Ab dem 1. Januar 2024 gilt der Branchenstandard Nachhaltige Schweizer Milch. Das heisst, alle Milch von sämtlichen Milchproduzenten, die in der Schweiz verarbeitet wird, muss die Anforderungen vom Grünen Teppich erfüllen. Für einige Produzenten sind die Anforderungen eine Herausforderung; vor allem das RAUS-Programm im Winter, bei dem die Kühe monatlich 13-mal Auslauf im Freien bekommen müssen, stösst einigen Landwirten sauer auf.
Zwei Betriebsleiter geben Auskunft
Die BauernZeitung hat zwei Betriebsleiter getroffen, welche nicht nur über die Vorschriften vom Grünen Teppich enttäuscht sind, sondern auch von der Branchenorganisation Milch (BOM), welche die Vorschriften und Ausnahmen auf ihren Merkblättern nicht klar kommunizieren würde. Der 53-jährige Fritz Berger und der 20-jährige Jonas Reber stammen beide aus dem bernischen Fahrni bei Thun. Die zwei Betriebsleiter alpen ihre Kühe im Sommer, beide haben sie einen Betrieb mit Anbindehaltung und beide Landwirte gehen auch einem Nebenerwerb nach. «Vor allem bei den Kompensationsmöglichkeiten bei den Alpkühen weiss ich bis heute nicht, ob ich im Winter die Kühe trotzdem noch 13 Tage im Monat in den Laufhof lassen muss», ärgert sich Fritz Berger. Selbst ein Inforama-Berater sei der Ansicht, mit der Alpung der Milchkühe sei RAUS im Winter nicht Pflicht. «Ich habe bisher nicht beim RAUS mitgemacht», betont Berger. Den Aufwand, 13-mal monatlich die Kühe in den Laufhof zu lassen, sei für ihn ein immenser zeitlicher Aufwand. In seinem Anbindestall hält er zwölf reine Simmentaler, im Sommer sind seine Kühe für mindestens 80 Tage auf der Alp.
[IMG 2]
Falscher Anreiz wird kritisiert
«Wenn ich im Winter das RAUS trotzdem erfüllen muss, ist dies für mich überhaupt keine Kompensationsmöglichkeit, so wie es in den Bestimmungen der BOM angepriesen wird», hält Fritz Berger ausdrücklich fest. Für ihn gehe das weit über das Tierschutzgesetz hinaus. «Ohne RAUS liefere ich die Milch 4 Rp. günstiger ab. Das verlange ich auch von den Verarbeitern, dem Gross- und Detailhandel. Somit müsste diese nach Schweizer Vorschriften produzierte Milch im Laden 16 Rp. günstiger verkauft werden als Milch vom Grünen Teppich. Lassen wir also den Konsumenten wählen», sagt er.
Mit hohem Aufwand verbunden
Auch für den 20-jährigen Jonas Reber ist RAUS im Winter mit einem sehr hohen zeitlichen Aufwand verbunden. «Im Nebenerwerb bin ich das ganze Jahr noch als freier Besamer unterwegs», hält der junge Landwirt fest. Da er vor allem in den Wintermonaten stark ausgelastet sei, komme ihm die Pflicht, seine Kühe 13-mal im Monat in den Laufhof zu lassen, gar nicht gelegen. «Ich habe auf meinem Betrieb 20 Kühe auf zwei Lägern, wenn ich da jeden zweiten Tag das RAUS erfüllen will, muss ich im Monat mehrere Stunden dafür aufwenden», rechnet der junge Betriebsleiter vor. Geld, das er mit seinem Nebenerwerb dank seiner Rechnung leichter verdient, Geld, auf das er für das RAUS-Programm gerne verzichten kann.
«Das mache ich nicht, das ist nicht meine Art.»
Jonas Reber will erfüllen, und nicht einfach nur ein Kreuz im Journal machen.
Reber ist gerne bereit, seine Kühe im Winter an den Wochenenden in den Laufhof zu lassen, und gerne bereit, das Tierschutzgesetz von 30 Tagen während den Wintermonaten einzuhalten. «Ich wohne in der Bergzone I, habe einen sehr funktionellen und schönen Anbindestall, mir ist es nicht möglich, mit 20 Jahren in einen grossen Laufstall zu investieren», erklärt er seine Situation. Auch widerstrebe es ihm, im Auslaufjournal einfach ein Kreuz mehr zu machen, um den Vorschriften zu genügen. «Das mache ich nicht, das ist nicht meine Art», sagt er klipp und klar.
Jonas Reber hat seine Situation auch bereits der BOM geschildert, worauf er eine Ausnahmebewilligung und eine Bestätigung bekam. Persönlich vom Geschäftsführer der BOM, Stefan Kohler, unterschrieben, dass er die Kompensationsmöglichkeit «Basis-Gesundheits-programm Milchvieh» für die nächsten zehn Jahre anwenden kann. Hier wird verlangt, dass Reber jährlich, zusammen mit seinem Bestandestierarzt, den Check zum Basis-Gesundheitsprogramm Milchvieh durchführt.
Anfänglich freiwillig, jetzt obligatorisch
«Was passiert nach den zehn Jahren?», fragt sich Jonas Reber, der schon mit 18 Jahren den elterlichen Betrieb übernahm. «Wird RAUS, BTS oder der Weidebeitrag endgültig zur Pflicht, endgültig zum Standard?», so der Jungbauer weiter. Hier spielt Reber auf das Schleppschlauch-Obligatorium an. «Beim Schleppschlauch wurde am Anfang auch auf die Freiwilligkeit gepocht, jetzt ist es obligatorisch», sagt der Landwirt.
«Soll ich noch Milchabliefern?»
Eines steht fest: Jonas Reber möchte in Zukunft weiter melken und auch noch in zehn Jahren mit seinen Kühen z Bärg gehen. Hingegen steht für Fritz Berger offen, ob er an der Milchproduktion festhalten wird, wenn er RAUS machen muss. «Ich bin jetzt 53 Jahre alt, ich muss mir gut überlegen, ob ich am 1. Januar 2024 noch Milch abliefern will», sagt er. Mit Blick auf den Mehraufwand, seine Kühe 13-mal im Monat in den Laufhof zu lassen, rechnet er, dass er in dieser Zeit mit der Vermietung von Schlafplätzen ein Vielfaches mehr reinholen könnte. Für Reber wie auch für Berger steht fest: Mit den Anforderungen, um beim Grünen Teppich mitmachen zu können, habe die Branche über das Ziel hinausgeschossen und so weiteren kleinen Familienbetrieben den Todesstoss versetzt.
Stefan Kohler, Geschäftsführer der BOM, hat sich nach Erscheinen der Publikation des Artikels in der Printausgabe der BauernZeitung am 27. Oktober 2023 mit folgender Präzisierung bei der Redaktion gemeldet:
«Ab dem 1. Januar 2024 wird die Regelung für den Grünen Teppich für alle Milchproduzenten und Milchverbeiter verbindlich. Die Milchkäufer werden dann nur noch Milch einkaufen, wenn diese den Anforderungen des Grünen Teppichs entspricht. Für einige Betriebe ist dies ein schwieriges Unterfangen. Die Delegierten der BO Milch haben die Regelungen aber so gestaltet, dass sie alle umsetzen können. Wer weder BTS noch RAUS erfüllt, kann im Bereich Tierwohl eine Kompensation wählen. Wer beabsichtigt, seinen Betrieb in den nächsten fünf Jahren umzustrukturieren, zu übergeben oder wer daran ist, ein Stallbauprojekt zu realisieren, kann sich für die Übergangsfrist registrieren. Im Artikel in der BauernZeitung vom 27. Oktober behauptet der Milchproduzent Jonas Reber, er hätte mit mir gesprochen, worauf er eine Ausnahmebewilligung und eine Bestätigung erhalten habe. Ich habe mit Jonas Reber am 13. Oktober tatsächlich telefoniert. Ich habe ihm das, was ich ihm am Telefon gesagt habe, anschliessend auch schriftlich bestätigt. Das war sein Wunsch. Wir haben aber nie über eine Ausnahmebewilligung gesprochen, eine solche hat er von mir auch nicht erhalten. Schliesslich hat die BO Milch die Möglichkeit, eine Ausnahmebewilligung zu beantragen, im laufenden Jahr abgeschafft. Es gibt nur noch wie erwähnt Kompensationen oder die Möglichkeit für eine Übergangsfrist. Da Jonas Reber offensichtlich weder RAUS noch BTS erfüllen kann, muss er, wie alle anderen Milchproduzenten in derselben Situation, den ordentlichen Weg über eine Kompensation oder die Übergangsfrist gehen. In seinem Fall hat er das «Basis-Gesundheitsprogramm Milchvieh» ins Auge gefasst. Das gilt aber erst als erfüllt, wenn der Nachweis bei uns eingetroffen ist.»

