«Wir Bauern haben in den vergangenen vier Jahren rund 20 Millionen Franken an Rückbehalt liegen gelassen», sagt Ernst Peter, Landwirt aus Kefikon im Kanton Thurgau und Präsident des Vereins Hochstammobstbau Schweiz. Dieser Rückbehalt ist da, um bei Überschüssen die Produktion von Konzentrat und dessen Export nach einer Grossernte zu finanzieren.

Rückbehalt suggeriert, dass die Produzenten Geld zurückbekommen, wenn es keine Überschüsse gibt. Dem ist aber nicht so. Folgerichtig hat man das System nun umbenannt in Ernteausgleich. Was auch Sinn macht, denn Hochstammbäume können ein Jahr übervoll mit Äpfeln behangen sein und im nachfolgenden Jahr aber kaum Ertrag bringen (Alternanz). Dies im Gegensatz zum Tafelobst, wo die Alternanz durch Ausdünnen durchbrochen wird.

Übermengen und volle Lager

Abo Philipp Dickenmann präsidiert das PZ Mostobst. Mostobst Der Ernteausgleich muss überdacht werden Tuesday, 18. October 2022 Zum Überschuss zählen aber nicht nur ein Teil einer übergrossen Erntemenge, sondern auch die nicht abgebauten Lagerbestände an Apfelsaftkonzentrat aus den Vorjahren.

Während die Produzentenrichtpreise seit 2007 gleich geblieben sind, variiert der Ernteausgleich je nach Erntemenge von Jahr zu Jahr. Heuer ist er für Mostäpfel Suisse Garantie auf Fr. 1.– festgelegt. Bei einem Rückbehalt von Fr. 13.– wie im Jahr 2020 bleibt den Produzenten wenig, was denn auch das Fass zum Überlaufen brachte. Zumal immer mehr Sammelstellen dazu übergehen, die Transportkosten zu berechnen. Ernst Peter sagt: «Ein solcher Rückbehalt bedeutet Zehntausende von Franken Verlust für Betriebe, für die Mostobst ein wichtiger Erwerbszweig ist.» Mostobst sei kein Abfallprodukt. Gezielt werden Spezialsorten wie Beffertapfel, Boskoop oder Alant angebaut, die für die Mostobstproduktion besonders geeignet seien.

Risiko trägt der Landwirt

[IMG 2]«Wir Produzenten allein tragen das Risiko bei einer Grossernte und für nicht abgebaute Lagerbestände. Das ist bei keinem anderen landwirtschaftlichen Produkt so», fasst Peter zusammen. Er teilte die Bedenken des Vereins Hochstammobstbau Schweiz am 17. Februar 2022 dem Schweizer Obstverband in einem Brief mit. Da keine Antwort kam, doppelte er am 20. Juni nach und forderte dabei unmissverständlich, dass das derzeitige Ernteausgleichssystem abzuschaffen sei, worauf eine Einladung erfolgte.

Alternativen gibt es

Diese Sitzung fand am 23. August statt. Anwesend waren vier Vereinsmitglieder, vier Vertreter vom Schweizer Obstverband mit dem Präsidenten des Produktzentrums Mostobst Philipp Dickenmann sowie ein Vertreter von Hochstamm Suisse.

Vorgängig hatte Ernst Peter berechnet, dass 2021 der Lagerbestand sogar negativ war. «Der inländische Bedarf an Mostobst war mit der Ernte 2021 gerade so gedeckt. Es wurden keine Überschüsse produziert. Trotzdem wurde ein Rückbehalt von Fr. 3.–/100 kg beschlossen. Erstmals wurde auch für Biomostäpfel ein Rückbehalt von Fr. 2.–/100 kg festgelegt», sagt er. Bei der Sitzung ging es um die Diskussion von vier Vorschlägen des Vereins, um das Ernteausgleichssystem zu ändern:

  • Richtpreisband: Ein Richtpreisband einzuführen wie bei den Kartoffeln, wo die Kosten der Überschussverwertung sowohl von den Produzenten als auch von den Verarbeitern und vom Handel getragen werden.
  • Trennung von Mostobst und Tafelkernobst: Tafelkernobst soll separat zu einem tieferen Preis abgerechnet werden. Aber gemäss Zahlen des Schweizer Obstverbandes ist die Menge an Tafelobst, welches in den Mostobstkanal fliesst, klein.
  • Ernteausgleichsbeitrag: Ernte innerhalb des Bedarfs ist beitragsbefreit, und für alles über den Bedarf wird ein Ernteausgleichsbeitrag fällig.
  • Anbauverträge: Verträge über eine Durchschnittsmenge von vier Jahren, womit die Alternanz zu berücksichtigen wäre.

«Wir wollen einen funktionierenden Mostobstmarkt. Unser Ziel ist eine gerechte Verteilung der Margen und faires Entgelt für die Produzenten»

sagt Ernst Peter.

Abo Christof Schenk, Inhaber und Geschäftsführer der Holderhof Produkt AG, zeigt, wie die Verarbeitung in der neuen Mosterei funktioniert. Im Hintergrund eine der beiden Bucherpressen. Mostobst Der Holderhof mischt die Obstbranche auf Tuesday, 18. October 2022 Rückenwind erhalten die Produzenten von Mostereien wie dem Holderhof, der E. Brunner AG (Wehntaler Mosterei) in Steinmaur ZH sowie der Mosterei Kobelt AG in Marbach SG. Diese haben sich aus dem Ernteausgleichssystem verabschiedet, wollen den Produzenten den vollen Richtpreis ohne Abzüge zahlen und argwöhnen, dass durch die grossen Player Mostobst künstlich verknappt werde, so dass ihnen Mengen fehlen. Da die Erntemengen von Mostobst seit 20 Jahren rückläufig sind, wird der Verteilkampf immer härter. Aber Peter schätzt: «Ich bezweifle, ob Möhl oder Ramseier für Lösungen bereit sind. Sie tragen keinerlei Risiko.»

Wollen und können nicht

An der Sitzung vom 23. August sass auch Hochstamm Suisse am Tisch. «Mit der Vermarktung von Hochstammobst zu fairen Preisen und Innovationen im Produktionsprozess schaffen wir die Voraussetzung, damit diese traditionelle Anbauform wieder rentabel gestaltet werden kann und die Produzenten ihre Obstgärten erhalten, pflegen und erneuern», steht auf der Homepage von Hochstamm Suisse.

«Wir sind eine Labelorganisation, die unsere Lizenznehmer und Mitglieder unterstützen. Zu unseren Lizenznehmern gehören sowohl kleine und grössere Mostereien im Ernteausgleichssystem, als auch solche, die ausserhalb des Ernteausgleichs mosten», sagt Pierre Coulin, Geschäftsführer von Hochstamm Suisse, und weiter: «Wir sind leider nicht Mitglied vom Produktzentrum Mostobst und wollen und können daher auch nicht direkten Einfluss auf den Ernteausgleich nehmen.»

Seitens des Schweizer Obstverbands bleibt alles wie gehabt. «Das Produktzentrum Mostobst hat Alternativen zu diesem System beraten und kam zum Schluss, dass es aktuell keine besseren Alternativen gibt, welche für die Mostereien und die Mostobstproduzenten gleichermassen positiv sind. Daher wurde beschlossen, am Ernteausgleichssystem festzuhalten», erklärt Katja Lüthi vom Schweizer Obstverband.

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Bund schaut zu und zahlt

«Uns vom Verein wäre es wichtig, dass der Bund mithilft, die aktuelle Problematik zu lösen», sagt Ernst Peter. Es scheint so, als seien die Produzenten und die kleinen Mostereien auf sich allein gestellt. Laut Katja Lüthi vom Schweizer Obstverband fanden Gespräche mit dem Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) statt. «Als finales Ergebnis kam heraus, dass die Branche den Markt selbst regeln müsse. Der Bund sieht sich nicht in der Pflicht, für die Verwertung der Früchte zu sorgen.»

Insgeheim unterstützt der Bund aber dennoch die Obstverwertung. Gesamthaft betrugen die Ausgaben 2021 für Obstverwertung 2,8 Millionen Franken, wie das BLW auf Anfrage der BauernZeitung mitteilt. Dies ist etwas weniger als im Vorjahr (2020: 3,2 Mio Fr.). Die Beiträge an die Marktreserve von Kernobstsaftkonzentrat beliefen sich im Jahr 2021 auf 0,84 Millionen Franken und waren somit fast gleich hoch wie im Vorjahr (2020: 0,85 Mio Fr.). An wen genau diese Lagerbeiträge gehen, gibt das Bundesamt für Landwirtschaft nicht bekannt. Aber natürlich profitieren davon die grossen Mostereien. Auch variiere laut dem BLW der Lagerbeitrag von Jahr zu Jahr nicht gross. Ob Grossernte oder nicht, spielt eigentlich keine Rolle – diesbezüglich wäre der Bund also sehr wohl in der Verantwortung, diese Praxis genauer unter die Lupe zu nehmen.

«Der Ausstoss von Apfelsaft ist in den letzten Jahren stark gesunken. Insbesondere jener von Saft ab Presse ist stark rückläufig. Seit 2013 ist der Absatz der Mostereien jährlich um 2 Prozent zurückgegangen», sagt Katja Lüthi vom SOV. Ja, es wäre schön, wenn Herr und Frau Schweizer mehr Apfelsaft trinken würden. Diesbezüglich wird marketingmässig schon sehr viel unternommen. Aber ob damit wirklich alle Probleme gelöst wären, ist fraglich.

Rendite oder Mitgliedernutzen
Die Ramseier Suisse AG arbeitet laut ihrer Homepage mit 7000 Bauern zusammen und verarbeitet 50 bis 60 Prozent des Schweizer Mostobsts. Die Marktmacht ist also beträchtlich. «Die Ramseier Suisse AG gehört der Fenaco, von der immer gesagt wird, dass wir über unsere Landi-Mitgliedschaft auch Mitbesitzer seien. Aber zu sagen haben wir nichts», sagt Ernst Peter.

Die Ramseier Suisse AG hätte es in der Hand, zu einem alternativen Ernteausgleichssystem beizutragen. Stünde sie doch als Fenaco-Tochtergesellschaft in der Pflicht, getreu dem Fenaco-Leitbild, die Landwirt(innen) bei der wirtschaftlichen Entwicklung ihrer Unternehmen zu unterstützen und eine Balance zwischen Rentabilität und Mitglieder-nutzen anzustreben.