Es sei ein Leuchtturmprojekt der Branche, das Projekt «Klimastar Milch». Das betonten Milchproduzenten, Verarbeiter und Forschende am gemeinsamen Medienanlass Ende Mai in Rothenburg LU. Seit 2022 nehmen 230 Milchproduzenten am Projekt teil. Sie setzen Massnahmen um, welche die Treibhausgasemissionen in der Milchproduktion auf ihrem Betrieb senken sollen. Gleichzeitig versuchen sie, die Nahrungsmittelkonkurrenz zwischen Mensch und Kuh zu reduzieren.

Als «Leuchtturm» verfolgt das Projekt ehrgeizige Ziele. Während sechs Jahren sollen die Treibhausgasausstösse um 20 Prozent reduziert werden, ebenso die Nahrungsmittel- und Flächenkonkurrenz.

Für die Klimaziele und das Image

Ein Zwischenstand zeigt: Die Betriebe sind auf gutem Weg. In den ersten zwei Projektjahren (2022 und 2023) konnten die teilnehmenden Betriebe ihre Treibhausgasemissionen pro Kilogramm Milch um durchschnittlich 4,9 Prozent und die Nahrungsmittelkonkurrenz um 19,7 Prozent reduzieren.

Diese Balance zwischen Klima und Ressourcenschonung mache Klimastar zu einem Projekt, das genau in die Agrarpolitik passe, etwa in die Klimastrategie 2050, lobte BLW-Direktor Christian Hofer am Medienanlass.

Die Milchbranche selbst hat ebenfalls grosses Interesse am Verlauf und an den Resultaten des Projekts. Die Projektträgerschaft (Aaremilch, Emmi Schweiz, Nestlé Schweiz, Zentralschweizer Milchproduzenten ZMP, Agro Clean Tech) verfolgt dabei verschiedene Interessen. Emmi und Nestlé müssen eigene Klimaziele erreichen. Sie müssen bis 2050 Netto-Null-Emissionen ausstossen. Das schaffen sie nur, wenn ihre Rohstofflieferanten, unter anderem die Milchproduzenten, ebenfalls bei den Emissionen einsparen.

Die Milchproduzenten sehen im Projekt wiederum die Chance, zu zeigen, dass sie beim Klimaschutz dranbleiben und vorwärtsmachen – und dass die Milchkuh nicht die Klimasünderin ist, als die sie manchmal dargestellt wird.

«Zugegeben, die Ziele bei den Treibhausgasen sind ambitioniert», sagt Agrarökologe Jan Grenz, der mit seinem Team an der HAFL das Projekt wissenschaftlich begleitet. Je mehr Emissionen reduziert werden, desto schwieriger wird es werden, weiter zu reduzieren. «Langfristig ist daher das Ziel, die Effekte beizubehalten», erklärte Christian Hofer.

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Potenzial bei der Fütterung

Aktuell bestehe aber noch Potenzial bei den Kraftfutterkomponenten, nannte Jan Grenz Möglichkeiten. Die Fütterung hat einen grossen Einfluss auf die Emissionen. Reduziert werden kann insbesondere durch Effizienz. Ein Beispiel: Wird proteinreiches Herbstgras mit etwas Energie ausgeglichen, kann das Futter gesamthaft besser von der Kuh zu Milch umgewandelt werden – wodurch die Emissionen pro Liter Milch sinken. Diese Effizienz steht teils im Widerspruch mit der Nahrungsmittelkonkurrenz. Denn energiereiches Futter hätte mitunter auch direkt an den Menschen «verfüttert» werden können. Wer den Mais durch Nebenprodukte aus der Lebensmittelindustrie ersetzt, punktet wiederum bei der Nahrungsmittelkonkurrenz.

Nebst der Fütterung kann die Gesundheit der Tiere oder auch deren Nutzungsdauer optimiert werden, um einen Effekt zu erzielen. Die eine grosse Stellschraube gebe es aber nicht, betonen sowohl Wissenschaftler als auch Landwirte, die im Projekt Klimastar nun Erfahrungen sammelten. «Ich justiere permanent an kleineren Schrauben», bringt es Landwirt und Aaremilch-Präsident Ruedi Bigler auf den Punkt.

Die einfacheren Massnahmen wurden mittlerweile von den Betrieben umgesetzt. Einige Punkte, wie beispielsweise eine effizientere Fütterung, können dabei sogar wirtschaftlich von Vorteil sein. Es gibt also Massnahmen, die unter Umständen gar nicht viel kosten. Für die nächsten Schritte zur Emissionsreduktion werden aber der Aufwand und die Kosten steigen.

Bis 2027 finanziert das BLW das Ressourcenprojekt Klimastar massgeblich: Von den Gesamtkosten von 19,5 Millionen Franken zahlt der Bund 79 Prozent, den Rest übernimmt die Branche. Ein Grossteil des Gelds geht an die teilnehmenden Landwirt(innen) in Form von Prämien: Je nach erzielter Wirkung erhalten sie zwischen 3 und 5 Rappen pro Kilogramm Milch. Gedeckelt ist der Betrag bei 30 000 Franken Prämie pro Betrieb und Jahr.

Langfristige Finanzierung klären

Wie es nach Projektende finanziell weitergehen wird, ist noch unklar. Der Druck vom Markt wird bleiben in Bezug auf Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Ressourcenschonung, die in der Praxis umgesetzt werden müssen. ZMP-Präsident und Milchproduzent Thomas Grüter formulierte es so: «Vonseiten der Landwirtschaft sind das Interesse und der Wille vorhanden. Wir werden sicherlich mit unserem Angebot die Nachfrage decken können. Die Frage stellt sich mir aber, ob denn die Konsumenten eine solche Milch überhaupt bezahlen werden.»

Aus dem Publikum kam der Appell an die versammelten Milchverarbeiter, die Ziele von Klimastar in Zukunft nicht zum Obligatorium zu machen, bei dem die Milchproduzenten auf den Kosten sitzen bleiben. Woraufhin Marc Heim, stellvertretender CEO von Emmi, erwiderte, dass die Branche auch für den Grünen Teppich weiter zahle – obwohl der mittlerweile obligatorisch sei.

Was bereits heute klar ist: Die Erkenntnisse aus Klimastar sollen irgendwann der ganzen Branche zur Verfügung stehen. Erste Schritte sind in die Wege geleitet: Die Branchenorganisation Milch hat beschlossen, ab Mitte 2025 den Klimarechner Klir, der auch bei Klimastar verwendet wird, allen Milchproduzenten zur Verfügung zu stellen. Künftig können die Betriebsleiter damit ihren Treibhausgas-Fussabdruck berechnen – vorerst auf freiwilliger Basis und mit einer Entschädigung für die Datenerhebung von einem Rappen pro Kilogramm Milch.

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In Zahlen
 
60 Millionen Kilogramm Milch produzieren die 230 Milchproduzent(innen), die beim Projekt «Klimastar Milch» teilnehmen.
0 weitere Betriebe werden bis Projektende aufgenommen.
20 Prozent Reduktion der Treibhausgase sowie der Nahrungs- und Flächenkonkurrenz – das sind die Projektziele.
4,9 Prozent Reduktion der Treibhausgase wurde in den ersten zwei Projektjahren (2022 und 2023) erzielt.
19,7 Prozent ging in der gleichen Zeit die Nahrungsmittelkonkurrenz runter.
19,5 Millionen Franken kostet das Projekt. Das Bundesamt für Landwirtschaft übernimmt 79 Prozent dieser Kosten.
3 bis 5 Rappen pro Kilogramm Milch erhalten Landwirt(innen), die erfolgreich Emissionen und Nahrungsmittelkonkurrenz senken.

Wer zahlt für den Mehrwert?
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Kommentar von Deborah Rentsch, Redaktorin «die grüne»

Es ist nicht einfach mit diesem Klimaschutz. Eigentlich finden alle das Konzept gut. Landwirte sind motiviert, ihre Produktion zu verbessern. Sie möchten für den Mehraufwand aber verständlicherweise entlohnt werden. Abnehmer sind unter Druck, weil sie ehrgeizige Klimaziele umsetzen müssen. Diesen Druck geben sie weiter an die Produzenten. Und die Konsumenten? Etliche sind bereit, für einen nachhaltigen Mehrwert zu bezahlen. Dieser geht aber oftmals im Labeldschungel verloren. Hier könnten die Verarbeiter und Detailhändler zur Abwechslung einmal den Hebel ansetzen. Denn da müssen wir besser (sprich: einfacher) werden. d.rentsch@diegruene.ch