Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit gehören häufig zu den Hauptargumenten, wenn über neue Antriebssysteme gesprochen wird. Die herausfordernde Situation auf dem weltweiten Dieselmarkt kommt aktuell als wichtiger Faktor hinzu: Wer auf fossile Brennstoffe setzt, macht sich abhängig vom Ausland.
Ein möglicher Lösungsansatz für dieses Problem liegt auf der Hand beziehungsweise vor der Stalltüre: In der auf dem Hof anfallenden Biomasse steckt das Potenzial für nachhaltigen, sauberen Treibstoff, der durch eine Biogasanlage gewonnen werden kann. Alles, was es dann noch braucht, ist ein Traktor, der damit fahren kann. New Holland hat als erster Hersteller einen solchen Traktor entwickelt und produziert das Modell T6 180 Methane Powered inzwischen in Serie. Für New Holland ist das nur der erste Schritt: Im Dezember wurde in den USA ein bereits neuer Prototyp für einen gasbetriebenen T7 gezeigt.
Ein langer Weg bis hin zum fertigen T6
Die neuen gasbetriebenen Traktoren von New Holland sind das Resultat einer langfristig ausgerichteten Strategie. Bereits 2006 wollte das Unternehmen dereinst zum «Clean energy Leader» werden. 2013 präsentierte der Hersteller dann einen ersten Prototyp des T6 Methane Power und entwickelte die Technologie acht Jahre lang weiter. 2021 wurde schliesslich ein Konzeptmodell vorgestellt, ehe New Holland das Modell 2022 in Serie zu produzieren und auszuliefern begann. Noch im selben Jahr bekam man das Fahrzeug auch hierzulande zu sehen, etwa am Regionalen Biogasfahrtag in Frutigen im Berner Oberland.
Die kompakt gebaute Maschine mit einem Maximalgewicht von 10,5 Tonnen läuft nun komplett mit komprimiertem Biomethan CNG (siehe Kasten); eine Tankfüllung reicht je nach Arbeit für zwei bis drei Stunden. Der T6 verfügt über einen 6-Zylinder-CNG-Motor mit 180 PS und dank des von New Holland entwickelten «Dynamic Command»-Getriebes über 24-mal 24 Gänge in den am häufigsten genutzten Arbeitsbereichen.
«Mir fehlt nichts an diesem Traktor.»
Landwirt Christian Müller über seinen New Holland T6 Methane Powered
Nach Angaben des Herstellers läuft der Traktor im Vergleich zu einem Dieselverbrenner mit viel weniger Ausstoss: Durch den Einsatz von emissionsfreiem Biomethan verringere sich der Partikelausstoss um bis zu 99 Prozent, während die CO2-Emissionen um bis zu 10 Prozent und die Gesamtemissionen um bis zu 8 Prozent gesenkt werden sollen. Auch finanziell lohne sich das Modell, schreibt New Holland weiter, es ermögliche bei den Betriebskosten Einsparungen um bis zu 50 Prozent.
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Das bedeuten CNG und LNG
Bio- oder Erdgas zum Betanken von Fahrzeugen kann in unterschiedlichen Formen aufbereitet werden. Für das künftige Betanken von Traktoren unterscheidet man zwischen:
CNG: Compressed Natural Gas. Bio- oder Erdgas wird komprimiert und kann so ab Tankstelle getankt werden.
LNG: Liquefied Natural Gas. Das natürliche Gas wird auf Temperaturen zwischen -161º C und -164 º C heruntergekühlt und verflüssigt. So hat es eine bis zu viermal höhere Energiedichte als CNG.
An der hofeigenen Tankstelle Gas zapfen
In der Schweiz sind bislang nur wenige New Holland T6 unterwegs. Einer davon fährt im Kanton Schaffhausen auf dem Hof Unterbuck von Andrea und Christian Müller in Thayngen. Seit 2014 steht auf dem Hof eine Biogasanlage, 2021 kam eine Tankstelle für CNG dazu. Es ist die erste ihrer Art auf einem Schweizer Bauernhof und ermöglicht, auf dem Hof einen wichtigen Kreislauf zu schliessen. Ergänzend zur Tankstelle haben sich Müllers für einen CNG-Traktor entschieden.
«Auf der Swiss Future Farm in Tänikon habe ich vor etwa dreieinhalb Jahren einen modifizierten Traktor von Valmet gesehen, der einen Diesel-Gas-Antrieb hatte» erinnert sich Christian Müller. Dies sei die Initialzündung für sein Konzept von der hofeigenen Biogastankstelle gewesen, erklärt er. Als es im Rahmen der Konzipierung darum gegangen sei, einen passenden Traktor zu finden, sei vom New Holland T6 noch nicht allzu viel bekannt gewesen, räumt Müller ein.
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Doch als der Traktor, der im März 2022 gebaut wurde, schliesslich im Mai auf Müllers Hof stand, erfüllte er Müllers Vorstellungen: «Ich bin absolut zufrieden, der T6 ist ein tipptopper, ganz normaler Traktor – einfach mit einem anderen Treibstoff. Die Leistung der Maschine stimmt, sie ist einfach zu bedienen, und dank der Tankstelle auf unserem Hof sind wir damit autark unterwegs», zählt Müller auf und ergänzt: «Es gibt nichts, was mir an diesem Traktor fehlen würde.»
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Betanken müsse er den Traktor bei dauerndem Einsatz sieben- bis achtmal am Tag, berichtet der Schaffhauser. «Das klingt nach viel, aber der Tankvorgang dauert nur zwei bis drei Minuten.» Da die Tankstelle auf dem Hof stehe, sei das kein Problem.
Ein grösserer Tank wird bald erhältlich sein
Trotzdem blickt Christian Müller einem Ausbau der Tankkapazität des T6 gespannt entgegen. Ein zusätzlicher mobiler Tank mit einer Kapazität von bis zu 130 kg Gas soll in den nächsten Monaten auf den Markt kommen – das zusätzliche Volumen würde die Einsatzdauer auf 8 bis 10 Stunden erhöhen.
«Wir haben uns bei der Anschaffung bewusst für eine Frontzapfwelle und Fronthydraulik anstelle eines zusätzlichen Tanks entschieden, denn die brauchen wir für verschiedene Arbeiten» erklärt Müller. Jetzt habe er einen mobilen Tank bestellt, denn diesen könne er flexibel an den Anbaugeräten an Front oder Heck montieren, erklärt Müller seinen Plan.
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Vorerst ist er mit seinem Traktor aber vollauf zufrieden: «Das Wichtigste ist, dass wir vom Diesel wegkommen und den hofeigenen Kraftstoff nutzen können – bei den aktuellen Dieselpreisen ist die entsprechende Rechnung schnell gemacht», bekräftigt der Landwirt, der zunehmend auch zum «Energiewirt» geworden ist.
Ein nächster Prototyp steht schon bereit
Im Dezember 2022 zeigte der Konzern CNH Industrial, zu dem New Holland gehört, in den USA bereits einen nächsten Vorserienprototyp mit Gasantrieb. Der New Holland T7 Methane Power verfügt über eine Leistung von 270 PS und soll seinen dieselbetriebenen Kollegen in nichts nachstehen.
Im T7 soll ein Erdgasmotor, das Modell N67 NG, verbaut werden, der aber auch mit Biomethan aus Stallmist und Gülle betrieben werden kann. Der Motor soll in Bezug auf Leistung, Drehmoment, Langlebigkeit und Wartungsintervalle mit einem Dieselmotor vergleichbar sein, verspricht CNH Industrial in einer aktuellen Mitteilung.
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«Natürlich handelt es sich im Vergleich mit dem Dieselmotor um ein anders aufgebautes System,» erklärt Kurt Lindegger vom New Holland Center Schweiz. «Der Block ist identisch, aber alles darüber, vom Zylinderkopf, über die Kolben, Fremdzündung bis hin zum wassergekühlten Turbolader, ist auf den Betrieb mit Gas ausgelegt.»
«Die Zahl der Tankstellen ist entscheidend.»
Kurt Lindegger vom New Holland Center Schweiz benennt den Knackpunkt
Im Unterschied zum Modell T6 wird der T7 nicht mit CNG betankt, sondern mit LNG, also flüssigem Gas, das sich bei einer Temperatur von −162 º C wie Diesel verhält. Im Unterschied zu CNG weist LNG allerdings eine viermal höhere Energiedichte auf als CNG. So lässt flüssiges Methan ein kleineres Tankvolumen zu – der T7 soll also ohne zusätzliche Tanks auskommen.
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Das Betanken soll indes so einfach sein wie mit Diesel, schreibt CNH Industrial in einer Mitteilung. Im Vergleich zum CNG-System soll die mögliche Arbeitsdauer mit LNG um bis zu 10 Stunden höher liegen und damit ungefähr das Vierfache des T6 ermöglichen, weiss Lindegger.
Rund 300 LNG-Tankstellen bis 2030?
Ab wann der neue New Holland T7 Methane Powered auf dem Markt erhältlich sein wird, steht laut Kurt Lindegger noch nicht fest, ebenso wenig ein Preis. Im Hinblick auf den T6 könne man aber davon ausgehen, dass das gasbetriebene Modell ein gewisses Stück teurer sein werde (rund 20 %) – Kosten, die man über den Treibstoff aber wieder amortisieren könne.
Die Verfügbarkeit des Treibstoffs stellt indes noch einen Knackpunkt dar: Aktuell gibt es hierzulande kein Dutzend solcher Tankstellen. «Die Zahl der Tankstellen ist entscheidend, damit sich diese Technologie etablieren kann. Es gibt aber Visionen, dass schon 2030 rund 300 LNG-Tankstellen den passenden Kraftstoff anbieten können», hofft der Fachmann.

