«Gestern haben wir Traummist ausgebracht», erklärt Alois Kohler. Traummist? «Kaum Ammoniakgeruch und schon stark umgesetzt. Eigentlich mehr Erde als Mist», schwärmt der Landwirt. «Und das nicht etwa vom Stock, sondern direkt von der Liegefläche des Kuhstalls.»

In Kreisläufen denken

Sohn Simon – seit fünf Jahren der Chef auf dem Betrieb im aargauischen Künten – fährt gerade mit dem Onland-Pflug über den Hofplatz. Demnächst kommt das Wintergetreide in den Boden. Alois Kohlers blaue Augen leuchten vor Freude, wenn er an den guten Nährboden für die Saat denkt. Eigentlich ist das Thema an diesem Nachmittag auf dem biologisch bewirtschafteten Trottenhof die Tiergesundheit, aber bei Alois Kohler hängt alles zusammen. Er denkt in Kreisläufen.

Auch Homöopathie reduzieren

Antibiotika sei auf dem Hof in den vergangenen sechs Jahren nur noch einmal eingesetzt worden, gibt es auf einem Stallrundgang zu hören. Auf der Wiese scharrt ein Teil der 4000 Legehennen unter Bäumen. Die 22 Simmental-Mutterkühe mit ihren Kälbern und ein Stier sonnen sich im Strohbett der Tiefstreu-Liegefläche. Der Landwirt zeigt auf eine Kuh: «Babette hat schon 15 Kälber auf die Welt gebracht.» Der Rindviehstall ist einfach gehalten, «eigentlich mehr ein Unterstand», präzisiert Alois Kohler, «damit die Tiere frische Luft haben.» Er ist überzeugt: «Ammoniak schadet den Tieren mehr, als man denkt.» Er setzt homöopathische Mittel ein, wenn ein Tier nicht fit ist. Aber auch die möchte er noch reduzieren. «Mein Ziel sind gesunde Tiere, die keine Medikamente brauchen.» Wer möchte das nicht. Und was tut er dafür?

Neben der guten Luft sind Sorgfalt und Steinmehl wichtige Komponenten in Alois Kohlers Strategie. Der 73-Jährige freut sich immer darauf, seine Arbeitstage im Stall zu starten, trotz Tagwache um 5 Uhr.

Steinmehl, Aktivkohle, EM

Die Liegefläche der Kühe wird täglich eingestreut. «Es braucht genug, aber nicht zu viel Stroh, damit es bis zum nächsten Morgen eingetreten wird.» Vor dem Streuen macht der Landwirt einen Durchgang mit der Schubkarre und verteilt sorgfältig von Hand mit Milchsäurebakterien angereichertes Vulkangesteinsmehl auf der Liegefläche und auf den Spaltenböden des Laufhofs, 20 Kilogramm jeden Tag.Eine Extraportion Gesteinsmehl kommt auf Stellen mit durchfallartigem Kot und auch schon mal direkt ans Hinterteil des verursachenden Kalbs. Das kostet eine halbe Stunde Zeit pro Tag, die nutzt er allerdings gleich auch, um die Kühe und Kälber im Blick zu haben. Im Hühnerstall streut er das hellgraue Pulver ebenfalls täglich, das helfe gegen Milben und Verpicken. Zweimal wöchentlich ergänzt er mit Aktivkohle und reichert zudem das Trinkwasser der Tiere mit Effektiven Mikroorganismen (EM) an.

Humus aufbauen

Hilfsmittel kosten Geld. «Aber sie machen sich mehr als bezahlt», verweist der Landwirt auf die Tiergesundheit, die Qualität des Hofdüngers und Bodenfruchtbarkeit. Auf dem Feld greift Alois Kohler zwischen die Reihen mit Federkohl und hebt eine Handvoll feinkrümelige Erde auf. «Riech mal!», sagt er. Ein saftig-erdiger Geruch steigt angenehm in die Nase. 13 Hektaren Gemüsebau ist ein wichtiges Standbein auf dem Biobetrieb. Zusammen mit den tierischen Betriebszweigen wird das Risiko verteilt und es werden Kreisläufe geschlossen. Rüstabgang beim Gemüse landet in der Futterkrippe, wird letztlich wieder zu Hofdünger und der wiederum hilft, die Böden nachhaltig zu bewirtschaften und Humus aufzubauen.

[IMG 2]

Und wie geht es weiter, wenn der Senior einmal nicht mehr mit Steinmehl und Globuli im Stall hantiert? «Eine gute Frage», antwortet Alois Kohler. Der Sohn hat Arbeit genug; Simon Kohler führt ein umfangreiches Unternehmen mit mehreren Vollzeitmitarbeitenden, darunter sein Bruder und sein Vater, dazu saisonal temporäre Arbeitskräfte. Auch der dritte Bruder steigt nächstes Jahr in den Betrieb ein. «Das sehen wir dann», sagt der Vater. Simon werde es machen, wie er es für gut halte.

Betriebsspiegel Trottenhof

Betriebsleiter: Simon und Claudia Kohler
Ort: Trottenhof, Künten AG
Nutzfläche: 48 ha LN, 1,5 ha Wald
Kulturen: Kunstwiese, Gerste, Weizen, Silomais, Kartoffeln, Gemüse (Zuckermais, Randen, Karotten, Sellerie, Süsskartoffeln, Lauch, Wirz, Federkohl).
Produktion: Bio
Tiere: 4000 Legehennen, 22 SI-Mutterkühe mit Kälbern, ein Stier
Arbeitskräfte: Betriebsleiterpaar, Bruder Adrian, Vater Alois; von März bis Dezember zwei langjährige ausländische Mitarbeitende, bei Bedarf weitere Temporär-Angestellte.

«Jeder Dritte hat das Stallapotheke-Handbuch zu Hause»

Homöopathie hat auf Schweizer Landwirtschaftsbetrieben längst Einzug gehalten. Alfons Knüsel, Tierarzt mit Praxis im aargauischen Muhen, ist in unserem Lesergebiet wohl der bekannteste Anwender. Seit 1997 befasst er sich damit, ist Präsident der IG Homöopathie Nutztiere, gibt Kurse und ist Mitautor des «Handbuches zur homöopathischen Stallapotheke».
2007 wurde das Handbuch veröffentlicht und erst kürzlich wieder überarbeitet. Anhand der Verkaufszahlen schätzt Knüsel, dass auf jedem dritten Betrieb in der Schweiz ein solches Buch aufliegt. Viele Landwirte hätten sich ein vertieftes Wissen dazu angeeignet, vor allem in den letzten zehn Jahren. Der Nutzen der Homöopathie sei heute dank wissenschaftlicher Studien nachweisbar. «Es gibt viele Studien, die zeigen, dass Homöopathie wirkt; der Wirkungsmechanismus ist aber nach wie vor unklar», sagt Knüsel. Dass Landwirte solche Behandlungsmethoden ausschöpften, betrachtet er als wichtig und werde positiv wahr genommen in der Bevölkerung. Tierproduktion ohne Antibiotika im Krankheitsfall sei so grundsätzlich möglich. Allerdings empfiehlt er dann eine angepasste Zuchtstrategie, mit widerstandsfähiger Genetik, dafür tieferer Leistung. Knüsel betreut auch zwei Betriebe die antibiotikafrei Milch produzieren, quasi die Königsdisziplin.
Dass mehr mit «Kügeli» gearbeitet wird, bestätigt Stefan Birrer, Tierarzt mit Praxis in Gunzwil und Präsident der Zentralschweizer Tierärzte. Es hänge sicher auch immer mit den jeweiligen Bestandestierärzten zusammen. Beim Rindvieh komme Homöopathie vor allem im Bereich der Eutergesundheit und rund um die Geburt verstärkt zum Einsatz. Grenzen bei der Methode sieht er vor allem beim Faktor Zeit. Eigentlich habe ein Nutztier keine Zeit zum Kranksein. Denn wenn eine Kuh zwei Tage nicht fresse wegen einer gesundheitlichen Störung, treten rasch weitere Probleme auf. Ein Teufelskreis. Der Faktor Zeit sei beim behandelnden Landwirt nicht unermesslich. Wie Knüsel nennt auch Birrer das Beispiel Mastitis. Nebst Kügeli müsse ein Viertel über längere Zeit in kurzen Abständen ausgemolken werden, um vollständig gesund zu werden. Mit Kenntnissen der Homöopathie und Geduld sei aber vieles möglich, so seine Erfahrung. Eine gute Tierbeobachtung seitens des Landwirts sei entscheidend. 

Kurse zur homöopathischen Stallapotheke: www.handbuchzurstallapotheke.ch