«Ich habe noch drei Hektaren im Boden. Wann immer es das Wetter zulässt, fahre ich mit dem Ernter durch. Gerade im Bio-Anbau hat uns heuer aber auch die Kraut- und Knollenfäule stark zugesetzt», lautet das Fazit von Heinz Höneisen, Biolandwirt und Kartoffelproduzent aus Andelfingen ZH. So wie Höneisen geht es vielen Produzenten. Der Pflanzenschutz war dieses Jahr eine wahre Bewährungsprobe und ein Teil der Ernte ist noch im Boden.
Situation in der Produktion
Die Kartoffel ist und bleibt eine herausfordernde Kultur, oder wie Niklaus Ramseyer, Geschäftsführer Verein der Schweizerischen Kartoffelproduzenten, es zusammenfasst: «Das ist keine Kultur, die man noch schnell am Samstagabend anbaut.»
Wie ist die Situation im Kartoffelanbau in der Schweiz? Welche Chancen und Herausforderungen hat die Kultur in der nahen Zukunft?
Am 15. Oktober trafen sich Produzenten und Akteure aus der Branche zur Fachtagung an der Olma. Niklaus Ramseyer präsentierte den Ist-Zustand vom Anbau, den er in den drei Eckpunkten zusammenfasste:
- Zunahme der Spezialisten: Knapp 4000 Landwirtschaftsbetriebe bauen noch auf 10000 ha Fläche Kartoffeln an. Die Spezialisierung bei der Kultur nehme zu, die Durchschnittsfläche pro Produzent stieg in den letzten Jahren auf 2,5 ha an, rund 50 % der Flächen würden zudem bewässert.
- Hohe Wertschöpfung: Insgesamt würden jährlich rund 400 000 Tonnen Kartoffeln geerntet. Der reine Produktionswert beträgt 181 Millionen Franken, das seien 2 % vom Umsatz der gesamten Schweizer Landwirtschaft. Mit 16 850 Franken pro Hektare ist die Kartoffel eine Kultur mit einer hohen Wertschöpfung.
- Hohe Selbstversorgung: Im Vergleich mit pflanzlichen Nahrungsmitteln (33 %) ist der Selbstversorgungsgrad in normalen Jahren bei der Kartoffel hoch (80–90 %), in schwierigen Jahren, wie zum Beispiel im 2021, bedeutend tiefer (66 %).
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Herausforderungen im Anbau
Zusammengefasst bleibt die Kartoffel also eine lohnenswerte Kultur für Spezialisten. Der Anbau werde, laut Niklaus Ramseyer, jedoch in folgenden Bereichen immer herausfordernder:
- Wechselnde Witterung: Nasse Jahre wechseln auf trockene Jahre, für immer mehr Betriebe werde die Bewässerung ein zunehmendes Thema. Auch nehmen Starkwetterereignisse zu, die das Potenzial haben, die Kulturen zu zerstören.
- Pflanzenschutzmittel: Auch in der nahen Zukunft werde man Pflanzschutz brauchen. In Anbetracht von gesellschaftlichen Anliegen sei das ein schwieriges Thema.
- Schädlinge und Krankheiten: Einerseits tauchen auch im Kartoffelanbau immer mehr neue Krankheiten und Schädlinge auf, wie aktuell die Schilf-Glasflügelzikade. Andererseits gebe es auch «alte Bekannte» wie den Drahtwurm und die Kraut- und Knollenfäule, für die noch keine Lösung verfügbar sei. Gerade bei ihr ist die grösste Zukunftslösung laut Ramseyer die Sortenzüchtung.
«Das ist keine Kultur, die man noch schnell am Samstagabend anbaut.»
Niklaus Ramseyer, Geschäftsführer Verein der Kartoffelproduzenten.
Drei resistente Sorten
Um das Thema der Sortenzüchtung ging es dann im Vortrag von Benedikt Kogler, Berater vom landwirtschaftlichen Zentrum St. Gallen.
Kogler zeigte, mit wie viel Arbeit die Züchtung von neuen Kartoffelsorten verbunden ist. Einige Sorten seien es nämlich mittlerweile gewohnt, sich über die Knollen zu verbreiten. «Entweder sie bilden keine Pollen aus oder werfen frühzeitig ihre Blüten ab», lautet das Fazit von Kogler. Man müsse die Kartoffelstauden regelrecht zwingen, sich generativ zu vermehren.
Dies erreichen die Forscher unter anderem, indem sie die Kartoffelstauden auf eine Tomatenpflanze pfropfen. Die Kartoffel spürt, dass sie keine Knollen bilden kann, und die Chance auf eine Bestäubung wachse von nahezu null auf immerhin 2 %. Das Ziel der Züchtung sei schliesslich die «Pyramidisierung», also eine Ansammlung zahlreicher Resistenzgene in den neuen Sorten. In Zusammenarbeit mit der Lubera AG, der ETH Zürich und der Agroscope habe man so mehrere stark resistente Sorten gezüchtet. Diese werden von der Lubera AG unter der Bezeichnung «Revoluzzer» verkauft. Das Zielpublikum seien hauptsächlich die Hobby- und Familiengärtner, weil die Sorten teilweise nicht den Marktanforderungen in puncto Knollenform und Ertrag entsprächen.
Ein weiteres Resultat der Sortenzüchtung sei schliesslich die Entdeckung neuer Resistenzgene gewesen.
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Züchtung auf Gen-Ebene
Wie geht man damit um, wenn man neue Resistenzgene findet?
Dieses Thema erklärte Bruno Studer, Professor für molekulare Pflanzenzüchtung von der ETH Zürich. Bei unbekannten Resistenzgenen müsse man nämlich zuerst herausfinden, wo diese auf der DNA, liegen. In diesem Zusammenhang präsentierte Studer ein DNA-Analysegerät für die Hosentasche. Wisse man schliesslich, wo die Gene liegen, könne man sie wie Legosteine in neuen Pflanzen einbauen. Für die klassische Züchtung, so wie sie eben auch Benedikt Kogler beschrieb, sei dies mit sehr viel Arbeit verbunden. Neue genomischen Techniken, wie zum Beispiel die Genschere Crispr-Cas, böten laut Studer elegante Züchtungsansätze, weil mit ihr unter anderem Resistenzgene in bestehende Kartoffelsorten eingebaut werden können.
Branche setzt sich Ziele
Robuste Sorten seien laut Christian Bucher, Geschäftsführer der Branchenorganisation für Schweizer Kartoffeln Swisspatat, der entscheidende Ansatzpunkt, um mit der Kraut- und Knollenfäule längerfristig umzugehen. Heute angebaute Sorten seien diesbezüglich stark anfällig. Mit einem Forschungsprojekt habe man aufzeigen können, dass bei robusten Sorten der Fungizideinsatz zwischen 50 und 75 % reduziert werden könne. Ein vollständiger Verzicht sei aufgrund des Resistenzschutzes laut Bucher nicht möglich.
Um robuste Sorten zu fördern, habe Swisspatat mit dem Bund eine Zielvereinbarung geschlossen und sich selber eine Strategie gegeben. Das Ziel sei, bis 2040 auf 80 % der Anbaufläche robuste und marktkonforme Sorten anzubauen. Als nächste Zwischenschritte sollen bis 2028 auf 25 % der Fläche und bis 2035 auf 60 % der Kartoffelfläche robuste Sorten angebaut werden.
