A steht für Asymmetrie: Hat das Pigmentmal eine reglmässige, symmetrische Form?
B steht für Begrenzung: Hat das Pigmentmal regelmässige klare Ränder?
C steht für Color (Farbe): Hat das Pigmentmal eine einheitliche Färbung oder ist es verschiedenfarbig oder fleckig?
D steht für Dynamik: Ist die Hautveränderung in den letzten Wochen oder Monaten gewachsen? «D scheint mir dabei fast der wichtigste Faktor zu sein», erklärt Antonio Cozzio. «Wachsende oder sich verändernde Muttermale sind immer verdächtig, dann ist ein Arztbesuch sinnvoll.»
