Die Schweizer Milchproduzenten (SMP) sind 25 Jahre jung. Entstanden ist die Dachorganisation der Milchproduzenten als Nachfolgerin des einstigen Zentralverbands schweizerischer Milchproduzenten. Ausschlag für diese Anpassung war der gleichzeitige Start der neuen Milchmarktordnung, die am 1. Mai 1999 in Kraft trat. Zu jener Zeit zählte die Schweiz noch 40 000 Milchproduzenten. Heute sind es noch 17 000. Viele Themen, die seinerzeit beschäftigten, sind ähnlich oder gar gleich geblieben – beispielsweise die Forderungen nach einem besseren Preis. Etwas, das geändert hat, ist die Autoritätsgläubigkeit. Diese sei deutlich tiefer, als vor 25 Jahren, so SMP-Direktor Stephan Hagenbuch.
Liberalisierter Milchmarkt
Die Delegierten des ZVSM entschieden Mitte April 1999 mit 158 zu 11 Stimmen bei 5 Enthaltungen, «ihre Organisation dem liberalisierten Milchmarkt anzupassen und den ZVSM zum Genossenschaftsverband Schweizerische Milchproduzenten SMP umzuwandeln», wie Redaktor Andreas Wasserfallen damals in der BauernZeitung schrieb.
Beim Durchblättern der alten Ausgaben wird sehr rasch klar, dass viele Themen, die die Produzenten heute umtreiben, auch damals schon Inhalte von Gesprächen und Artikeln waren. Titel wie «Einschränkungsmilch: Ärger wegen Spottpreisen» hätten auch heute noch durchaus Berechtigung.
Ab 1. Mai 1999
Die SMP hat sich damals aber nicht selbst neu erfunden. Grund für die Anpassungen war der gleichzeitige Start der neuen Milchmarktordnung, welche für die ganze schweizerische Milchwirtschaft am 1. Mai 1999 ein neues Zeitalter einläutete. «Ab morgen diktiert der Markt den Milchpreis», titelte die BauernZeitung. «Morgen Samstag müssen mehr als 40 000 Milchproduzenten Abschied nehmen von den bisherigen Preis- und Absatzgarantien», schrieb der damalige stv. Chefredaktor der Bauernzeitung Toni Haas.
Zusammen mit den milchverarbeitenden Betrieben hatten sich die Milchbauern den Gesetzen der Marktwirtschaft zu unterstellen. Es war von gewaltigen Herausforderungen die Rede. Alleine der Umstand, dass heute mit rund 17 000 Betrieben nicht einmal mehr auf der Hälfte der Höfe von damals Milchkühe gehalten werden, zeigt sich im doppelt so hohen Strukturwandel über 25 Jahre gegenüber dem Rest der Landwirtschaft.
Ziel dieser Milchmarktordnung war die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Milchwirtschaft. Als erste spürbare Massnahmen fielen die Milchpreisgarantie für die Milchproduzenten und die Abnahmegarantie für die Produzenten von Hartkäse weg.
Ab dem 1. Mai 1999 bezahlten die meisten Milchverwerter für den Rohstoff anstelle des bisherigen Milchgrundpreises von brutto 87 Rappen noch einen Preis zwischen 77 und 80 Rp./kg. Für die Milchproduzenten bedeutete dies einen Preisabbau von netto rund 5 Rappen, was für die Milchproduzenten pro Jahr zu einem Einkommensverlust von etwa 150 Millionen Franken führte.
Vieles hat sich verändert
Obschon vieles offensichtlich ähnlich oder gar gleich geblieben ist – beispielsweise der Kampf um einen «guten» Milchpreis – haben die Jahre seit der SMP-Gründung auch Veränderungen mit sich gebracht. Die BauernZeitung hat Stephan Hagenbuch danach gefragt, welches für ihn die auffälligsten Veränderungen der letzten 25 Jahre sind. «Etwas, das sich augenfällig verändert hat, ist, dass unser Publikum nicht mehr derart autoritätsgläubig ist wie damals. Das betrifft Konsumenten und Produzenten. Das bringt es mit sich, dass man generell auch grundsätzlich kritischer allem gegenüber ist», sagt Hagenbuch.
Neue Regeln für alle
Der Milchpreis sei immer ein Thema gewesen und das werde sich auch in Zukunft nicht ändern. Aber die Milchproduzenten hätten in diesen Jahren erfahren und damit auch lernen müssen, was es heisse, dem Markt ausgesetzt zu sein. «Im Inland – aber natürlich auch im europäischen Kontext», so der SMP-Direktor.
Weiter habe die Kommunikation eine ganz andere Geschwindigkeit erfahren, als dies noch vor 20 Jahren der Fall gewesen sei. So sei es heute im Gegensatz zu damals keine grosse Herausforderung, die Information zu beschaffen, sondern vielmehr eine grosse Kunst, die richtige Info auszuwählen. «Heute sind Auswahl und Geschwindigkeit ein Problem», so Hagenbuch.
«Wir sind eine Minderheit»
Und dann kommt der SMP-Direktor auf einen erstaunlichen Punkt. Nach wie vor ist die Milchproduktion – und das nicht zuletzt aufgrund des grossen Anteils an grünen Wiesen und Weiden – von der Grösse her das Flaggschiff der Schweizer Landwirtschaft. Dennoch spricht Stephan Hagenbuch von Minderheiten. «Zum einen ist die Landwirtschaft selbst als Teil der Gesellschaft eine Minorität. Das war auch schon vor 20 Jahren so», sagt er. Was sich aber geändert habe, sei, dass die Milchproduktion im Gegensatz zur Zeit um 1999 ebenfalls eine Minorität innerhalb der Landwirtschaft geworden sei. «Wir sind eine grosse Minderheit – aber wir sind eine», sagt er.
Als Beispiel nennt er einen Vergleich der SMP mit dem Schweizer Bauernverband. «Beim SBV sprechen wir von fast 50 000 Mitgliedern, während unter unserem Dach gerade noch 17 000 Milchbetriebe sind», so Hagenbuch, der weiss, dass dies vor einem Vierteljahrhundert noch anders war. «Milch war alles», erinnert er sich an seine berufliche Anfangszeit zurück. [IMG 2]
Hagenbuch beobachtet auch, dass die Themenverschiebung innerhalb der Gesellschaft grosse Neuerungen gebracht hat. So sei die Thematik Nachhaltigkeit hinzugekommen. «Das heisst aber nicht, dass wir damals nicht nachhaltig produziert haben», sagt er. Es gehe vielmehr um den bewussten Umgang mit diesen Themen. Damit verbunden hätten sich die Ernährungstrends gewandelt. «Dieser Wandel ist markant», ist der SMP-Direktor sicher und spricht auch die Entfremdung der Bevölkerung von der Urproduktion an.
«Was heute wahr ist, kann morgen falsch sein.»
Stephan Hagenbuch, SMP-Direktor, zu den einstigen Plänen in Sachen Freihandel mit der EU.
Nicht neu, aber da
«Das ist alles nicht neu», weiss Stephan Hagenbuch. «Nebst dem Strukturwandel bei den Produzenten ist dieser auch bei den Verarbeitern ein Thema», ergänzt er. Vielleicht sei dieser dort gar noch grösser. «Aber das findet einfach statt», bilanziert er.
Sein letzter Gedanke im Gespräch mit der BauernZeitung gilt dem Freihandel. «Rein aus der Geschichte der SMP heraus können wir doch Folgendes sagen: Was heute wahr ist, kann morgen falsch sein», sagt er. Hagenbuch erinnert daran, dass im Übergang der beiden ehemaligen BLW-Direktoren Manfred Bötsch und Bernard Lehmann über den Freihandel mit der EU diskutiert wurde. «Das ist heute in keiner Weise mehr ein Thema», schliesst der SMP-Direktor.
Dass nicht nur der Markt, sondern auch die Agrarpolitik stete Mitgestalterin und damit auch nicht immer Freundin der Milchproduktion war, zeigt ein Blick in die Ausgabe der BauernZeitung vom 16. April 1999. Darin klassierte der ehemalige Direktor Samuel Lüthi bei der Beurteilung der neuen Agrarpolitik die Milchproduzenten als Verlierer; Gewinner seien grossflächige, extensiv wirtschaftende Betriebe mit Tierhaltung. Dazu komme, dass die Milch in der neuen Ordnung die Hauptlast beim Stützungsabbau tragen müsse.
Der Artikel von Andreas Wasserfallen in der damaligen Ausgabe der BauernZeitung erinnert auch an die Kontingentierung. Denn im Artikel übte Samuel Lüthi Kritik an der Bundesverwaltung im Zusammenhang mit dem Kontingentshandel.
Kontingentsrenten seien an sich störend und die Verteilungsgerechtigkeit des Marktes bei den Milchkontingenten umstritten. Die mit der AP 2002 geschaffene Ordnung bewertete Samuel Lüthi damals als unbefriedigend: «Kontingentsrenten können zusammen mit Direktzahlungen maximiert werden, es herrscht weder Transparenz noch Chancengleichheit», so Lüthi. Unter diesen Voraussetzungen würden die aktiven Milchproduzenten den Strukturwandel teuer bezahlen, meinte Lüthi damals. Eine Besserung der Situation sah er nur über die Einführung eines «Börsenmodells». Ganz unrecht dürfte er mit jenen Ausführungen nicht gehabt haben.
25 Jahre SMP im Zeitstrahl
Jahr/Mt | Präsident (31.12.) | Direktor (31.12.) | Ereignisse |
1999 | Josef Kühne | Samuel Lüthi | AP 2002: Aufhebung Preis- und Absatzgarantien, Aufhebung Schweizerische Käseunion, Butyra, Umfirmierung ZVSM in SMP |
2000 | Josef Kühne | Samuel Lüthi | Verbandstätigkeit 2000 definiert, Weiterentwicklung AP 2002, Horizonte 2010, Milchpreismonitoring, Weiterentwicklung Milchkontingentierung (Ausstieg?), GVO-Futtermittel, Profi-Lait, Resolution zu bilateralen Abkommen (Öffnung des Käsemarktes zu Europa), keine Senkung des Zielpreises bei Milch |
2001 | Josef Kühne | Samuel Lüthi | Zukunft Milchkontingentierung, Agrarpaket 2007, Weiterentwicklung Milchpreismonitoring, Abbau Milchstützung, Revision Lebensmittelrecht auf Verordnungsstufe, Antibiotikafreie Eutergesundheit, Selbsthilfebeiträge ausdehnen, Expoagricole, Swiss Contrôlé |
2002 | Josef Kühne | Samuel Lüthi | Auflösung Swiss Dairy Food (SDF) – grösster Milchverarbeiter, Revision des LwG, Suisse Qualité |
2003 | Josef Kühne | Samuel Lüthi | Entscheid Aufhebung CH-Milchkontingentierung (Parlament) |
2004 | Peter Gfeller | Samuel Lüthi | Neuer Präsident, Vorbereitung zum Ausstieg Milchkont., Normalisierung der Liquidität, AP 2011, Gründung Branchenorganisation Molkereimilch, Abbau Milchstützung, Revision Milchqualitätsverordnung, Beteiligung SCM-Marketing, Suisse Garantie für Milch- und Milchprodukte |
2005 | Peter Gfeller | Samuel Lüthi | Teil-Liberalisierung Käsemarkt CH-EU (Bilaterale I) |
2006 | Peter Gfeller | Samuel Lüthi | Freiwilliger Ausstieg aus Milchkontingentierung, Gründung BO Milch (1. Anlauf), Bilateral II («Schoggigesetz») |
2007 | Peter Gfeller | Albert Rösti | Voll-Liberalisierung Käsemarkt CH-EU, 100 Jahre ZVSM/SMP, neuer Direktor |
2008 | Peter Gfeller | Albert Rösti | Projekt Milchverkaufspool, Milchstreik, Gründung VSM (2. Anlauf), |
2009 | Peter Gfeller | Albert Rösti | Ende der Milchkontingentierung, Gründung BO Milch (3. Anlauf) |
2010 | Peter Gfeller | Albert Rösti | Butterlager wachsen weiter, schwierige Marktlage Molkereimilch (zu viel); mehr Magermilch- als Vollmilchprodukte gehen ins Ausland (Vergrösserung Butterberg Inland), Milchfettverwertung, Milchproduzenten im Zentrum der Verbandstätigkeit (zwei mögliche Austritte verhindert), BO Milch schafft Instrumente zur nationalen Mengensteuerung ab, Motion Andreas Aebi, Resolution an Vorstand BO Milch (nicht-erfüllen ihrer Aufgaben), Doris Leuthard Qualitätsstrategie, Beschluss zum Beitritt Schweizer Netzwerk nachhaltige Soja |
2011 | Peter Gfeller | Albert Rösti | zu wenig Arbeitsverdienst Milchproduzenten, Agrarpolitik 2014-2017 (zusammen mit SBV), Milchfett-Problem (Branchenlösung gesucht) , Motion Aebi Milchmengensteuerung, SMP-Statutenänderungen, Albert Rösti in den NR, Austritt Vorstand aus BO Milch, Milchprüfung nach neuen öffentlich-rechtlichen Vorgaben, Wechselkursproblematik |
2012 | Peter Gfeller | Albert Rösti | Anliegen der Milchproduzenten direkt in agrarpolitische Debatte eingebracht, AP 2014-2017, Wiedereintritt in BO Milch, desolate Marktsituation, BVD-Sanierung |
2013 | Hanspeter Kern | Kurt Nüesch | Neuer Präsident, neuer Direktor, strategische Ausrichtung definiert Rolle der SMP am Markt definiert, viele Gespräche seitens HP Kern mit allen Partnern, Milchmarkt erholt sich langsam, deutlicher Anstieg Milchpreise eventuelle EU-Marktöffnung der weissen Linie, (Studie HAFL), Motion Milchmarkt, Zulagen verkäste Milch und Siloverzicht neu unbefristet im Gesetz, Agromarketing Suisse AMS in Milano 2015 Weltausstellung, HP Kern in Vorstand SBV |
2014 | Hanspeter Kern | Kurt Nüesch | Gründung LactoFama |
2015 | Hanspeter Kern | Kurt Nüesch | Wechselkursschock, Swissmilk inside |
2016 | Hanspeter Kern | Stephan Hagenbuch | «Milchgipfel» |
2017 | Hanspeter Kern | Stephan Hagenbuch | Lovely auf der grünen Wiese (Mehrwertstudie SMP), Produzentengruppen bündeln Kräfte (Zusammenschlüsse) |
2018 | Hanspeter Kern | Stephan Hagenbuch | Aufnahme aaremilch |
2019 | Hanspeter Kern | Stephan Hagenbuch | Einführung «grüner Teppich», Nachfolgelösung «Schogggesetz», AP 2022+, erstmals wieder Butterimporte |
2020 | Hanspeter Kern | Stephan Hagenbuch | DV im Corona-Modus, gute Marktsituation |
2021 | Hanspeter Kern | Stephan Hagenbuch | DV im Corona-Modus, Kampf gegen Initiativen |
2022 | Hanspeter Kern | Stephan Hagenbuch | Kampf gegen Initiative, Mini-AP22+ |
2023 | Boris Beuret | Stephan Hagenbuch | Aufnahme VBMC, A-Richtpreis bei 81 Rp. |
2024 | Boris Beuret | Stephan Hagenbuch | Schweizer Mich 100% «grüner Teppich», Kampf gegen Initiative |