Abo Tiere können PFAS von belasteten Böden aufnehmen. Das Nutzen verschiedener Weideflächen beugt daher zu hohen Werten in Fleisch oder Eiern vor. Schadstoffe PFAS: Schädlich, praktisch überall und neu mit einem Grenzwert geregelt Saturday, 23. December 2023 Der Mist ist geführt – oder in dieser Sache vielmehr der Klärschlamm. Bis zum schweizweiten Verbot ab 2006 wurden jährlich laut Bund 80'000 t dieser Abfälle aus Abwasserreinigungsanlagen (ARA) als Dünger in der Landwirtschaft eingesetzt. Man sah diese Verwendung damals als Nutzung einer wertvollen Ressource.

Mit dem Dünger gelangte aber auch eine unbekannte Menge unterschiedlicher Schadstoffe auf und in die Böden. Entsprechende Warnungen – insbesondere auch vonseiten der Schweizer Milchproduzenten und anderer landwirtschaftlicher Verbände – haben massgeblich zum Verbot beigetragen. Der historische und damals legale Klärschlammeinsatz wird jetzt zum Problem. Denn seit gut einem Monat sind neue Höchstwerte für PFAS in Fleisch, Fisch und Eiern in Kraft.

In Fleisch, Milch und Eiern

[IMG 2]Die Abkürzung PFAS steht für per- und polyfluorierte Alkylverbindungen. Es gibt mehrere Tausend verschiedene PFAS, die Bestimmungen des Lebensmittelrechts in der Schweiz betreffen deren vier. Vergangene Woche hat St. Gallen als erster Kanton Untersuchungsergebnisse veröffentlicht, die erhöhte oder zu hohe PFAS-Werte in Rindfleisch, Milch und Quellwasser zeigten. Man vermute als Ursache in vielen Fällen Klärschlamm, der mit PFAS belastet war. Die betroffenen Flächen sind bekannt, neuere Messungen hätten aber noch weitere belastete Standorte zutage gefördert. «Generell gilt: Lebensmittel mit einer PFAS-Belastung über dem geltenden Höchstwert dürfen nicht in den Verkauf kommen», stellt die Behörde fest. Der Kanton verfüge daher, dass die betroffenen Betriebe sicherstellen müssten, dass die PFAS-Höchstwerte im Fleisch ihrer Tiere nicht überschritten werden. Die Einhaltung werde mit Inspektionen und Laboranalysen vor Ort überprüft. Man empfehle den betroffenen Landwirten, für die Tränken und die Produktion von Lebensmitteln Trinkwasser der Gemeinde zu verwenden. «Wenn möglich, sollen die Tiere auf nicht belasteten Flächen weiden.»

Die St. Galler Behörden sind sich bewusst, dass die Befunde für die betroffenen Landwirtschaftsbetriebe starke Einschnitte in die Produktion bedeuten. Als Unterstützung werden daher Überbrückungskredite gewährt.

Allgegenwärtige Chemikalien

PFAS standen beim Klärschlammverbot 2006 nicht explizit im Vordergrund. Dass sie darin landen, ist aber kaum zu verhindern. Zu allgegenwärtig sind diese synthetisch hergestellten Stoffe – von der Outdoor-Bekleidung über Pfannenbeschichtungen und Kosmetika bis zur Elektronik. Die «aus toxikologischer Sicht relevantesten und in der Umwelt am häufigsten gemessenen» PFAS sind laut Bundesrat in der Schweiz verboten. Er räumt aber ein, dass zu den gesundheitsschädlichen Wirkungen von PFAS «grosse Wissenslücken» bestehen.

Für die PFAS in Schweizer Böden kommen Verbote zu spät. Diese Stoffgruppe wird auch als «Ewigkeits-Chemikalien» bezeichnet, da sie sich in der Umwelt kaum abbauen. PFAS werden erst bei Temperaturen über 1000 Grad zerstört.

Es ist damit zu rechnen, dass weitere Landwirte ihre Produkte wegen zu hoher PFAS-Werte nicht mehr werden verkaufen dürfen. Eine Analyse von acht als relevant eingestuften PFAS hat gemäss Bundesamt für Umwelt (Bafu) bestätigt, dass sie «in Schweizer Böden allgegenwärtig sind». Unter den untersuchten PFAS waren auch jene vier, für die es Höchstwerte in Lebensmitteln gibt. Der genaue Ursprung dieser Hintergrundbelastung sowie ihre Auswirkungen seien mangels wissenschaftlicher Kenntnisse noch nicht benennbar.

Kein Fonds

Somit drängt sich die Frage auf, wer die Kosten tragen soll. Tatsächlich hat die Haftungsfrage bereits 2003 bei der Diskussion um das Klärschlammverbot beschäftigt. Damals diskutierte man einen «Klärschlammfonds» nach deutschem Vorbild, mit dem allfällige Schäden aufgrund landwirtschaftlicher Klärschlammverwertung ausgeglichen werden könnten. Als Hauptgrund gegen die Einführung nannte der Bundesrat den fehlenden eindeutigen Nachweis, dass durch die vorschriftsgemässe Verwendung von Klärschlamm die Bodenfruchtbarkeit beeinträchtigt werde.

Abo PFAS «Dafür muss die Allgemeinheit aufkommen» Friday, 6. September 2024 Klärschlamm ist allerdings wie erwähnt nicht die einzige mögliche Quelle für PFAS in der Umwelt. Ein bekanntes Beispiel ist etwa Feuerlöschschaum. Auch in Pflanzenschutzmitteln (PSM) kommen PFAS zum Einsatz. In der Schweiz wurden laut Bundesrat in den letzten Jahren 18 solcher Produkte vermarktet. Die durchschnittliche Verkaufsmenge von 28 t pro Jahr, was 1,3 Prozent der gesamten jährlich verkauften Wirkstoffmenge entspricht, ist aber kaum mit den Dimensionen des ausgebrachten Klärschlamms zu vergleichen. Für einige dieser PSM werde die EU «in den nächsten Jahren» über die Zulassungserneuerung entscheiden. Sobald es so weit ist, könne eine gezielte Überprüfung auch in der Schweiz erfolgen, so der Bundesrat. Eine frühere Überprüfung hält er nicht für sinnvoll, da die nötigen Daten erst nach der EU-Beurteilung vorliegen würden.

Diverse Vorstösse

Die Politik in der Schweiz beschäftigt sich in zahlreichen aktuellen Vorstössen mit PFAS. So hat das Parlament letztes Jahr die Prüfung eines Aktionsplans in Auftrag gegeben (siehe Kasten). Bis Redaktionsschluss konnte das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) auf Anfrage nicht abklären, wer nach geltendem Recht für finanzielle Schäden durch PFAS aus vor Jahren legal ausgebrachtem Klärschlamm aufkommen muss.

Aktionsplan wird geprüft

«In die Umwelt freigesetzte PFAS stellen ein potenzielles Risiko für die menschliche Gesundheit dar», so das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV). Sie würden hauptsächlich über die Ernährung aufgenommen. 2023 erhielt der Bundesrat den Auftrag, einen Aktionsplan «zur Reduktion der Belastung von Mensch und Umwelt durch langlebige Chemikalien» zu prüfen. Diese Arbeiten liefen derzeit, heisst es beim Bundesamt für Umwelt auf Anfrage. «Im Rahmen dieser Prüfung soll die Belastungssituation für die verschiedenen Umweltbereiche aufgezeigt werden», so Bafu-Sprecherin Dorine Kouyoumdjian. Zudem gehe es um die Herkunft von PFAS und anderer Chemikalien, Eintragsquellen, die aktuelle Rechtslage und den möglichen Handlungsbedarf. «Die Veröffentlichung des Postulatsberichts ist per Ende 2025 vorgesehen.»

Der Kanton St. Gallen hat sich klar für einen nationalen Aktionsplan ausgesprochen. Es brauche schweizweit einheitliche Massnahmen, der Bund müsse Rechtsgleichheit und -sicherheit garantieren.
Weiter setzt sich St. Gallen dafür ein, dass es «baldmöglichst» auch PFAS-Höchstwerte für weitere Lebensmittel wie z. B. Milch gibt. Man sei mit Agroscope in Kontakt – die Forschungsstelle solle untersuchen, ob im Fall von PFAS-Belastungen alternative Produktionsmodelle möglich sind.