«Als wir zur diesjährigen Herbsttagung einluden, wussten wir, dass wir mit gros­sem Zulauf rechnen dürften», erinnerte sich Beatrice Buess, Vizepräsidentin des Bäuerinnen- und Landfrauenvereins beider Basel und Organisatorin der Herbsttagung. Schliesslich laute das Motto des Abends «Der Wolf – bald auch im Baselbiet?» und würde Frauen und Männer, Bäuerinnen und Bauern und auch nichtbäuerliches Publikum anlocken.

Als dann immer mehr Stühle in die Aula in Sissach getragen werden mussten, war den Vorstandsfrauen klar: Dieser Abend würde ein grosser Erfolg. Anfangs fragten sich viele Anwesende, wie die nächsten Stunden angesichts des heiklen und heissen Themas wohl verlaufen würden.

«Der Wolf weckt Emotionen, die Meinungen sind gemacht»

Beatrice Buess organisierte die Herbsttagung der Basler Bäuerinnen. 

Sie bat, die verschiedenen Ansichten zu respektieren und nach dem Referat allen die Chance zu geben, sich zu melden. Der Vortrag sei als informativer Anlass gedacht.

Das Interesse ist gross

Abo Lukas Hofstetter, Sabrina und Marco Stadelmann, Dieter von Muralt,  Fabian Stadelmann (v. l.). Grossraubtiere Diskussion um den Wolf im Luzerner Berggebiet Tuesday, 10. October 2023 Schliesslich nahmen mehr als 100 Personen Platz. Der Referent Marcel Züger, eidgenössisch diplomierter Biologe ETH, hat eine ­beachtliche Laufbahn mit Engagements bei verschiedenen Naturschutzorganisationen hinter sich. Er arbeitete als landwirtschaftlicher Betriebshelfer, Forstwart und Zimmermann. Seit 2014 ist er Inhaber von Pro Valladas GmbH, einem Lohnunternehmen aus Salouf GR für Naturschutz und Landschaftspflege.

Seit einiger Zeit tourt er zudem mit Vorträgen zum Thema «Der Wolf ist eine Gefahr für die Artenvielfalt und die einzigartige Kulturlandschaft» durch Deutschland, Österreich, das Südtirol und die Schweiz. In allen Artikeln, die zu seinen Veranstaltungen publiziert werden, fallen zuerst die Pressebilder auf, die jeweils gros­se Säle mit Hunderten von Zuhörern zeigen. Am Ebenrain begann er sein Referat mit der Auflistung der Entwicklung des Wolfsbestandes in der Schweiz seit 1994. Er zeigte Bilder von menschengemachten Landschaften, in denen sich Wölfe wohlfühlen, und erläuterte, dass es nie eine Koexistenz von geregelter Weidewirtschaft und Grossraubtieren gab.

Viele falsche Annahmen

Er listete die falschen Annahmen über Wölfe auf, die auch hierzulande herumgeistern. So beispielsweise, dass Wölfe gefährdet, selten, scheu und nachtaktiv seien, dass sie Menschen und Siedlungen meiden, nicht über eine Zaunhöhe von 90 Zentimetern springen würden und dass ein Herdenschutzhund zur Abschreckung reiche. Weitere Fehlannahmen seien, dass sich Esel und Lamas als Herdenschutz eignen, Wölfe kein Grossvieh angreifen und dass Vergrämung nachhaltig wirke. «Diese Punkte müssen wir sofort streichen, denn sie stimmen einfach nicht», hielt Marcel Züger dezidiert fest.

Wir seien erst am Lernen, wie Wölfe in die Schweizer Kulturlandschaft integriert werden können, fuhr der Referent fort. Wir müssten anfangen, wie ein Wolf und nicht wie ein Schaf zu denken. Er erklärte den Unterschied zwischen dem scheuen «Naturwolf», der nicht springe und Angst zeige vor Grossvieh und Hunden, und dem  «Kulturwolf», mit dem wir uns heute herumschlagen müssen.

Stärker regulieren

Abo Analyse Der Konsens gegen weite «alpine Brachen» bekommt Risse Monday, 17. July 2023 Laut Marcel Züger müsse eine Bestandesobergrenze, also eine maximale regionale Wolfsdichte, festgelegt werden. Als Beispiel zeigte er die Situation in Norwegen, dessen Fläche 385'203 Quadratkilometer beträgt – im Gegensatz zur Schweiz mit 41'290 Quadratkilometern. In Norwegen seien vier bis sechs Rudel erlaubt, wobei momentan drei Rudel im Süden leben würden. Marcel Züger ist überzeugt, dieser Zustand könnte bei richtigem Wolfsmanagement auch hierzulande geschaffen werden. Er plädierte für eine stärkere Regulierung, als es heute der Fall ist. Seine Ausführungen unterlegte er mit übersichtlichen Grafiken, Kurzvideos und Fotos.

Die Diskussion nach dem Vortrag verlief ruhig, sachlich und bedacht. Die Fragen beantwortete Züger offen und ausführlich. Er wurde nach dem offiziellen Teil weiterhin bestürmt mit Fragen und Vorschlägen. Beatrice Buess sagte am Ende des langen Abends: «Wir Vorstandsfrauen freuen uns, dass wir Hand bieten konnten zu dieser wichtigen Diskussion.»