Im Film «Die Käserei Goldingen» rettet ein afrikanischer Flüchtling mit seinen Käsespezialitäten die Dorfkäserei vor dem finanziellen Ruin. Babatunde Adewale alias The Cheese Doctor wurde schon gefragt, ob er der Flüchtende aus dem Film ist. Tatsächlich gibt es Parallelen. Baba Adewale hat afrikanische Wurzeln und führt zusammen mit seiner Frau die Schafmilchkäserei Koster im Zürcher Oberland, angrenzend an die Gemeinde Goldingen. Wie der Protagonist im Film verleiht er der Käserei mit seinen Ideen neuen Aufschwung. Doch dazu später mehr.
Bevor Adewales sich an ihren Erfolgen freuen konnten, war es ein steiniger Weg. Oder wie Aninia Adewale-Koster es sagt: «Manchmal ist es besser, wenn wir nicht wissen, was die Zukunft bringt.»
Im Lockdown übernommen
«Eigentlich war es Wahnsinn», sagt Baba Adewale und erinnert sich, wie alles anfing. 2020 übernahmen Aninia Adewale-Koster und ihr Mann die Schafmilchkäserei Koster von Aninias Vater Franz Koster. Die Schweiz befand sich im Corona-Lockdown. Geschäfte und Restaurants mussten schliessen.
Aninia Adewale erzählt: «Wir froren die Schimmelkäse ein oder verschenkten sie. Manche landeten im Müll.» Optimistisch investierte das Paar in die Käserei. Sie kauften Gerätschaften, um die Arbeitsabläufe zu verbessern. Ihre Kinder trugen sie auf dem Rücken, während sie in ihrem Geschäft mit Freunden renovierten.
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Die Preise mussten rauf
Die nächste Herausforderung waren die Preise. Über Jahrzehnte hatte Franz Koster seine Spezialitäten zum selben Betrag verkauft. Baba Adewale berechnete die exakten Kosten für jedes Produkt. Fazit: Die Preise mussten über das gesamte Sortiment erheblich erhöht werden. Das Paar führte mit allen Abnehmern persönliche Gespräche und zeigte ihre Berechnungen. «Wir betreiben den Familienbetrieb mit Freude und viel Herzblut. Doch wir wollen auch davon leben. Unsere Familie ernähren und Löhne zahlen», das versuchte Baba Adewale seinen Geschäftspartnern zu erklären.
Nach der Preiserhöhung im ersten Jahr verlor das Paar 40 % ihres Umsatzes, der Gewinn stieg aber verhältnismässig. Aninia Adewale schüttelt den Kopf: «Manchmal sah ich es nicht mehr. Baba gab mir den Boden unter den Füssen. Er war immer zuversichtlich» – «Mit einem Ziel vor Augen ist alles möglich», erwidert der gebürtige Nigerianer.
Tradition und Moderne
Aninia Adewale ist in der Schafmilchkäserei aufgewachsen. Sie ist gelernte Milchtechnologin und hauptsächlich für die Produktion zuständig. Als Baba Adewale vor neun Jahren in die Schweiz kam, kannte er das Käserhandwerk gar nicht. Learning by doing war und ist sein Motto. Die Stärken des Geschäftsmannes liegen in der Vermarktung und Strategieentwicklung. Die Kundschaft sollte spüren, dass eine neue Generation den Betrieb führt. Gleichzeitig wollten Aninia und Baba Adewale nicht an den etablierten Produkten «herumschrauben».
Für den Geschäftsmann war klar, ein «Branding», also eine Markenbildung, muss her: «Mit einem Branding bekommen Produkte einen Wiedererkennungswert. Bevor du einen Käse auf den Markt bringst, musst du wissen, wie du ihn präsentieren willst. Denn Käse gibt es genug, wieso sollen die Leute deinen Käse kaufen?» Die passende Idee für das Branding entstand 2022. Baba Adewale hängte sich während des Käsens ein Stethoskop um den Hals und postete das Bild auf Instagram. Die positiven Reaktionen überraschten ihn. Das Branding «Cheese Doctor» war geboren.
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Spritziges Design für Junge
Altbewährt sind der Blauschimmelkäse Blue Dream oder der Faltigberger Schaf-Brie. Sie sollen nicht einfach mit einem neuen Etikett überklebt werden. Aninia Adewale erklärt ihr Konzept: «Die Traditionsprodukte meines Vaters sind ein Teil unserer Geschichte. Sie sollen weiterhin einen Platz bei uns haben. Mit dem Branding haben wir die Möglichkeit, unsere eigenen Ideen zu entfalten.» Die neue Produktlinie wertet mit einem jungen, spritzigen Design auf. Das Paar möchte damit ihre Kundschaft erweitern und saisonale Schwankungen abfangen.
Mehr Produkte für den Sommer
Die Schafmilchkäserei ist auf Weichkäse spezialisiert. In den Sommermonaten ist der Verkauf dieser Delikatessen schwierig. «Da mussten wir ansetzen. Ich wollte unser Sortiment erweitern, um auch in den warmen Monaten unseren Absatz zu sichern», erläutert Baba Adewale seine Überlegungen.
Unter der neuen Produktlinie Cheese Doctor kreierte er zusammen mit seiner Frau Molkegetränke und Speise-Eis aus Schafmilch. Sehr beliebt sind auch die Salatkäsekreationen. Um den verschiedenen Geschmäckern der Kundschaft gerecht zu werden, wird Schaf-, Büffel- und Kuhmilch zu Feta verkäst. Seit letztem Jahr produziert das Paar auch Halbhartkäse aus den verschiedenen Milchsorten. Diese haben den Vorteil, dass sie länger haltbar sind. Verabschiedet haben sich die Adewales von den früher sehr beliebten Schafmilch-Joghurts. Der Absatz ist über die Jahre stark gesunken.
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Der Cheese Doctor ist König
Dass die Familie Adewale mit ihren Ideen und ihrem Branding auf den richtigen Weg gesetzt hat, zeigte sich letzten Januar. Mit der Produktlinie Cheese Doctor wurde Baba Adewale zum Culinarium-König 2025 in der Kategorie Produktion ausgezeichnet.
«Das ist eine riesige Ehre und eine grosse Chance für uns», betont Baba Adewale. Adewales profitieren von der neuen Plattform, die sie durch die Auszeichnung bekommen haben. Wertvolle Kontakte in der Branche können geknüpft werden, potenzielle neue Geschäftspartner melden sich. Die Familie Adewale und ihre Erfolgsgeschichte der Schafmilchkäserei Koster. Eine Geschichte mit Happy End? Noch nicht.
Neue Käse-Praxis?
Ursprünglich war die Schafmilchkäserei Koster ein gepachteter Landwirtschaftsbetrieb. Vor einem Jahr verliessen die letzten Tiere den Hof. Heute nutzen Adewales Kinder die verwaisten Stallungen als Spielhöhlen. Wehmut schwingt in Aninia Adewales Stimme mit: «Mit den Tieren war hier immer so viel Leben.» Sie blickt zu den Bauvisieren direkt neben der Käserei. Die neuen Gebäude des Zürcher Rehazentrums sollen hier errichtet werden. Der Pachtvertrag der Familie Adewale läuft noch bis 2028. Und danach?
Mit Überzeugung und einer positiven Einstellung im Rucksack sucht die Familie einen neuen Standort für ihre Käserei. Die Bauerntochter sagt: «Natürlich tut es weh, den Produktionsstandort zu verlassen. Doch eine solche Änderung wird uns andere Wege zeigen und neue Türen öffnen. Wir sehen es als Herausforderung, die wir meistern werden. Und gerade deshalb schauen wir positiv in die Zukunft und geben Gas.»