Vor gar nicht so langer Zeit gab es noch Wartelisten für neue Biomilchproduzenten. Während die Nachfrage gut bleibt, scheint das Feld der potenziellen Neueinsteiger ein wenig abgegrast. Die Luzerner Bio-Offensive will Gegensteuer geben.
Biomilch-Offensive in Luzern
Denn das Marktpotenzial soll ausgeschöpft, die Wertschöpfung in der Region erzielt werden. Dazu rufen die Zentralschweizer Milchproduzenten (ZMP) und der Kanton Luzern mit seinem Berufsbildungszentrum Natur und Ernährung auf. Lanciert wurde die Aktion «Biomilch-Offensive 2027+». Am Donnerstag, nach Redaktionsschluss, trafen sich über 60 interessierte Milchbäuerinnen und Milchbauern sowie Gäste auf dem Burgrain in Alberswil LU. Mehr dazu in der nächsten gedruckten Ausgabe der BauernZeitung. Aus dem Nähkästchen berichtete dort das Betriebsleiterpaar Andreas und Bettina Nussbaumer. Bis 2008 wurde der 40-ha-Pachtbetrieb mit Milchwirtschaft, Ackerbau, Legehennen und 150 Hochstämmern nach ÖLN-Richtlinien geführt, Eigentümerin ist die Stiftung Agrovision.
«Beim Milchvieh bereits sehr nahe an Bio.»
Einer der Beweggründe von Andreas Nussbaumer für die Umstellung 2008.
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Warum die Umstellung auf Bio? Dazu führten mehrere Gründe, berichtet Andreas Nussbaumer gegenüber der BauernZeitung. Einerseits liege Bio im Stiftungszweck der Agrovision, man hatte aber auch schon langjährige Erfahrungen mit Versuchen des BBZN. «Und in der Milchviehhaltung waren wir bereits sehr nahe an Bio», so Nussbaumer. Die Umstellung bezeichnet das Vorstandsmitglied des Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverbands im Rückblick als «massiv».
Kein Kraftfutter mehr
Der Kuhbestand wurde aufgestockt, die Muttersauen aufgegeben, anstelle von Mastpoulets setzte man auf Legehennen, die offene Ackerfläche wurde halbiert und die Obst-Intensivanlage musste weichen. Baulich wurde kräftig investiert, und zwar in einen neuen Milchviehstall und einen Legehennenstall. «Kein Problem, wenn der Betrieb einer Stiftung gehört», denkt da der geneigte Leser. So einfach ist es nicht. Andreas Nussbaumer hat an der Tagung vor Ort seine Vollkosten offengelegt. Der Pachtzins ist marktüblich. Nussbaumers verdienen mit Milch Geld, weil ihre Direktkosten auffallend tief sind und der Milchpreis – inkl. Verkehrsmilchzulage gegen 90 Rappen – für guten Umsatz sorgt. Dies macht die hohen Fremdkosten aufgrund des Pachtzinses mehr als wett.
Auf dem Burgrain bekommen die Kühe seit 2009 kein Kraftfutter mehr. Während der Vegetation, also von April bis Oktober, gibt es 100 % Weidefutter. Im Winter Heu und Emd. Nur im Herbst wenig Maiswürfel gegen das Blähen. Die Abkalbungen erfolgen saisonal, und zwar für einen Teil der Herde im Frühling, knapp die Hälfte des Bestandes ist im Spätherbst an der Reihe. Die Phasen dauern jeweils zwischen sechs und acht Wochen. «Gesunde und fruchtbare Weidegenetik», lautet das Zuchtziel bei Nussbaumers. Sie setzen auf hornlose Stiere aus problemlosen Weideherden. Die 60 Kühe produzieren so rund 300 000 Kilo Verkehrsmilch. Die Milch liefern Nussbaumers in die Agrovision-Käserei gleich nebenan. Diese veredelt, was sie braucht, der andere Teil geht in den Biomilchkanal der ZMP.
Es gibt Herausforderungen
Herausforderungen bei der Umstellung gab und gibt es. Da seien sicher die Investitionen in die Gebäude. Für gemischte Betriebe werde die Umstellung mit jedem Betriebszweig noch komplexer. Auf dem Burgrain waren nebst dem Milchvieh auch Schweine, Geflügel und der Ackerbau betroffen. Die Dauer von zwei Umstellungsjahren sei nicht zu unterschätzen, so Nussbaumer. Der Aufwand bereits höher, die Preise aber noch nicht. Natürlich erwähnte er auch die Bekämpfung von Blacken, aber auch von Disteln oder Brennnesseln. Und zu guter Letzt: Biobetriebe werden jährlich kontrolliert. Das Fazit ist aber positiv: «Es hat sich für uns gelohnt», so Nussbaumer. Damit schliesst er ökologische, ökonomische und soziale Aspekte mit ein. Das Ertragsniveau sei stabil auf seinem Betrieb und die Marktaussichten im Biokanal gut.
Biomilch rückläufig – aus diversen Gründen
Seit 30 Jahren wächst Bio in der Schweiz kontinuierlich, weiss André Bernet, der bei den Zentralschweizer Milchproduzenten (ZMP) unter anderem die Sparte Bio betreut. Die grosse Umstellungswelle war 2018 bis 2020. Biomilch ist – wegen der Sömmerung – vor allem im Sommer knapp. Aktuell gäbe es wenig Umsteller, und wer jetzt umstellt, dessen Milch kommt erst 2027 auf den Biomarkt. Seit 2022 ist die Menge an Biomilch in der Schweiz klar rückläufig. Der Preis lag im Mittel in den vergangenen zehn Jahren rund 20 Rappen über dem Preis für Suisse Garantie.
Die Hemmschwellen für das Umstellen sind bekannt. Dazu kamen erst kürzlich noch verschärfte Fütterungsrichtlinien (nur Schweizer Futter, max. 5 Prozent Kraftfutter). Der Suisse-Garantie-Kanal hat sich preislich in den letzten Jahren gefangen. Bei gemischten Betrieben ist die geforderte gesamtbetriebliche Umstellung eine Herausforderung. Viele Milchbauern im Luzernbiet halten Schweine. Bioschweine allerdings fristen auf dem Markt noch immer ein Schattendasein mit wenig Hoffnung auf Besserung. André Bernet ist aber überzeugt von der Biomilch: «Biomilch ist ein langfristiger Trend, der Markt wird weiterwachsen.» Die Preise seien stabiler, da wenig Grenzdruck besteht. Aus Umfragen wisse man, dass Bioproduzenten tendenziell zufriedener seien. Gerade in den typischen Grünlandgebieten sieht er noch Potenzial.
Kostenloses Coaching
«Der Biomilchmarkt ist eine Erfolgsgeschichte und wächst schon seit Jahrzehnten», sagt André Liner vom BBZN. In den letzten zwei Jahren habe die Nachfrage zur Umstellung jedoch deutlich nachgelassen, weiss er aus der Beratung. Ein Grund sei die Unsicherheit. Landwirtinnen und Landwirte hätten teils wenige Informationen und es sei deshalb schwierig einzuschätzen, worauf man sich bei der Biomilchproduktion einlasse und wie sich diese für den Betrieb und die Familie auswirke. Und zwar arbeitstechnisch, betriebswirtschaftlich und dadurch auch in Bezug auf die Arbeitszufriedenheit und das soziale Umfeld.
Hier kommt das Coaching ins Spiel. Um dieser Verunsicherung entgegenzuwirken, bietet das BBZN im Rahmen des Aktionsplans Biolandbau neu kostenlos ein Coaching für neue Biomilchproduzent(innen) an. Erfahrene Biomilchproduzenten besuchen ein oder mehrmals an der Biomilchproduktion interessierte Berufskollegen und gehen auf ihre betriebsspezifischen Fragen und Bedenken ein. In einem oder mehreren Handlungsfeldern, wie zum Beispiel der Fütterung der Kühe mit einem reduzierten Kraftfutteranteil und einer vielleicht nötigen Rassenumstellung, werden Ziele und Massnahmen definiert und dann möglichst zeitnah umgesetzt. Dabei werden immer auch betriebswirtschaftliche Aspekte berücksichtigt. Die Verantwortung für den Inhalt und die Umsetzung der Massnahmen liegt beim Coachingkunden. «Der Coach hat die Verantwortung für den Prozess und hilft dabei, die vorhandenen Ressourcen und die Motivation für die Umsetzung zu stärken», so Berater André Liner.