Ein Marktstand ohne Preise, jeder bezahlt so viel, wie ihm die gekaufte Ware wert ist, und der Landwirt verdient so viel, dass er gut davon leben kann. Mit dieser Idee sorgte Reto Meier aus Winterthur für einiges Aufsehen. Anfang August schaffte er die Preise auf seinem Marktstand ab. «Sie können mir soviel bezahlen, wie Ihnen die Lebensmittel wert sind», informierte er seine Kunden.
Die Kunden bestimmen selber den Preis
Das ging jedoch nicht lange. Der Verwaltungspolizei Winterthur war die Preislosigkeit ein Dorn im Auge, sie forderte den Landwirt auf, seine Produkte wieder anzuschreiben. Gesagt, getan, die Preise stehen wieder. Neben dem Marktstand informiert ein Schild jedoch über die Grundidee des Landwirts: «Preise auf Verhandlungsbasis» steht darauf geschrieben. Die Kunden können also weiterhin «märten» und bezahlen für die Lebensmittel von Meier, was sie ihnen wert sind.
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Geht dieses Modell auf?
Die BauernZeitung hat Reto Meier und seine Lebenspartnerin Eva Laportella auf ihrem Landwirtschaftsbetrieb in der Nähe von Winterthur besucht und sie zu ihrem Geschäftsmodell befragt.
Herr Meier, Frau Laportella, Sie haben auf dem Markt das Privileg der Preissetzung. Nun geben Sie das aus der Hand. Warum machen Sie das?
Reto Meier: Ich gebe die Preise nicht aus der Hand, sondern gebe die Verantwortung dafür an den Konsumenten weiter, der auch möchte, dass wir das nächste Jahr wieder auf den Markt kommen.
Eva Laportella: Uns geht es mit dieser Aktion auch darum, ein Zeichen für mehr Verantwortungsbewusstsein und eigenständiges Denken zu setzen. Heutzutage legen die Konsumenten für viele Lebensmittel einfach das Geld auf den Tisch und stellen sich nicht die Fragen: Ist es gut? Wer lebt davon? Was ist mir die Nahrung überhaupt wert und wer sitzt nachher alles am Tisch und isst mit?
Was waren die Reaktionen, nachdem Sie die Preise abgeschafft haben?
Meier: Ich konnte zwei Sachen beobachten. Für mich persönlich war es eine Erleichterung. Ich komme nun ganz anders vom Markt zurück, nämlich viel entspannter. Die ganze Wägerei entfällt, ich habe viel mehr Zeit für persönliche Gespräche mit den Kunden und bin nicht mehr fixiert darauf, zu kontrollieren, was sie alles einpacken. Für meine Kunden hingegen war es eine echte Umstellung. Einige waren wie vor den Kopf gestossen und mussten zuerst einen Weg finden, damit umzugehen.
Laportella: Die Kunden mussten sich damit auseinandersetzen, was hinter dem Gemüse steht. Einige Kunden waren durch die Preislosigkeit verunsichert. Wir wollen aber, dass die Kunden mit einem guten Gefühl vom Markt gehen, auch darum haben wir beschlossen, wieder Richtpreise einzuführen.
Zahlen die Kunden jetzt nicht einfach viel weniger?
Meier: Interessanterweise habe ich das Gegenteil beobachtet. Die meisten Kunden haben eher mehr bezahlt, weil sie Angst hatten, dass sie zu wenig bezahlen. Das war für mich eine wichtige Erkenntnis, weil ich immer Angst hatte, dass bei mir die Preise zu hoch seien, und ich sie auch mal tiefer ansetzte, mit dem Gedanken, dass die Kunden wiederkämen.
Sie sind Kleinbauer und produzieren Demeter-Produkte. Kann man mit diesem Output die Menschen ernähren und sind die Produkte nicht zu teuer?
Meier: Die produzierende Landwirtschaft hat für mich eine sehr kurzfristige Denkweise, weil wir mit ihr die natürlichen Ressourcen kaputtmachen. Wer bezahlt diesen Preis für die billigen Lebensmittel? Man kann auch mit Permakultur Masse produzieren, aber dafür braucht es Menschen und keine Maschinen.
Laportella: Wir bieten auf unserem Betrieb einmal in der Woche die Möglichkeit an, für Naturallohn mitzuhelfen. Bei uns kann so jeder zum Gemüse kommen. Auch gewähren wir auf dem Markt allen Inhabern einer «Kulturlegi» 30 Prozent Rabatt auf unsere Lebensmittel. Es gibt auch viele Pensionäre, die zu uns kommen und weniger bezahlen.
Können Sie davon leben?
Meier: Wir leben sehr genügsam und können gut unsere Rechnungen bezahlen.
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Welche Zukunft sehen Sie für Ihren Hof?
Meier: Der Hof, auf dem wir leben, gehört einer Erbengemeinschaft. Das ist auch ein Problem, weil wir viel Miete bezahlen. Wir sind aber auf dem Weg, den Hof zu kaufen.
Und die Landwirtschaft?
Meier: Mir schwebt als Wunschvorstellung eine lebendige, gesunde, biodiverse Landwirtschaft vor, mit vielen kleinen Höfen und vielen Menschen aus der Region, die auf die Höfe kommen und mithelfen. Meine Vision sind gefüllte Landschaften, momentan ist alles kahl und leer geräumt. Es bräuchte keine Biodiversitäts-Initiative, wenn es mehr Kleinbauern gäbe.
Sind Sie Mitglied im Bauernverband?
Meier: Nein, bin ich nicht. Weil der Bauernverband meiner Meinung nach die Interessen von uns Kleinbauern zu wenig vertritt. Ich überlege mir aber, beizutreten, damit ich mitreden kann.
Sind Sie beide nicht einfach zwei Träumer?
Laportella: Ja, das sind wir. Aber wir sind Träumer und Macher, denn nur vom Träumen hat man nicht gelebt. Man muss auch Träume verwirklichen können und man muss sie weiterspinnen und weitergeben können.


