Zum Einstieg eine Denkaufgabe: An welcher Veranstaltung klopft der Direktor des Bundesamts für Landwirtschaft Christian Hofer dem Direktor der Schweizer Milchproduzenten Stephan Hagenbuch freundschaftlich auf die Schulter?

Es ist ein gutes Bild dafür, dass die Stimmung am Milchmarkt, aufgrund der internationalen Entwicklung verbunden mit höheren Produktionskosten, vielleicht etwas angespannt ist, in der Schweiz aber grundsätzlich (noch) recht gute Stimmung herrscht. Zumindest oberflächlich. 

Seit Jahren keine C-Milch mehr

BOM-Geschäftsführer Stefan Kohler konnte das Herrschen der guten Stimmung auf dem Markt, anlässlich der Delegiertenversammlung der BOM, am 14. März 2023, in Bern, denn auch etwas erläutern. Die Situation sei insbesondere deshalb erfreulich, weil die Milch entsprechend gefragt sei. Mit ein Grund, weshalb seit Jahren keine C-Milch mehr auf den Markt gelange. «Dieses Instrument brauchen wir nicht mehr», so Kohler.

Trotz der guten Nachfrage habe man die grossen Preissteigerungen, wie sie im vergangenen Jahr in der EU gemacht wurden, nicht mitgemacht. So kam es zu einem durchschnittlichen Preisunterschied (Schweizer zu EU-Preis) von 21 Rappen und nicht wie vorher 25 Rappen. 

Kohler informierte über die bevorstehende Preissenkung in der Höhe von 1,5 Rappen auf dem B-Richtpreis. Das bedeutet, dass dieser neu auf 55,9 Rappen zu liegen kommt. Die Portfolios der Milchverarbeiter seien einfach nicht austauschbar, erklärte Kohler mit Blick auf den Milchpulver-Markt.

Es braucht weiterhin Butter

Abo SMP-Direktor Stephan Hagenbuch mit einer Cremeschnitte. Milchmarkt Schweiz SMP-Direktor Stephan Hagenbuch erklärt, wie der Schweizer Milchmarkt funktioniert Wednesday, 22. March 2023 Beim für viele Produzenten gerne emotional diskutierten Thema der Butterimporte, erklärte Stefan Kohler, dass 2022 insgesamt 6000 Tonnen Butterimporte getätigt wurden. Aktuell fliesst Butter in die Schweiz, die ihm Rahmen eines Kontingents in der Höhe von 3000 Tonnen bewilligt wurde. Er erinnerte abermals an die Gründe für diese Importe im 2022:

  • Gute Nachfrage nach Käse, insbesondere im ersten Halbjahr 
  • Tiefere Milcheinlieferungen
  • Tiefere Gehalte in der Milch, also auch Fett

Der Milchmarkt ist kompliziert

Analog dem Milchmarkt sind auch die Instrumente der BOM kompliziert. Das ist Geschäftsführer Stefan Kohler bewusst. Es sei schwierig, diese Instrumente zu erklären – vor allem innert nützlicher Frist. Mit Hilfe einer Arbeitsgruppe mache man nun einen Versuch, diese zu vereinfachen, aber Kohler ist sicher: «Wirklich einfach wird es nie.»

Milch dürfte zur Mangelware werden

Abo Die grüne Weide als Symbol für den Grünen Teppich. Ab 2024 stehen beim Branchenstandard Neuerungen an. Noch ist nicht bekannt, welche. Klimaschutz wird aber grossgeschrieben.    Milchproduktion Es kommt zum Kampf um Rohstoffe – auch um Milch Monday, 20. June 2022 Eine hohe Nachfrage ist eine erfreuliche Sache. Wenn aber die Nachfrage das Angebot deutlich übersteigt, wird es schwierig, weil Rostoff fehlt. Genau das ist auch die ganz grosse Sorge, welche die Milchbranche derzeit umtreibt. Die angehende Generation scheint nicht mehr bereit zu sein, analog der aktuellen Produzenten-Generation, Milch zu produzieren. Stefan Kohler sind die Gründe bekannt. Als wohl wichtigsten nennt er dann doch die Signale aus Bern, obschon die Stimmung zwischen BLW und Milchbranche zumindest an der BOM-DV mit freundlichen Gesten umrahmt wurde. «Die Politik hat eine wichtige Rolle», sagt Kohler. Der teilweise rasche Wechsel und die Signale vonseiten BLW würden die angehende Generation wenig motivieren, dereinst Milch zu produzieren, ist Kohler sicher. Diese drohende Thematik sei indes an allen Sitzungen der BOM ein wichtiges Thema, das immer und immer wieder Raum einnehme und grosse Sorgen bereitet. 

Unterhaltung aus dem Parlament

Sorgen bereitet auch anderes. Man sei zwar gut unterwegs, ist BOM-Präsident Peter Hegglin sicher. Aber die Entwicklungen gingen weiter und könnten auch Veränderungen mit sich bringen. «Aktuell bieten die Berichte aus dem Parlament mindestens soviel Abwechslung und Unterhaltung, wie eine Luga mit ihren Sonderausstellungen», ist Peter Hegglin sicher. Ganz ähnlich, wie im Jahr 2009, als die BOM in Zeiten des Umbruchs gegründet worden sei, stehe heute die Finanzwirtschaft Schweiz vor grossen Herausforderungen. Ob die Probleme der Credit Suisse nur ein Vorgeschmack auf eine grössere Banken- und Finanzkrise gewesen seien, oder ob sich die Sache bereits auf dem Weg zur Besserung befinde, werde sich zeigen. 

Auch die Landwirtschaft sei auf solide und solvente Finanzistitute angewiesen, macht Hegglin bewusst. «Hoffen wir, dass es der Schweizer Finanzbranche gelingt, Stabilität und Sicherheit zu schaffen und das Vertrauen der Kunden wieder zu erlangen.» 

BOM sichert die Stabilität

In der Folge ging der Exkurs des BOM-Präsidenten auf die altbekannten und an anderen Versammlungen ebenfalls immer wieder ausgeführten Situationen ein. Die Folgen der Pandemie und des Ukraine-Krieges zogen auch an der Schweizer Milchbranche nicht vorüber. Hinzu kamen Herausforderungen, wie ein trockener Sommer 2022 und eine schlechte Stimmung vonseiten der deutschen Konsumenten. Die Aufgabe der BOM sei es, die Stabilität zu sichern ohne allzu sehr in den Markt einzugreifen. Und genau das sei in diesen teils schwierigen Zeiten offensichtlich gelungen. 

Alle Milch auf dem grünen Teppich

Die Delegierten hatten an der Versammlung über wichtige Traktanden zu befinden, was ohne Nebengeräusche über die Bühne ging. So kommt es zu einer Reglementsanpassung. Die bislang gültige Version des Reglements zum Branchenstandard «Nachhaltige Schweizer Milch» (BNSM) enthielt Formulierungen, wonach die Massenbilanz bis zum 31. August 2023 befristet war. Der BOM-Vorstand hat sich bereits 2022 dafür ausgesprochen, dass die Massenbilanz um vier Monate, also bis Ende 2023, verlängert wird. Dafür war eine Anpassung des BNSM-Reglements nötig, was die Delegierten guthiessen. Neu ist also das Vornehmen einer Massenbilanz bis zum 31. Dezember 2023 zulässig. 

Abo Branchenstandard Nachhaltige Milch ​​​​​​​Ab 2024 müssen alle Milchbauern auf dem Grünen Teppich produzieren Tuesday, 28. February 2023 Die Delegierten hiessen auch die an der Februar-Sitzung der BOM beschlossene Massnahme, dass ab dem 1. Januar 2024 nur noch Schweizer Milch gehandelt und verarbeitet wird, wenn diese nach den Richtlinien des BNSM produziert worden ist, gut. Damit aufgrund der aktuell geltenden Anforderungen niemand ausgeschlossen wird, hat der Vorstand ebenfalls im Februar entschieden, Kompensationsmöglichkeiten und eine Übergangsfrist für ältere Betriebsleiter oder Betrieb mit einem entsprechenden Umbauprojekt zu ergänzen. 

Sportliche Ziele sollen erreicht werden

Ende 2022 waren 70 Prozent der Gesamtmilchmenge auf dem Grünen Teppich. Im Bereich der verkästen Milch fehlt mit 67 Prozent der Menge noch ein bedeutender Teil. «Wir werden hier fast 100 Prozent erreichen», ist Kohler sicher. Nach der DV der BOM ist klar: der Grüne Teppich wird flächendeckend. «Der Branchenstandard ist für alle erfüllbar», sagt Stefan Kohler. 

Wie Stefan Kohler zudem informierte, wird sich die Weiterentwicklung des Grünen Teppichs  auf das Jahr 2025 verschieben. Wiederum solle es allen Produzenten möglich sein, die «neuen» Anforderungen zu erfüllen. Insbesondere im Bereich der Klima-Diskussion nehme der Ausbau noch mehr Zeit als ursprünglich vorgesehen in Anspruch.

Christian Hofer zieht positive Bilanz

Christian Hofer war nicht nur zum Schulterklopfen gekommen. Er lobte den Entscheid der Versammlung, den Branchenstandard flächendeckend umzusetzen. «Sie sind in diesem Bereich Pioniere», attestierte Hofer. Damit lebe man einen wichtigen Teil der Agrarpolitik, wie sie sich künftig präsentieren solle. Nämlich jenen, mehr Selbstverantwortung vonseiten der Branche wahrzunehmen. 

Auch wenn der Weg im Zusammenhang mit dem Absenkpfad und der AP 22+ zuweilen steil gewesen sei, das Resultat lasse sich doch sehen, zieht Hofer eine positive Bilanz.

Mit einem Blick in dies Zukunft machte Hofer deutlich, dass eine verstärkte Nutzung des Dauergrünlands durch Wiederkäuer zentral sei, was für die Milchproduzenten grundsätzlich eine gute Botschaft ist. Dass grosse Anstrengungen im Bereich der Nährstoffverluste und Emissionen nötig werden, liess Hofer in seinen Ausführungen aber nicht weg. Hier sei man enorm gefordert. «Ich kann Ihnen versichern, dass Sie nicht alleinegelassen werden mit diesen Herausforderungen», versprach der BLW-Direktor.