«Für den Verkauf unserer Milch bietet das Weiden ein unschlagbares Argument. Die Geschichte von Kühen, die sich frei bewegen und ihr Futter grösstenteils selbst suchen können, das ist eine gute ‹Story›. So etwas wollen die Leute sehen, wenn sie sich für eine Milch entscheiden. Und der Weidegang ist gut für die Kühe», ist Jorden Oostdam überzeugt. Der Niederländer und seine Familie erzielen mit ihrer Milch eine hohe Wertschöpfung – nicht zuletzt dank des Zusammenspiels zwischen Robotersystem und Weidehaltung.

Doch wieder weiden

«2008 haben wir hier einen neuen Stall gebaut mit dem Fokus auf Roboter und viel Kuhkomfort», erzählt Jorden Oostdam einer Gruppe von Schweizer Milchproduzenten, die den Betrieb seiner Familie im Rahmen einer Fachreise von Lely besuchen.[IMG 2]

Der Niederländer berichtet, wie man dank des Einsatzes von Robotern die Produktion bei gleichem Personalaufwand habe verdoppeln und den Tierbestand hochfahren können. «Bei den Planungen des Neubaus war das Weiden eigentlich nicht vorgesehen. Stattdessen haben wir grosszügig bemessen und Tiefstreuboxen installiert, die wir mit Pferdemist einstreuen. Aber keine drei Jahre nach Fertigstellung des Stalls haben wir wieder mit dem Weiden begonnen, es macht sich einfach besser und wir erzielen mit der Milch von geweideten Kühen einen besseren Preis», sagt er und kommt auf die Vermarktung der Milch des Familienbetriebes zu sprechen.

Dafür gebe es in der Umgebung ein grosses Potenzial, erklärt er. Da die Niederlande sehr dicht besiedelt sind, leben in einem Umkreis von 50 Kilometern um den Hof 7 bis 8 Millionen Menschen. «Und die achten je länger je mehr darauf, wie ihre Nahrungsmittel produziert werden. Da wird auch Wert darauf gelegt, dass Milchprodukte von gesunden, möglichst frei gehaltenen Tieren stammen.»

Ziel: Eine optimale Kuh

Den Betrieb mit seinen rund 150 Milchkühen führt eigentlich Jorden Oostdams Frau Yvonne mit Unterstützung von zwei Söhnen. Dank der automatisierten Arbeitsgehilfen im Stall hat der Landwirt Zeit, um auswärts als Makler zu arbeiten.

Die Herde des Betriebs ist vielgestaltig, denn hier setzt man auf Rotationskreuzung nach «Pro Cross». «Wir beginnen den Kreuzungsprozess mit Holstein für eine gute Milchleistung. Dann kreuzen wir Montbéliarde ein, um etwas Körper und ein gutes Fundament hineinzubringen. Diese Tiere kreuzen wir dann wiederum mit schwedischem Rotvieh, einer Rasse mit sehr guten Gesundheitswerten», erklärt die Landwirtin. «Wir streben bei unserer Zucht nicht nach Schönheitsidealen und auch nicht nach dem Maximum, sondern nach einer Kuh, die optimal zu unserer Betriebsführung passt», sagt sie bestimmt.

So lege man auch Wert darauf, dass die Kühe alt würden: «Unsere Tiere erreichen im Schnitt eine Lebensdauer von acht Jahren und zwei Monaten. Das ist für hiesige Verhältnisse überdurchschnittlich», führt Yvonne Oostdam aus. Zum Remontieren ihres Bestandes sind folglich auch nicht viele Kälber nötig. 80 % der Kühe werden mit einer Fleischrasse besamt, die Familie setzt dabei auf Weissblaue Belgier, wie viele niederländische Betriebe.

Anspruchsvolle Fütterung

Abo Für Paul Kropf war immer klar, dass er bei einem Neubau einen Melkroboter statt eines Melkstands installieren wollte. Milchproduktion Dank Melkroboter mehr Flexibilität Monday, 24. April 2023 Zum Betrieb Oostdam gehören 50 ha Wiesland, etwas anderes als Gras lässt sich, wie in vielen Teilen der Niederlande, nicht produzieren; die Böden sind schlicht zu nass für viele Kulturen. Also füttert auch die Familie ihre Tiere hauptsächlich mit Gras. «Die Fütterung ist eine Herausforderung, weil die Tiere neben dem Gras, das sie auf der Weide aufnehmen, auch im Stall zu einem grossen Teil grasbasiert gefüttert werden», erklärt der Betriebsleiter. Deshalb gelte es, Grassilage aus Frühjahrs-, Sommer- und Herbstgras richtig zu mischen.

In die Mischration am Futtertisch kommen neben 9 kg Grassilage auch 5 kg Mais und 1,5 kg Biertreber, «damit erhalten die Kühe die nötige Energie», so der Niederländer. Gefüttert wird einmal am Tag. Kraftfutter erhalten die laktierenden Tiere an einem der beiden Lely-Astronaut-A5-Melkroboter, am Tag sind es nicht mehr als 1,5 kg.

Die Weide steht den Kühen an mindestens 120 Tagen im Jahr für rund acht Stunden pro Tag offen. «Wir kontrollieren nicht, welche Kuh denn schon draussen war und welche nicht. Wir zählen da die Stunden nicht so streng. Dieser freie Tierverkehr bringt sehr viel Ruhe in die Herde. Und dank des automatisierten Melksystems haben wir aber immer den Überblick darüber, welche Kühe schon gemolken wurden», sagt Yvonne Oostdam.

Jede Kuh besucht den Melkroboter rund dreimal am Tag. Die Milchleistung der Kühe beträgt knapp 30 kg pro Tag, was pro Jahr eine Gesamtproduktion von 1,3 Mio kg ergibt.

Mehr Wertschöpfung

In einigen Jahren steht bei Familie Oostdam die Betriebsübergabe an die nächste Generation an. Das Ehepaar hat vier Kinder, die beiden Söhne bekunden Interesse am Hof. Doch ohne einen neuen Plan werde es schwierig, den Kindern einen rentablen Betrieb weiterzugeben, meint das Ehepaar unisono. «Da wir von Gesetzes wegen nicht mehr Kühe halten dürfen, wurde uns klar, dass wir etwas Neues in Gang geben müssen, um die Zukunft zu sichern.» Es gehe nun darum, die Milch des Betriebs möglichst gut in Wert zu setzen.

«Das Ziel ist es, unsere Milch von dem ganzen anonymen Milchsee, den wir in den Niederlanden produzieren, abzuheben. Wir müssen ihr ein Gesicht geben und raus aus der Anonymität», sagt Jorden Oostdam entschlossen. Durch die Kreuzungsgenetik und die passende Fütterung erreicht man hier auch beim Gehalt ein hohes Niveau von 5 % Fett und 3,7 % Eiweiss.

Einzig bei der Zellzahl befindet man sich mit einem Wert von rund 180 000 zwar über dem niederländischen Schnitt, aber aus Schweizer Sicht noch immer in einem zu hohen Bereich. Auch aus Sicht der Betriebsleiter ist der Wert noch zu hoch: «Wir haben uns im Vergleich zum Vorjahr zwar schon stark verbessert, aber die Zahl muss noch weiter runter.»

Der Milch ein Gesicht geben

Den Weg «raus aus der Anonymität» ebnet der Familie ein Lely Orbiter. Hinter dem Namen verbirgt sich eine Vor-Ort-Milchverarbeitungsanlage, mit der Milch direkt auf dem Betrieb homogenisiert, pasteurisiert und separiert werden kann. Das stark automatisierte System kann die Milch auch gleich selbst verpacken. «So sparen wir enorm viel Zeit und haben am Ende ein Produkt, das sich via QR-Code bis zur individuellen Kuh rückverfolgen lässt», freut sich Jorden Oostdam.

Die Familie verarbeitet aktuell 40 bis 50 % ihrer Milch mit dem Lely Orbiter, also etwa 10'000 kg pro Woche. Das Ziel ist es, die ganze Milchmenge vor Ort zu verarbeiten. Im Zusammenspiel mit den Astronaut-Melkrobotern kann die Milch einzelner Kühe (mit der besten Qualität) gezielt getrennt und separat mit dem Orbiter verarbeitet werden. «Dabei arbeiten wir sehr schonend, pumpen etwa nur mit sehr wenig Druck», erklärt der Niederländer. Diese Milch werde auch nicht abgerahmt, denn viele Kundinnen und Kunden wünschten sich eine möglichst gehaltvolle Milch, die auch intensiv nach Milch schmecke.

Die Milch, die mit dem Lely Orbiter verarbeitet wird – der übrigens in der Schweiz (noch nicht) verfügbar ist –, wird unter dem Namen «Mijn Melk» (meine Milch) verkauft. So sollen sich die Konsumenten über den Namen noch stärker mit dem Produkt und dem Produzenten identifizieren. «Wir wollen den Leuten klarmachen, dass ihre Milch enorm frisch ist. Heute gemolken, morgen auf dem Frühstückstisch», so die Betriebsleiter.

Und das Konzept scheint aufzugehen: Ihre Milch ist ein Nischenprodukt in einem Hochpreissegment und bringt ihnen einen Preis von 80 Eurocent pro Liter – fast das Doppelte des üblichen Milchpreises in den Niederlanden.