Wäre die Schweiz ein einziger Landwirtschaftsbetrieb, bekäme sie wohl keine Direktzahlungen. Denn es ist schweizweit jedes Jahr ein Stickstoff-Überschuss in der Höhe von rund 84 000 t zu verzeichnen. «Der Überschuss ist bis auf die letzten zwei Jahre recht stabil», stellte Markus Rombach, Agridea, fest. Bis 2030 sollen die Stickstoffverluste aber gemäss Absenkpfad um 15 % sinken. «Der massgebende Zeitraum dazu ist von 2026 bis 2028», erklärte Rombach weiter. Es müssen also weit vor 2030 Massnahmen getroffen werden. Diese können aus der Politik und aus der Branche kommen.
Deutlich weniger Überschuss
Ein möglicher Ansatzpunkt dafür ist die teilflächenspezifische Düngung. An einem Agridea-Kurs zu diesem Thema wurden vielversprechende Ergebnisse aus der Forschung präsentiert, wonach sich damit der Stickstoffüberschuss in Winterweizen deutlich reduzieren lässt – bei gleichbleibendem Ertrag und Qualität. «Es geht darum, an jeder Stelle des Feldes die optimale Düngermenge auszubringen», erklärte Agroscope-Forscherin Anett Latsch. Dabei kommen Applikationskarten zum Einsatz, anhand derer gezielt gedüngt wird. Entweder bzw. je nach Düngergabe ist das Ziel in der Regel eine Homogenisierung des Bestandes mit grösseren Mengen in schwachen Bereichen oder aber eine Förderung besonders ertragsstarker Zonen. Die Basis der Karten sind Satelliten- oder Drohnenbilder, die den Status der Kultur zeigen und für die Düngungsbemessung mit Informationen zum Bodenstickstoff kombiniert werden sollten. «Letztere sind noch ein Knackpunkt, hier fehlen automatisierte Lösungen», so Latsch. Dabei ist der Einbezug des Bodens in die Überlegungen zur teilflächenspezifischen Düngung zentral: Auf einem sandigen Untergrund kann sich das Getreide weniger gut entwickeln. An dieser Stelle mehr zu düngen, wäre nicht zielführend und könnte im Gegenteil das Risiko für Nährstoffverluste erhöhen.
«Ertrag und Qualität haben nicht gelitten.»
Annett Latsch, Agroscope, zu den Resultaten im Projekt Smart-N.
Agroscope erzielte im Beratungsprojekt Smart-N dank der teilflächenspezifischen Düngung im Winterweizen 2022 und 2023 eine durchschnittliche Reduktion des N-Überschusses um 22 %, ohne dass Ertrag oder Proteingehalt darunter gelitten hätten. «Ein tolles Ergebnis», findet Annett Latsch. Agroscope arbeitet im Smart-N-Projekt mit Praxisbetrieben und der deutschen Firma Vista zusammen, welche die Applikationskarten für die Düngung liefert. Mit Satellitendaten aus den letzten fünf Jahren wird in einem ersten Schritt eine Karte der Bodenfruchtbarkeit erstellt, die auf der langjährigen Biomassentwicklung basiert und als Grundlage für die erste Stickstoffgabe dient. Für den zweiten und dritten Split kombiniert man aktuelle Satellitendaten zum Vegetationsstatus mit einem Wachstumsmodell und Witterungsdaten.
Vereinfachung nötig
Streuer mit automatischer Mengenregelung können den Applikationskarten entsprechend dosieren. Im Prinzip funktioniere die technische Umsetzung, bilanzierte Annett Latsch. Gerade am Anfang seien aber immer mal wieder Probleme aufgetreten, weil man mit der Technik noch nicht vertraut war. «Es braucht eine Vereinfachung und eine preisgünstige Einstiegslösung, damit die teilflächenspezifische Düngung breiter angewandt wird», ist sich Latsch sicher. Im Moment sei das Verfahren noch mit einem Mehraufwand und höheren Kosten verbunden.
[IMG 2]
«Für mich passt das teilflächenspezifische Düngen zu meinem Betrieb», sagt Cyril Tappolet. Er sei einer von denen, die das Ganze ausbaden müssen, stellte sich der Schaffhauser Landwirt vor und spielte damit auf den Absenkpfad Nährstoffe an. Tappolet ist am Projekt Smart-N beteiligt und hat sich für 17 000 Franken einen modernen Düngerstreuer mit variabler Ratenanwendung (VAR) und Isobus-Anschluss zugelegt (siehe unten). Mit dem Wegfall der 10-Prozent-Toleranz in der Suisse-Bilanz werde den Landwirten quasi ein Sicherheitspuffer genommen. «Ich will mein Kontingent an Nährstoffen möglichst gezielt einsetzen», sagt der Schaffhauser.
Günstigere Alternativen zur Vollausrüstung
Nicht alle Düngerstreuer können eine Applikationskarte automatisch umsetzen. Im Projekt Smart-N arbeitet Landwirt Urs Dietiker aus Felben TG stattdessen mit der Gratis-App «Kuhn Easy Maps», um sich die Karte auf dem Smartphone anzeigen zu lassen. Den Düngerstreuer regelt er dann mit +/−10 % manuell am Terminal. Die Kosten hätten ihn vorerst vom Kauf eines neuen Streuers abgehalten, sagt Dietiker. «Die Vollausrüstung hätte 15 000 Franken mehr gekostet.» Um gleichzeitig die Fahrgassen zu halten, die Karte abzulesen und den Düngerstreuer zu bedienen, seien zur Versuchsdüngung jeweils zwei Personen im Traktor unterwegs gewesen. Betriebseigener Hofdünger von Mutterkühen und Mastschweinen kommt bei Urs Dietiker für die erste und/oder zweite Gabe im Getreide zum Einsatz. Die teilflächenspezifische mineralische Düngung bildet den Abschluss.
Im Agridea-Kurs stellte Jakob Strebel ein Nachrüst-Kit für smartes Düngen vor. Es kostet Fr. 1550.– und soll fast jeden Düngerstreuer zum GPS-gesteuerten Gerät aufwerten. Das Kit besteht aus einer kleinen Box, die auf dem Düngerstreuer montiert wird, und zwei Linearmotoren, welche die Ausbringmenge kontinuierlich entsprechend dem Düngeplan steuern. Ein RTK-Signal ist nicht erforderlich, das System ist mit verschiedenen Applikationskarten kompatibel. Strebel hat das Kit zusammen mit der Fachhochschule Nordwestschweiz entwickelt, verspricht damit eine Genauigkeit von zwei Metern und gewährt vier Jahre Garantie inklusive Softwareupdates, ohne eine Lizenzgebühr zu verlangen. Die Produktion der Kits sei aufgrund von Komponentenmangel auf etwa 20 Stück bis Sommer 2024 begrenzt.
Weitere Informationen: www.tellnet-ag.ch
Die Düngermenge bestimme ich nach wie vor selbst»
Was war Ihre Motivation, in die teilflächenspezifische Düngung zu investieren?
Cyril Tappolet: Ich werde häufig beim Düngen oder Arbeiten mit der Feldspritze von Spaziergängern angehalten, die Fragen stellen möchten. Für mich ist es daher auch eine Möglichkeit, zu zeigen, dass wir Landwirte uns mit der neusten Technik befassen und sie anwenden. Ausserdem will ich die Düngermenge, die ich noch einsetzen darf, möglichst wirkungsvoll nutzen.[IMG 3]
Dann geht es Ihnen nicht primär um eingesparten Dünger?
Auf unseren kleinen Flächen in der Schweiz liesse sich die Technik mit Düngereinsparungen nicht amortisieren. Zudem bestimme ich die Düngermenge nach wie vor selbst – die Applikationskarten nutze ich, um diese gezielt auf der Fläche zu verteilen.
Wie gehen Sie dabei vor?
Ich arbeite mit dem Software-Produkt Onesoil. Es basiert auf Satellitendaten und ist einfach in der Bedienung. Wenn alle Daten erfasst sind, geht das Erstellen der Applikationskarte schnell, sodass ich es am Vorabend der Düngung erledigen kann. Die Karte lade ich anschliessend per USB-Stick in meinen Traktor. Der Rest läuft mit dem Düngerstreuer automatisch.
Welche Landtechnik setzen Sie ein?
Zuerst hatte ich eine Lösung von Trimble, dann aber habe ich auf Fendt One umgestellt. Ich habe einen Sulky Wiegestreuer (DX30+) mit ISO-Bus und VRA (Variable-Rate-Application) und 15 Metern Arbeitsbreite.
Wie stark variieren Sie die Düngermenge?
Meine Karten haben fünf Zonen, quasi als goldene Mitte. Damit variiere ich die Menge bis zu +/−20 Prozent je nach Teilfläche.
Welches Ziel verfolgen Sie damit?
Ich produziere auf 20 Hektaren Getreidesaatgut. Damit möglichst alle Körner gut keimfähig werden, soll die angepasste Düngermenge den Bestand homogenisieren; schwächere Pflanzen bekommen mehr – sofern es sich nicht um kiesige Stellen handelt.
Und wie bestimmen Sie die totale Düngermenge?
Die Technik ist für mich ein Hilfsmittel, sie ersetzt nicht das Wissen eines Betriebsleiters und die gute landwirtschaftliche Praxis. Daher schaue ich mir den Bestand an, die einzelnen Pflanzen, den Wetterbericht, die Bodenfeuchtigkeit usw. und bestimmte basierend darauf, wie viel ich in der jeweiligen Gabe düngen will. Von der Technik beherrschen lassen will ich mich nicht.
Wo setzen Sie Hofdünger ein?
Den Mist aus unserer Pouletmast mit 17 000 Tieren kommt für Mais und Zuckerrüben zum Einsatz. Beim Getreide nutze ich Mineraldünger, weil für die Saatgutproduktion die stabilen Nährstoffgehalte von Vorteil sind. Das teilflächenspezifische Ausbringen beschränkt sich somit auch aufs Getreide. Für Miststreuer gibt es keine vergleichbaren Systeme. Für Gülle kommt aber neu eine gehaltsabhängige Durchflussregelung auf den Markt.
Wie stellen Sie sicher, dass neben Stickstoff keine anderen Nährstoffe mangelnd werden?
Da orientiere ich mich an der Grud bzw. den Bedarfstabellen der Agridea.
Was ist Ihr Fazit zum teilflächenspezifischen Düngen?
Es ist eine gute Methode, ich arbeite gerne damit und ich möchte andere dazu motivieren, die oft schon auf dem Betrieb vorhandene Technik optimal zu nutzen. Man muss sich allerdings damit befassen und etwas reinknien, was die Informatik dahinter angeht. Nächstes Jahr möchte ich auch Wachstumsregler teilflächenspezifisch einsetzen.


