Ab dem ersten Januar 2022 soll Knospe-Wiederkäuern nur noch Schweizer Knospe-Futter verfüttert werden. Das betrifft sowohl Raufutter als auch Kraftfutter. Bisher war Vorschrift, dass 90 Prozent des Futters nach Knospe-Richtlinien produziert werden musste. Die restlichen 10% mussten zwar auch Bio-zertifiziert sein, konnten aber auch nach Schweizer Bio-Verordnung produziert sein oder aus EU-Bioproduktion stammen. Zudem wird die Menge von Kraftfutter, die verfüttert werden darf, von 10% auf 5% reduziert.
Extremjahr 2018 als Basis
Natürlich stellt sich nun die Frage, ob und wie diese neuen Richtlinien erfüllt werden könnten. 2019 hat Bio-Inspecta im Auftrag von Bio Suisse erfasst, wie viel Raufutter die acht grössten Raufutterhändler in den Jahren 2017 und 2018 in EU-Bioqualität und in Knospe-Qualität importiert haben. In diesen Jahren kamen einige Knospe-Betriebe nicht ohne Raufutterimport aus der EU aus. Dabei handelte es sich sowohl um Knospe- als auch um EU-Biofutter
Im Jahr 2018, in dem aufgrund der grossen Trockenheit Futterknappheit herrschte, wurden zudem Bewilligungen für die Verfütterung von konventionell produziertem Futter erteilt. Es handelt sich dabei um rund8000 Tonnen Raufutter.
Auf dem Papier funktioniert es
Trotzdem soll eine Fütterung mit ausschliesslich Schweizer Knospefutter möglich sein, heisst es im Bericht weiter. Voraussetzung ist, dass es in Zukunft mehr Anbauflächen für Raufutter gibt. Die Berechnungen für die nötigen Flächen basieren auf den Importmengen des Jahres 2018.
Es war ein Jahr mit grosser Hitze und Trockenheit in den Sommermonaten, was in Zukunft durchaus zur Regel werden könnte. 2018 wurde mehr als doppelt so viel Futter aus dem Ausland zugekauft als 2017.
1100 ha neue Ackerfläche
Die Raufutterimporte 2018 betrugen 10 826 Tonnen (davon 70%, also 7578 Tonnen, EU-Bio). Um diese Menge in der Schweiz zu produzieren, müsste auf einer zusätzlichen Fläche von 1100 ha Raufutter angebaut werden.
Geht man davon aus, dass das zusätzlich benötigte Raufutter im Rahmen einer Fruchtfolge auf Ackerflächen angebaut wird, wären 2800 ha Ackerfläche nötig, erklärt Jeremias Niggli vom FiBL, Autor des Berichtes. Diese Berechnung basiert auf der Annahme, dass jeweils auf 40% der Ackerflächen Kunstwiesen angebaut werden.
Interview mit Urs Brändli
Der Präsident von Bio Suisse erklärt, was die Idee bei den neuen Vorschriften ist. (Weiterlesen)
Die Importzahlen, auf der die Berechnungen beruhen, stammen von den acht grössten Futterimporteuren von EU-Bio-Futter. Kleinere Akteure und Importe durch Landwirte konnten nicht erfasst werden. Die zusätzlich nötige Ackerfläche dürfte daher ein wenig höher sein.
Positive und negative Folgen
Die Autoren des Berichts, Barbara Früh und Jeremias Niggli vom FiBL, schliessen aus ihren Forschungsergebnissen auf folgende Konsequenzen :
- Steigende Preise: Preise für Raufutter steigen an, da das Schweizer Raufutter zu einem knapperen Gut wird, das mehr nachgefragt wird.
- Futterbau: Wenn die Preise steigen, könnte die Raufutterproduktion für Umstell- und viehlose Betriebe attraktiv werden. Denn der Markt für viele Ackerkulturen ist bereits gesättigt. Zudem kann mit dem Anbau von Kunstwiesen der Schädlings- und Krankheitsdruck reduziert und die Stickstoffspeicher im Boden können gefüllt werden.
- Reduktion: Betriebe, die Wiederkäuer halten, müssten unter Umständen aufgrund der höheren Raufutterpreise den Viehbestand reduzieren.
- Eiweisslieferant: Da nur noch fünf Prozent Kraftfutter verfüttert werden darf, ist eine hohe Qualität des Raufutters entscheidend. Das Raufutter wird als Eiweisslieferant wichtiger.
Zu früh für Prognosen
Wie sich die Umstellungen aber genau auf die Produktion sowie den Futtermarkt auswirken wird, lässt sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht feststellen. Zwar werden Stimmen laut, die befürchten, dass sich viele Biolandwirte gezwungen sehen, wieder auf konventionelle Produktion umzustellen. Nicht nur, weil nicht genügend Raufutter produziert werden kann, sondern auch, weil Bauern mit Hochleistungstieren auf einen höheren Kraftfuttereinsatz angewiesen sind. Es könnte aber auch sein, dass die zwei Jahre genügen, um sich auf die Umstellung vorzubereiten und den Betrieb so zu organisieren, dass genügend Raufutter vorhanden sein wird.