Kürzlich hat der Kanton St. Gallen den neusten Bericht zur Flächenpotenzialanalyse veröffentlicht. Die Analyse wird alle vier Jahre nach der Methode Raum+ durchgeführt und gibt eine Übersicht über die verfügbaren Flächen in den Bauzonen.
Raum+ ist eine massgeblich von der ETH Zürich entwickelte Methode, um eine Übersicht über die in der Bauzone vorhandenen Siedlungsflächenreserven zu erhalten. Zusätzlich zu technischen Angaben wie Flächengrösse oder Zonentyp werden Informationen zu den Besitzverhältnissen, zur aktuellen Nutzung oder zum Stand der Erschliessung erhoben. Nebst St. Gallen machen die Kantone Schaffhausen, Thurgau, Appenzell Innerrhoden und Ausserrhoden, das Fürstentum Liechtenstein und die Agglomeration Chur davon Gebrauch.
Einer der tiefsten Wert der Schweiz
Das Ergebnis zeigt einen im Vergleich mit anderen Kantonen tiefen Wert. Pro Einwohner hat der Kanton St. Gallen noch etwas über 16 m2 Siedlungsflächenreserven. Regional gibt es allerdings grosse Unterschiede. Die Reserven pro Einwohner(in) sind um die Städte Wil und St. Gallen deutlich tiefer als in den anderen Regionen des Kantons.
Viele Flächen können laut Bericht des Kantons nicht genutzt werden, weil die Eigentümer(innen) aus unterschiedlichen Gründen ihr Land weder selber bebauen noch verkaufen wollen. Das bremst die innere Verdichtung. Der Druck auf Flächen ausserhalb der Siedlungszone steigt.
«Fördert sparsamen Umgang»
Bruno Inauen, Chef des Landwirtschaftsamtes, ist ob der knappen Baulandreserven in seinem Kanton nicht besorgt. «Ich betrachte es nicht als problematisch, wenn weniger Baulandreserven vorhanden sind», kommentiert er. «Es fördert meiner Ansicht nach den sparsamen Umgang mit den noch vorhandenen Flächen.»
Inauen bringt eine andere, spannende Betrachtungsweise ins Spiel: Zurzeit leben 515’000 Personen im Kanton St. Gallen. Alle Einwohner(innen) wohnen und arbeiten irgendwo. Die Verkehrsinfrastruktur, die Schulen, Spitäler, Sportplätze, Hallenbäder, Freizeitpärke, Einkaufsläden usw. sind vorhanden. «Warum braucht dann noch jeder Einwohner 16 Quadratmeter Land, wenn ja alles schon vorhanden ist?», fragt er rhetorisch.
[IMG 2]
Pauschale Zahl gibt kein korrektes Bild
Ein Vergleich zwischen den Kantonen über die vorhandenen Baulandreserven ist wenig aussagekräftig. Der Wert pro Raumnutzer liegt in der Ostschweiz zwischen 14,3 m2 (Kanton Zürich, 2020) und 38,8 m2 (Graubünden, 2020). Richard Atzmüller ist Leiter des Amts für Raumentwicklung in Graubünden. Er gibt zu bedenken: «Eine pauschale Zahl für Graubünden gibt ein nicht ganz korrektes Bild ab.»
Graubünden erfülle für Feriengäste in der Freizeit, an den Wochenenden und während der Ferienzeit ebenfalls grosse Wohnbedürfnisse, die Raum brauchen. Auch innerhalb des Kantons gibt es grosse Unterschiede, z. B. zwischen dem urbanen (12,1 m2) und dem ländlichen Raum (76,4 m2), wo es auch Talschaften mit Bevölkerungsrückgang gibt. Die Fläche der unüberbauten Bauzone betrug 2020 rund 900 ha.
Andernorts gibt es derzeit keine aktuellen Zahlen zu den Baulandreserven. Im Kanton Glarus sind in den Gemeinden Glarus Süd und Glarus Nord Gesamtrevisionen der Nutzungsplanungen pendent, wie Patrick Rossi, Abteilungsleiter Raumentwicklung und Geoinformation, ausführt. Die Bauzonen werden redimensioniert, um die kantonalen und bundesrechtlichen Vorgaben erfüllen zu können. Wie gross die unbebauten Bauzonen nach den Revisionen sein werden, könne er nicht sagen, da die Planungen noch in Bearbeitung sind.
Weniger Bauland, mehr Ökoflächen
Auch wenn sich die Ortschaften und Städte künftig stärker nach innen entwickeln, bleiben Landwirtschaftsflächen unter Druck. Bruno Inauen sagt dazu: «Auch wenn St. Gallen einen tiefen Wert bezüglich Baulandreserve pro Raumnutzer hat, spüren wir nicht unbedingt einen stärkeren Druck aufs Landwirtschaftsland als andere Kantone.»
Konfliktpotenzial sieht er in nächster Zukunft nicht unbedingt bei der Raumplanung, sondern viel mehr bei der Ökologisierung. Die Fragen, die man stellen müsse, sind:
- Wo sollen die einstmals mit viel Bundes- und Kantonsmittel meliorierten Böden erhalten werden und wo allenfalls nicht mehr?
- Wo soll die Natur Vorrang haben?
- Wie gehen wir künftig mit der Flächenkonkurrenz zwischen Nahrungsmittelproduktion und anderen Nutzungen um?
Zu diesem Interessenskonflikt gibt es genügend Beispiele. In Oerlingen im Zürcher Weinland starteten letzten November Baggerarbeiten, um bestehendes Kulturland in ein Riet zu überführen. Von fast vier Fussballfelder an wertvollem Kulturland, die verschwinden, ist hier die Rede. Ob Revitalisierungsprojekte oder Überbauungen, Landwirtschaftsland bleibt ein sehr begehrtes Gut, um dessen Erhalt die Bauernfamilien kämpfen müssen.

