Das Wasser ist dunkelgrün und so trüb, dass man nur wenige Zentimeter unter die Oberfläche sieht. «Das muss so sein», erklärt Robin Dorsaz. «Das zeigt, dass die Spirulina bald geerntet werden kann.» Der 33-Jährige ist einer von nur drei Produzenten in der Schweiz.

Die Algen-Farm von «Spiruline-Valais» liegt unmittelbar nach der Autobahnabfahrt nach Saxon im Wallis. «Ich habe das Land von einem hiesigen Bauer gepachtet, der hier viele Jahre lang Rinder auf einer Auslauffläche hielt», erzählt Robin Dorsaz. «Für die Spirulina spielt das keine Rolle, da die Produktion in Wasserbecken stattfindet.»

Nur eine Zellmembran

Spirulina gehört zu den Cyanobakterien, die früher Blaualgen genannt wurden. Wie Pflanzen wachsen sie durch Fotosynthese. «Sie bestehen allerdings aus nur einer Zellmembran», so Robin Dorsaz. «Dadurch können die Inhaltsstoffe von uns Menschen besser aufgenommen werden.» Spirulina gilt als Nahrungsergänzungsmittel mit einem hohen Nähr- und Vitalstoffgehalt. «Ich stiess an der HAFL im Modul über ‹Superfoods› auf Spirulina. Das veränderte meinen Berufsweg.»

Robin Dorsaz ist in Saxon aufgewachsen und studierte nach der Matura Sport und Biologie. «Ich hatte Freude am Sporttreiben, ohne in einer Art herausragend zu sein, und arbeitete gern mit jungen Leuten – ich wollte eigentlich Lehrer werden», sagt er. Warum nicht Obst- und Weinbauer wie sein Vater? «Jamais! – Niemals, so dachte ich damals», sagt er lachend. «Ich wollte geregelte Arbeitszeiten.»

Doch die Lebensmittelforschung interessierte ihn auch und er machte an der HAFL einen zweiten Masterabschluss in Agrarwissenschaft. «Spirulina hat mich dann so fasziniert, dass ich in Frankreich berufsbegleitend eine Ausbildung als Spirulina-Produzent machte. Dort gibt es bereits rund 150 Algen-Farmen mit einem eigenen Verband.»

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Auf Bewilligungen warten

Abo Legende bis zu Zweizeilig möglich Legende Legende Legende Legende Legende Legende Legende Legende Legende Küche Essbare Algen: Superfood mit Grenzen Tuesday, 13. May 2025 Bis er die Mikro-Alge in der Schweiz tatsächlich produzieren konnte, dauerte es. «Da Spirulina weder Tier noch Pflanze ist, war alles sehr kompliziert. Es brauchte zwei Jahre, bis ich alle Bewilligungen hatte», sagt Dorsaz. Er stellte einige Gewächshäuser auf und startete mit zwei rund 40 cm tiefen Wasserbecken. Die benötigte Ausrüstung baute er grösstenteils mit Material aus dem Baumarkt selbst zusammen oder modifizierte bestehende Geräte.

Da die Mikro-Alge erst ab 18 Grad wächst, beschränkt sich die Produktion auf das Sommerhalbjahr. Neben Wärme und Sonnenlicht brauchen die Bakterien Spurenelemente wie Phosphor, Magnesium und Eisen zum Wachsen. Einmal pro Stunde wird das Wasser zudem mit einer Radwalze umgewälzt. «Durch die Umwälzung bekommen alle Mikro-Algen genügend Tageslicht zum Wachsen», erklärt Dorsaz. Das Wasser ist zudem leicht gesalzen und basisch. «Der hohe pH-Wert verhindert, dass andere Bakterien im Wasser wachsen. So kann ich auf jegliche Pestizide verzichten.»

«Wir produzieren hier in der Schweiz eine sehr reine Spirulina, doch sie ist auch sehr teuer.»

Robin Dorsaz über den nicht ganz einfachen Markt für Schweizer Algen. 

Viele kleine Spiralen

Robin Dorsaz holt ein Mikroskop hervor und nimmt eine Wasserprobe aus dem Becken. Einen Tropfen davon legt er auf einen Objektträger. Auf dem Bildschirm des Mikroskops sind unzählige Spiralen in verschiedenen Grössen zu sehen. «Jede Spirale ist eine Spirulina», erklärt er. Regelmässige Wasserproben bestimmen auch den optimalen Erntezeitpunkt. «Um diese Jahreszeit ernten wir jedes Becken einmal pro Woche.»

Dazu wird das Wasser mit den Mikro-Algen in ein sehr feinmaschiges Netz gepumpt, das einem Seihtuch ähnelt. Die Spirulina bleibt hängen, das Wasser geht zurück ins Bassin. In einem separaten Verarbeitungsraum wird die Spirulina-Masse entwässert, gepresst und mit einem umgerüsteten Fleischwolf auf Trockenbleche gepresst. Die Mikro-Algen sehen nun aus wie grüne Spaghetti.

Die Spirulina-Spaghetti werden bei 42 Grad in einem Trockengerät während rund 15 Stunden getrocknet. Anschliessend wird das Trockenprodukt zu Granulat verkleinert und in hermetisch verschlossene Beutel oder Kartondosen verpackt. «Ein unabhängiges Labor testet regelmässig den Nährstoffgehalt unserer Produktion», so Robin Dorsaz. «Vor allem bei Sportlern und Frauen mit Eisenmangel ist Spirulina gefragt.»

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Begleitende Forschung

Während zwei Jahren begleitete Agroscope in Conthey die Produktion zudem mit einem Forschungsprojekt: Die Mikro-Algen bekamen dabei ungenutzte Reste einer Nährlösung, die in der Hors-sol-Erdbeerproduktion verwendet wird. «Diese Nährlosung ist dem ähnlich, was die Mikro-Alge zum Wachsen braucht», erklärt Robin Dorsaz. «Ein System von verschiedenen Filtern stellte sicher, dass es dabei keine Verunreinigung durch andere Algen gab. Denn die Spirulina ist wie ein Schwamm und nimmt alles auf.»

Inzwischen gibt es «Spiruline-Valais» seit fünf Jahren. Dorsaz hat seine Produktion auf fünf Becken erweitert und beschäftigt in der Hochsaison zwei Mitarbeitende. Das Agrar-Unternehmen verkauft pro Jahr rund 400 kg getrocknete Spirulina. Etwa die Hälfte geht direkt via Webshop an Privatkundinnen und -kunden. Die andere Hälfte geht an Bio-Läden, Drogerien und Apotheken. Robin Dorsaz hätte auf dem Gelände Platz für weitere Becken. «Doch der Markt ist nicht einfach», sagt er. «Wir produzieren hier in der Schweiz eine sehr reine Spirulina, doch sie ist auch sehr teuer.»

Noch kaum Lohn

Robin Dorsaz, der verheiratet ist und im September erstmals Vater wird, kann bisher nicht ausschliesslich von der Spirulina-Produktion leben. Doch er hat die Freude an der herkömmlichen Landwirtschaft doch noch entdeckt und übernahm von seinem Vater einen zehn Hektaren grossen Weinberg sowie einen Aprikosen-Hain. «Schliesslich lebe ich in Saxon, der Aprikosenstadt der Schweiz», meint er schmunzelnd.

Neben den Gewächshäusern und dem Produktionsraum hat Robin Dorsaz einen Verkaufsraum eingerichtet. Dort gibt er etwas Aprikosensaft in einen Becher und einen Teelöffel Spirulina dazu. «Kurz verrühren und dann trinken, ohne das Granulat zu zerbeissen», rät er. «Denn es kann an den Zähnen kleben bleiben.» Die Mischung mit dem Vitamin C aus dem Aprikosensaft helfe zudem, dass die Nährstoffe der Spirulina besonders schnell aufgenommen würden. «Nicht zuletzt schmeckt es so auch besser», ergänzt er schmunzelnd.

Im Verkaufsraum bietet er neben den Flocken ein kleines Sortiment an Spirulina-Kosmetik an. Dazu Wein vom eigenen Rebberg sowie Aprikosensaft und in der Saison frische Aprikosen. «Aber sicher!», antwortet Robin Dorsaz ohne Zögern auf die Frage, ob er sich denn als Bauer fühle. «Denn auch das ist Landwirtschaft und Nahrungsmittel-Produktion.»

Website von Spiruline Valais 

Betriebsspiegel Spiruline-Valais
 
Name: Robin Dorsaz
Ort: Saxon VS
Ackerfläche: Die Spirulina wird auf einem rund 1000 m2 grossen Gelände produziert. Dazu kommt ein 10 ha grosser Weinberg sowie ein 1 ha grosser Aprikosen-Hain.
Mitarbeiter: Der Betriebsleiter und während der Produktionszeit der Spirulina ein bis zwei Mitarbeitende. Im Weinberg sind es zehn bis 15 Saisonmitarbeitende.