Die Schweizer Milchbranche ächzt unter den hohen Käseimporten. Zwar konnte die Schweiz von der Liberalisierung des Käsemarktes profitieren, diesbezüglich waren sich die Teilnehmer eines Podiums zu den steigenden Käseimporten einig. Doch sei es weder im Sinn der Verarbeiter noch der Produzenten, dass diese Importe von Jahr zu Jahr weiter steigen. Es diskutierten am 4. Oktober 2023: Boris Beuret (Präsident Schweizer Milchproduzenten SMP), Hanspeter Egli (Präsident Vereinigte Milchbauern Mitte-Ost VMMO), Peter Nüesch (Präsident St. Galler Bauernverband) und Christof Züger (CEO Züger Frischkäse AG).
Ja zum Freihandel, aber mit anderen Regeln
Für die Züger Frischkäse AG war die Liberalisierung des Käsemarktes eine grosse Chance, die das Unternehmen nutzte. Christof Züger legte dar: «Nur dank den höheren Exporten konnten wir unsere Produktion steigern und eine vergleichbare Effizienz erreichen wie die ausländische Konkurrenz.» Ebenso wichtig für das Unternehmen sei aber der Inlandmarkt, so Züger. «Auch hier wollen wir zulegen.»
Boris Beuret findet, der Käsefreihandel sei positiv für die Schweiz. «Aber wir sind nicht mehr im Jahr 2007», so Beuret. «Ja zum Freihandel, aber mit anderen Regeln», findet der SMP-Präsident. Beuret will die Grossverteiler in die Verantwortung nehmen. Der Mehrwert für Schweizer Milch müsse am Markt geholt und auf alle Akteure verteilt werden. Hanspeter Egli war gleicher Meinung, ergänzte jedoch: «Solange die Grossverteiler am importierten Produkt mehr Geld verdienen als am Inlandkäse, wird Käse importiert.»
Weniger Organisationen, mehr Herzblut
«Die Schweizer Milchwirtschaft ist doch eigentlich super organisiert», stellte Moderator Erich Frick, betriebswirtschaftlicher Berater am LZSG Flawil, fest. Aus Christof Zügers Sicht bräuchte es weniger Organisationen, dafür mehr Herzblut, um den internationalen Multikonzernen entgegenzutreten. «Schlussendlich wird am Markt und nicht am Tisch entschieden», sagte Züger. Er stelle in seinem Arbeitsalltag fest, dass aufgrund der vielen Teilorganisationen hie und da die Effizienz leide.
Hanspeter Egli hingegen ist froh, dass die Produzentenorganisationen auf dem Markt mitmischen. Man könne den Milchmarkt nicht mit dem Fleisch- oder Gemüsemarkt vergleichen.
«Nur in der Milchwirtschaft haben wir Exporterfahrung und Exporterfolge.»
Hanspeter Egli, Präsident Vereinigte Milchbauern Mitte-Ost
Dies habe man der guten Organisation zu verdanken. Auch wenn die Bauern und Milchproduzenten nicht immer glücklich über die Entscheide der BOM seien, habe man ein Gremium, um miteinander zu diskutieren. «Wir können an diesem Verhandlungstisch teilnehmen», sagte Egli.
So schaffe man es, die Preisstruktur «eingemitteter» zu gestalten, als dies im Ausland der Fall sei. Egli ist überzeugt, dass die Schweizer Milchbranche gut aufgestellt und gut strukturiert sei. «Aber wir haben schwierige Voraussetzungen, weil wir in einem teiloffenen Markt konkurrieren müssen und höhere Produktionskosten haben.»
Industriemilch wird zulegen
Ob die silofreie Milch in der Schweiz noch eine Zukunft habe, wollte Erich Frick von Boris Beuret wissen. «Auf jeden Fall», meinte dieser, «denn die Nachfrage nach Käse steigt weltweit.» Es brauche Lösungen, um die guten Schweizer Käse auf dem in- und ausländischen Markt zu verkaufen und man werde Lösungen finden, ist er überzeugt. Dazu brauche es gute Verarbeitungsbetriebe.
Christof Züger nahm den Ball auf. Er geht davon aus, dass die silofreie Produktion die nächsten zehn Jahre bestehen bleibt. Der Markt werde sich in Richtung Industriekäse verschieben, glaubt Züger, da dies die günstigere Produktionsform sei. Bezüglich Konsum sagte Züger: «Ich denke, in der Schweiz haben wir beim Hart- und Halbhartkäse den Konsumations-Zenit erreicht.» Grosses Potenzial sieht er für den Export. «Das wird aber nicht helfen, die explodierenden Käseimporte zu korrigieren. Unsere grosse Konkurrenz sind die Käse aus Industriemilch.»
Zurück zur Milchkontingentierung wollte keiner der Teilnehmer. Beuret fand, es gebe andere Prioritäten, als über die Mengenregulierung zu diskutieren. «Meine Sorge ist, dass es in Zukunft noch genügend Milchviehbetriebe in der Schweiz gibt.» Das betreffe die ganze Branche. «Die Zeit, wo wir gegeneinander gekämpft haben, ist vorbei.» Auch Hanspeter Egli rief zu Einigkeit auf: «Wir müssen Sorge tragen zu den Milchproduzenten. Nur mit Schweizer Milch können wir Schweizer Produkte herstellen.»
Politik hat Effizienz ausgebremst
Ein bisschen Agrarpolitik musste dann zum Schluss doch noch sein.
«Die Politik und die Bürokratie haben uns in den letzten vier Jahren daran gehindert, besser und effizienter zu werden.»
Peter Nüesch, Präsident St. Galler Bauernverband
Die Höhe der Direktzahlungen blieb in den letzten Jahren immer gleich, während viele neue Programme hinzugekommen sind. Finanziert wurden sie durch die produzierende Landwirtschaft.
Milchviehhaltung im Berggebiet sei gut für die Werbung, meinte Hanspeter Egli etwas zugespitzt, aber nicht für die intensive Produktion. «Wir brauchen zwingend auch die Hochleistungsbetriebe im Tal.» Denn, und das wurde mehrfach erwähnt, an den rund 17'000 Milchviehbetrieben in der Schweiz hängen 100'000 Arbeitsplätze in den nachgelagerten Betrieben.


