Wer in der Landwirtschaft unterwegs ist, hat den gut gemeinten Rat mit der berühmten «Nische» schon öfters gehört. Die Rede ist nicht von der Nische im Wohnbereich, also einer gemütlichen Ecke, um sich zurückzuziehen und auszuruhen, sondern von der Marktnische. Weg von der herkömmlichen Produktion mit möglichst viel Menge zu einem je nach Produkt diskreten, aber meist stabilen Preis, dafür mit recht sicherem Absatz, hin zu Innovationen in einem neuen, kleinen, aber wertschöpfungsstärkeren Kanal.
Aller Anfang ist schwer
Dass dies nicht ganz einfach ist, liegt auf der Hand. In den Nischen ist der Aufwand für die Vermarktung häufig zu einem grossen Teil beim Urproduzenten. Es braucht neue Maschinen und Geräte in Produktion und Verarbeitung und eine Logistik. Und die Produkte müssen sich erst einen Platz im Regal eines Detailhändlers ergattern.
Eine Nische ist in der Schweiz auch die Milchproduktion mit Wasserbüffeln. Bei der Tierverkehrsdatenbank waren per Ende 2021 gut 2200 Tiere registriert, davon werden 523 im Herdebuch von Swissherdbook als Zuchttiere geführt. Die Population hierzulande hat sich zwischen 2011 und 2021 fast verdoppelt. Ein Boom ist es aber nicht, der Anstieg verflacht zunehmend.
Angefangen hatte alles vor über 30 Jahren. Ein Angestellter aus Rumänien arbeitete auf dem Hof von Hans Bieri in Schangnau BE und erzählte diesem von den genügsamen Wasserbüffeln in seiner Heimat. Die Idee liess Bieri nicht mehr los. 1996 importierte er gemeinsam mit einer Handvoll Berufskollegen 15 Zuchttiere. Ein gewagter und harziger Start, wie es eben so ist, wenn man innovativ ist und in Nischen vordringt, erinnert sich Michael Jaun, Geschäftsführer der Bergkäserei Marbach LU. Damals war noch sein Vater am Ruder. Die Käserei an der Grenze Bern/Luzern war somit erster Verarbeiter von Schweizer Wasserbüffelmilch.
Pech beim ersten Import
Das Projekt wurde kritisch beäugt, auch weil die Hälfte der importierten Wasserbüffel die unerwünschte und in der Schweiz getilgte Infektionskrankheit IBR mit sich trug. Aufseiten der Verarbeitung startete man mit einem halbharten Büffelkäse, für eine Mozzarella-Linie fehlte schlicht die Menge. Dies änderte sich um die Jahrtausendwende, die ersten Wasserbüffel-Mozzarellas verliessen die Bergkäserei, vermarktet über den eigenen Laden und Partner in der Distribution.
Fahrt hat das Projekt mit der Migros Aare und ihrem AdR-Label aufgenommen. Noch heute ist sie die grösste Abnehmerin, obwohl Michal Jaun und sein Team laufend weitere Kanäle bis hin zur Gastronomie beliefern. Ihre Spezialität aus 100 % Büffelmilch ist bekannt, «vor allem auch dank der Kampagnen der Migros», schiebt Jaun nach.
«Büffelmozzarella kostet mehr als doppelt so viel.»
Michael Jaun von der Bergkäserei Marbach vergleicht Büffel- mit Kuhmilchmozzarella.
Herausforderungen rund um Verarbeitung und Vermarktung der heute rund 160 000 Kilo Milch von sechs Lieferanten bleiben aber genügend. Es sind wohl nischentypische Probleme. Es geht um verhältnismässig kleine Mengen, Abhängigkeiten, Kampf um den Platz im Regal des Grossverteilers und die Preissensibilität der Kundschaft. «Eine Kugel von reinem Büffelmozzarella kostet mehr als doppelt so viel wie Mozzarella aus Kuhmilch», schildert Jaun die Situation am Verkaufspunkt. Marbach verarbeitet rund 90 Prozent der Büffelmilch zu Mozzarella. In diesem Segment gebe der Markt nicht viel mehr her und entsprechend sei auch keine Mengensteigerung geplant, so Jaun.
Nische auch im Aargau
Die Produzenten ihrerseits sind im Wasserbüffel-Verein Schweiz zusammengeschlossen und haben sich vor einer Woche zur Generalversammlung getroffen. Mit dabei auch der Aargauer Josef Villiger aus Sins. Rund 25 Mitglieder sind so organisiert. «Es ist und bleibt eine Nische», betont der erfahrene Produzent während unseres Gesprächs im Nachgang zur Versammlung mehrmals. Mit allen Herausforderungen.
Da sei vor allem die Vermarktung. Es gehe nicht nur darum, einen Abnehmer zu finden, in seinem Fall sind es vier gewerbliche Käsereien. Die Produzenten sind meist auch bei der Vermarktung und der Produktelancierung mit an vorderster Front. «Mit Produkten bei den Grossverteilern einen Platz zu ergattern, ist schwierig», weiss Villiger. «Man hat immer nur eine einzige Chance», beschreibt der Bio-Landwirt. Wenn ein Produkt nicht drehe und rausfalle, bleibe es auch draussen. Die Konkurrenz sei gross. Lieber würden die Detailhändler Mozzarella in grossen Mengen importieren.
«Man hat immer nur eine einzige Chance.»
Büffelmilchproduzent Josef Villiger zum Kampf um einen Platz im Verkaufsregal.
Bei der Milch der Wasserbüffel bleibt die Saisonalität ein Problem. «Mozzarella wird zusammen mit den Tomaten reif», bringt es Josef Villiger auf den Punkt. Der trendige Frischkäse muss also dann verfügbar sein, wenn Herr und Frau Schweizer Tomaten-Mozzarella-Salat auf dem Tisch haben möchten. Und dies ist nun mal im Sommer.
Die Milch der Wasserbüffel kann zwar eingefroren und haltbar gemacht werden, das Prozedere hat aber seinen Preis. Rund 50 Rappen kostet es gemäss Villiger. Kosten, die beim Landwirt hängenbleiben. Die Lieferanten der Bergkäserei Marbach ihrerseits frieren die Milch gleich auf den Höfen ein. Ein Milchproduzent koordiniert dann die Bestellung der Käserei, um die Logistik zu vereinfachen.
2 bis 3 Franken Produzentenpreis
Wasserbüffelmilch ist in der Schweiz geliefert und je nach Saison, Qualität und Abnehmer zwischen 2 und 3 Franken wert. Josef Villiger fährt selbst drei Käsereien an, ein Abnehmer in der Romandie wird über einen Logistiker bedient. Mit seinen 40 Kühen gehört Villiger zu den grösseren Produzenten. Gut 2000 bis 2500 Kilo leisten Wasserbüffel jährlich, gegen 100'000 Kilo kommen so zusammen auf dem Brunnenhof. Typisch für Wasserbüffelmilch ist vor allem der sehr hohe Fettgehalt von um die 8 %. Nebst Mozzarella versuchten es viele Verarbeiter mit 3–4 Halbhartkäse in der Produktpalette. Villiger vermarktet auch das Fleisch seiner Büffel selbst, mit gutem Erfolg, wie er sagt.
Den Markt für Milch beurteilt Villiger mit seinen 15 Jahren Erfahrung in der Nische für die Schweiz als relativ gesättigt. Innovationen seien genauso gefragt wie aufwendig. Die Abhängigkeit von den Grossverteilern sei gross, bei der Lancierung neuer Produkte in den Regalen müssten Depot-Zahlungen um die 100 000 Franken hinterlegt werden, was viele gewerbliche Käsereien und Produzenten abschrecke.
100 Wasserbüffel nahe Zürich
Ähnlich tönt es aus anderen Teilen der Schweiz. In der Ostschweiz produzieren sieben Betriebe Büffelmilch für die Züger Frischkäse AG in Oberbüren SG. Diese verarbeitet jährlich um die 500 Tonnen Büffelmilch zu Mozzarella und Ricotta. Der Trend ist laut Firma leicht steigend.[IMG 2]
Der Biobetrieb Riedenholzhof in Zürich-Seebach, der rund 100 Wasserbüffel hält, setzt vor allem auf die Direktvermarktung: Ein Grossteil der Büffelmilch lässt Familie Küchler von drei Käsereien im Zürcher Oberland verarbeiten. Diese stellen daraus Mozzarella, diverse Weichkäse, Feta und Joghurt her. Die übrige Milch wird an die Chäs-Hütte in Meierskappel LU geliefert, die unter ihrem eigenen Label Büffelmilchprodukte herstellt. Pro Jahr produziert der Riedenholzhof um die 100'000 Liter Büffelmilch.
Zucht ist anspruchsvoll
Da Büffelkühe während der Sommermonate kein Brunstverhalten zeigen, dauert die Hauptabkalbezeit von Herbst bis Ende Jahr. Daraus resultiert eine Konzentration an Kälbern im Winter, was eben zur Folge hat, dass die Milchproduktion gegen Sommer langsam versiegt. Die Laktationsdauer ist deutlich kürzer als bei Milchvieh. «Das hängt von der Genetik ab», sagt Sepp Küchler. «Da Wasserbüffel bis anhin kaum auf Milchleistung gezüchtet wurden, ist die Streuung diesbezüglich gross.» Entsprechend sei das Zuchtziel mehr Leistung und Laktationspersistenz.
Küchler züchtet die Remonten für den Betrieb selbst. Daher weiss er aus eigener Erfahrung, dass man dabei auf die Erfolgskontrolle lange warten muss: Büffelkühe kalben erstmals mit 3 bis 3,5 Jahren ab.
Seine Büffelmilchprodukte vermarktet der Riedenholzhof hauptsächlich im eigenen Hofladen sowie über Geschäfte in der Umgebung. «Viele Konsumenten kennen Büffelmilch nicht», stellt Küchler fest. «Daher braucht es viel Aufklärungsarbeit, wie wir sie beispielsweise bei Gesprächen mit der Kundschaft im Hofladen leisten.» Büffelmilch hat einen tieferen Cholesteringehalt. Laktose enthält sie zwar ähnlich viel, «doch wird sie häufig auch von Leuten vertragen, die mit der Verdauung von Kuhmilch Mühe haben», so der Biolandwirt. Aufgrund der Lage direkt an Stadtgrenze profitiert er von einer urbanen Kundschaft, die besonders offen ist für die Kuhmilchalternative.
Billiger Import geht einfacher
In den Regionen, in denen Büffelmilchprodukte schon seit einigen Jahren präsent sind, sei auf dem Markt ein Plafond erreicht, schätzt Küchler. Es gebe jedoch Gegenden, in denen noch ein Marktpotenzial vorhanden sei. «Es reicht jedoch nicht, nur einfach Büffelmilch zu produzieren.» Auch er betont die Bedeutung eines Verarbeiters und der Logistik. Entsprechend ist viel Organisation gefragt. Erschwerend dazu sei, dass die ausländischen Produkte auf dem Markt viel billiger sind. Büffelmilchprodukte würden somit auch in Zukunft eine Nische bleiben, ist wie Käser Jaun und Berufskollege Villiger auch Küchler überzeugt.
Büffel-Produkte sind anders
[IMG 3]Seit rund dreissig Jahren gibt es Wasserbüffel in der Schweiz, damals importiert aus Rumänien. Bei der Tierverkehrsdatenbank waren per Ende 2021 gut 2200 Tiere registriert – davon wurden 523 im Herdebuch von Swissherdbook als Zuchttiere geführt. Die Population in der Schweiz hat sich zwischen 2011 und 2021 zwar fast verdoppelt, in der Tendenz stagnieren aber die Zahlen.
Weltweit gibt es zurzeit etwa 150 Millionen Büffel. Über 95 Prozent davon werden in den Ländern Asiens gehalten, vor allem in Indien, China und Pakistan. Dort werden die Büffel traditionell als Zugtier in den Reisfeldern eingesetzt, wobei infolge der Mechanisierung die Bedeutung der Milch- und Fleischproduktion zunimmt. Auf Europa fallen rund 50 000 Büffel, viele davon in Rumänien und Italien.
Wasserbüffel gelten als robust und genügsam. Auch gröbere Kräuter und Gewächse werden verwertet, heisst es von Praktikern. Der Aargauer Züchter Josef Villiger beschreibt Wasserbüffel als « friedlich, anhänglich und gwundrig». In der Herde fühlen sie sich am wohlsten.
Wasserbüffelkühe produzieren rund dreimal weniger Milch als die bekannten Milchviehrassen. Zuchtziel sind 2500 Kilo je Standardlaktation bei 8 Prozent Fett und 4,5 Prozent Eiweiss. Durch den hohen Fettgehalt ist ihre Milch besonders cremig, reich an Kalzium, Eisen und Phosphor, und auch die Vitamine A, B, C und E seien reichlich enthalten, rühmt Josef Villiger.
Die Kühe sind ausgewachsen ähnlich schwer wie Milchkühe. Jungtiere haben Tageszunahmen bei einer extensiven Fütterung von rund 800 g. Das Fleisch der Wasserbüffel ist mager, zart und hat eine dunkelrot bis violette Farbe. Von Feinschmeckern wird es als leicht nussig beschrieben, ähnlich wie Wildfleisch.
