Sie kamen im Cocktailkleid oder in der Tracht, trugen Jeans oder Shorts, elegante Sandalen oder Sneakers. Doch allen war die Freude anzusehen, in Menzingen ZG dabei zu sein.
122 ganz unterschiedliche Frauen im Alter zwischen 22 und 60 Jahren erhielten im Juni den Fachausweis als Bäuerin. Sie alle hatten sich entschieden, eine Weiterbildung mit Schwerpunkt Hauswirtschaft zu machen.
Hauswirtschaft ist unerlässlich für unsere Basis-Bedürfnisse
Hauswirtschaft begleitet uns von der Wiege bis zur Bahre, wobei wir immer mal wieder Teilbereiche auslagern, zum Beispiel Fertiggerichte kaufen, weil wir auswärts arbeiten. Und obwohl Hauswirtschaft unerlässlich ist, um unsere Basis-Bedürfnisse abzudecken, geniessen die entsprechenden Arbeiten meist wenig Ansehen. Oft liegt die Verantwortung dafür bei den Frauen.
Allerdings schloss dieses Jahr nach vier Jahren Unterbruch erstmals wieder ein Mann die Weiterbildung als bäuerlicher Haushaltsleiter FA ab. Es scheint sich ganz zart ein Umdenken abzuzeichnen: Für den Herbst hätten sich zwei Männer eingeschrieben, weiss Sandra Schmid Koch, Präsidentin der Prüfungsleitung Bäuerin Deutschschweiz. «Die Module passen manchmal besser zur Betriebsstruktur», sagt sie zu den möglichen Gründen. «Manche Paare wollen auch bewusst einen anderen Weg bei der Arbeitsteilung gehen.»
Woher kommt die «wöchentliche Putzroutine»?
In meiner eigenen Beziehung heisst das unter anderem: Ich stehe routiniert am Grill. Mein Mann schnippelt dagegen mit Freude Berge von Gemüse. Was daran meditativ sein soll, hat sich mir nie erschlossen. Des Gatten Liebe zum Detail geht ihm beim Beladen der Waschmaschine völlig ab. Putzen nach Plan liegt beiden nicht. Daher blickten wir uns kürzlich erstaunt an, als die erwachsene Tochter von ihrer «wöchentlichen Putzroutine» sprach. Woher hat sie das bloss?
Was mich zum Stichwort «Rollen-Vorbilder» bringt. Für manche Frauen ist die Weiterbildung zur Bäuerin, beziehungsweise der Abschluss zur Bäuerin mit Fachausweis, die falsche Wahl. «Einige machen den Fachkurs Bäuerin, weil schon die Mutter und Grossmutter dort waren», weiss Sandra Schmid Koch aus ihrer langjährigen Erfahrung. «Manchmal wäre die Nachholbildung zur Landwirtin sinnvoller, das hängt von der Rolle auf dem Betrieb ab.»
Abgängerinnen aus 48 Berufen
«Hauswirtschaft geht uns alle an», sagte Barbara Thörnblad diesen Frühling in der BauernZeitung. Sie leitet das Ressort höhere Berufsbildung Hauswirtschaft am Inforama Zollikofen. Denn bei der Hauswirtschaft geht es auch um Ökologie, Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit. Hier kann man Überzeugungen im Alltag leben, statt dass man nur darüber spricht. Das gilt für Männer wie für Frauen.
Gerade dieses handfeste Tun trägt in unserer digitalen Zeit unter anderem zur Attraktivität der Weiterbildung bei: Die Zahl der Abschlüsse hat sich seit dem Jahr 2012 verdreifacht. Und nur, wer bereits einen Berufsabschluss hat, kann den Abschluss machen. Dieses Jahr kamen die Frauen aus 48 verschiedenen Berufen wie etwa Augenoptikerin, Automobilfachfrau, Drucktechnologin, Floristin, kaufmännische Angestellte, Lehrerin, Pflegefachfrau, Polymechanikerin, Sattlerin, Landwirtin, Landschaftsgärtnerin, Malerin und Zimmerin.
Heutige Bäuerinnen entsprechen keinem Klischee
Die heutigen Bäuerinnen sind in vielerlei Hinsicht wichtig für die Betriebe, entsprechen aber keinem Klischee. Weder was ihre Vorbildung betrifft, noch wie sie ihr Leben und ihren Arbeitsalltag auf dem Hof und auswärts gestalten. Sie gehen manchmal traditionelle, manchmal unkonventionelle Wege. Und was die hauswirtschaftliche Ausbildung betrifft: Nicht zu vergessen ist, dass ein Drittel der Pflichtmodule weitergehende Themen behandelt: Landwirtschaftliche Betriebslehre und Buchhaltung sowie landwirtschaftliches Recht.
Diese Vielfalt scheint die nicht-landwirtschaftliche Bevölkerung hin und wieder zu verwirren. «Ich weiss manchmal wirklich nicht, wie sich die Leute Bäuerinnen vorstellen», sagte Erika Bütlerin ihrem Kurzreferat in Menzingen. Sie ist Geschäftsführerin des «Zuger Bürinne Apéro». Manche Kunden äusserten im Vorfeld eines Events Bedenken, ob Bäuerinnen tatsächlich einen Apéro mit bis zu 500 Gästen managen könnten. Andere seien im Nachhinein erstaunt, wie herzlich und professionell die Frauen den Anlass gemeistert hätten.
Zum zweischneidigen Klischee gehört auch die Tracht. Das erlebte Anne Challandes kürzlich, als es um Fotos für die Zeitschrift «Schweizer Familie» ging. Die Redaktion hatte gewünscht, dass die Präsidentin des Schweizerischen Bäuerinnen und Landfrauenverbandes fürs Titelbild eine Tracht trug. Anne Challandes war nicht ganz wohl dabei. «Ich möchte mit meinem Auftritt nicht ein verstaubtes Bild zementieren», sagte die Anwältin und Bäuerin zu ihrem Zögern. Sie fand einen Kompromiss: Auf den Fotos ist sie zwar in Tracht, aber auch mit dem Laptop in der Hand zu sehen. Das passt.

