Seit einigen Jahren wird in der Schweiz die Hof- und Weidetötung praktiziert. Im Vordergrund dieser Praxis steht der Wunsch, dass die Tiere nicht mehr lebend transportiert werden müssen, bevor sie geschlachtet werden. Dadurch verringert sich der Stress, der für das Tier entsteht, enorm. Dennoch gibt es weiterhin einige Hürden, denen Landwirte und Landwirtinnen gegenüberstehen, sollten sie sich für dieses System entscheiden.

Grundlagen der Hof- und Weidetötung

Aktualisiert Hoftötung «Es gab auch schon Bauern, die haben geweint wie ein Schlosshund» Friday, 11. November 2022 Gesetzliche Grundlage für die Hof- und Weidetötung bildet die Verordnung über das Schlachten und die Fleischkontrolle (VSFK). Diese wurde im Jahr 2020 geändert. Per 1. Juli 2020 ist der Abschnitt zur Hof- und Weidetötung rechtskräftig. Hof- und Weidetötungen sind seitdem grundsätzlich zugelassen. 

Grundlage für die praktische und kommerzielle Umsetzung auf dem Landwirtschaftsbetrieb bildet eine Bewilligung, die beim kantonalen Veterinärdienst eingeholt werden muss. Zu diesem Zeitpunkt wurde die Interessengemeinschaft (IG) Hof- und Weidetötung gegründet. Ebenfalls kamen erste Dienstleister, die diese Praktik auf den Betrieben anbieten, auf den Markt.

Vorgehen bei einer Hoftötung

Abo Mit dem Metzger Simon Stocker (r.) tötet Landwirt Michael Herzog (l.) seine Rinder selber. Dafür braucht er ein spezielles Fanggitter, welches es ermöglicht, das betäubte Tier zu befreien. Tierwürde Auch beim Hoftöten heisst töten nicht gleich töten Wednesday, 23. November 2022 Für die Umsetzung der Hof- oder Weidetötung auf dem Betrieb ist immer eine Bewilligung erforderlich. Bei der einfachsten Form der Hoftötung wird das ausgewählte Tier an ein eigens dafür angefertigtes Fanggitter gewöhnt. Damit das Tier nach der Betäubung nicht im Fanggitter hängen bleibt, kann es nach unten hin geöffnet werden. Ist das Tier im Fanggitter, wird es mit dem Bolzenschussapparat betäubt. Die Betäubung muss durch eine Person mit Sachkundenachweis (in der Regel der Metzger) vorgenommen werden. Nach der Betäubung wird das Tier am Frontlader aufgehängt und mit dem Bruststich entblutet. Die Entblutung (Herzstillstand) führt zum Tod des Tieres. Der Prozess von der Betäubung bis zum Stich darf maximal 60 Sekunden dauern. Anschlies­send wird das Tier aufgeladen und in die Schlachterei transportiert.

Unterschied Weidetötung
Die Weidetötung ist an dieselben Auflagen gekoppelt und funktioniert in einem ähnlichen Ablauf. Einzig wird das frei umherlaufende Rind auf der Weide aus kurzer Distanz mit einem korrekt durchgeführten Kugelschuss betäubt.

Nur 15 min für den Transport

Abo Hof-und Weidetötung «Wir wollen den ‹Tote-Tiere-Tourismus› vermeiden» Friday, 21. October 2022 Nachdem das Tier aufgeladen worden ist, beginnt die rechtlich gesehen kritische Phase. Gemäss Verordnung dürfen zwischen dem Bolzenschuss und dem Ausweiden des Tiers maximal 45 Minuten vergehen. Das heisst, sämtliche inneren Organe müssen in dieser Zeit entfernt werden. Werden 15 Minuten für das Aufziehen, Entbluten und das Aufladen gerechnet und 15 Minuten für das Abladen bis zur Entnahme der inneren Organe, bleiben lediglich 15 Minuten Transportzeit. In den ländlichen Regionen kann also mit einer maximalen Distanz zum Schlachthaus von 20 Kilometern gerechnet werden.

Schwierigkeiten in der Praxis

Für Eric Meili von der IG Hof- und Weidetötung stellt dieses Zeitlimit von 45 Minuten die grösste Hürde dar. Bewilligungen würden gerne gesprochen, sofern das Konzept durchdacht und notwendige Punkte gemäss Checkliste abgedeckt seien. Die Auflagen seien streng, aber keineswegs nicht zu erfüllen. Das Zeitlimit von 45 Minuten schränke aber sehr stark ein. Oftmals sei es bereits für viele potenzielle Interessenten schwierig, in einem Umkreis von 20 Kilometern ein Schlachthaus zu finden. Dazu kommt, dass der Metzger dann auch bereit dazu sein muss, tote Tiere anzunehmen, was keinesfalls immer der Fall ist. Eine Anhebung dieser Zeitlimite auf 90 Minuten (gemäss Entwurf in der Vernehmlassung) würde laut Meili das Problem deutlich entschärfen. «Stand heute ist es einfach nicht allen interessierten Landwirten und Landwirtinnen möglich, die Hoftötung auf den Betrieben umzusetzen», sagt er.

Einstieg in die Hof- und Weidetötig

Um die notwendige Bewilligung zu erhalten, können die entsprechenden Unterlagen, Checklisten und Vorlagen beispielsweise auf der Homepage www.bioaktuell.ch eingesehen und heruntergeladen werden. Zum Bewilligungsverfahren gehört unter anderem die Beschreibung des ganzen Prozesses von der Fixierung des Tieres über die Betäubung und das Entbluten bis zum Abtransport des Tieres. Auch bedarf es eines Vertrages zwischen dem Schlachtbetrieb und dem Tierhalter. Vermarktet werden die Tiere heute beinahe ausschliesslich via Direktvermarktung. Bei den ersten fünf ­Hof­tötungen ist jeweils der Amtstierarzt dabei. Anschlies­send gibt es stichprobenartige Kon­trollen des Tötungsprozesses. Für detaillierte Infos wenden Sie sich bitte an eine Ihnen bekannte Beratungsstelle, Dienstleister oder das FiBL.

Stress beim Tier wird reduziert

Die Vorteile der Hof- und Weidetötung zeigen sich bei richtiger Handhabung und einem ruhigen Umgang klar durch die verminderte Stressbelastung der Tiere. Der Lebendtransport der Schlachttiere ist immer ein gros­ser Stressfaktor. Der Markt für Fleisch ohne Lebendtiertransport ist im Aufbau. Fleisch ohne Lebendtiertransport ist aktuell ein Nischenprodukt, findet aber bei einigen Konsumenten Anklang. Wie sich das Produktionspotenzial in diese Nische in Zukunft entwickelt, hängt stark mit der Gesetzesanpassung zusammen und ist demnach noch ­offen.