Für einmal wurde der Spiess umgedreht: Statt Branchenvertretern nahmen am Milchpodium der IP-Suisse drei Milchproduzenten auf Strohballen den Platz auf dem Podium ein. Mit Beatrice Rufer, Deisswil BE, und Hansueli Jungen, Wimmis BE, waren zwei Wiesenmilch-Produzenten vertreten. Der Dritte im Bund, Michael Sutter, Bretzwil BL, begleitet die Wiesenmilch bereits seit Beginn des Labels von wissenschaftlicher Seite. Branchenvertreter wie René Schwager von Mooh, Matthias Baumann von Migros Aare oder Urs Brändli von Bio Suisse hingegen sassen im Publikum.

Die Landwirte und Landwirtinnen stehen im Zentrum 

«Hier werden die Landwirte und Landwirtinnen ins Zentrum gestellt. Bei IP-Suisse ist der Bauer der Star», so Andreas Stalder, Präsident IP-Suisse, in seiner Begrüssung. Gemeinsam mit den Produzenten und den Branchenakteuren wolle man sich über die Wiesenmilch austauschen und in die Zukunft des Labels blicken, so IP-Suisse Geschäftsführer Christophe Eggenschwiler. «Es soll ein Austausch stattfinden mit Lob und Kritik, denn nur so können wir die Wiesenmilch weiterbringen», so der Geschäftsführer weiter.

Das Projekt «Wiesenmilch 2025 Plus»

Abo Weidende Kühe machen der menschlichen Ernährung wenig Konkurrenz. Damit sie das Gras effizient zu Milch verwerten, macht Kraftfutter dennoch Sinn – auch aus Gründen der Nachhaltigkeit. Ressourcenprojekt Klimastar Was der Klimaschutz in der Milchproduktion kostet Monday, 10. June 2024 Entwickelt wurde die Wiesenmilch vor zehn Jahren zur Differenzierung am Markt. Mit dem Branchenstandard Grüner Teppich und Projekten wie «Klimastar Milch» hat sich in den letzten Jahren jedoch auch die restliche Branche weiterentwickelt. Zur künftigen Weiterentwicklung der Wiesenmilch startete IP-Suisse nun in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) das Projekt «Wiesenmilch 2025 Plus».

Schon seit seiner Gründung wird das Label von der Hochschule begleitet. Im Rahmen von «Wiesenmilch 2025 Plus» wird analysiert, in welchen Bereichen eine Weiterentwicklung des Labels möglich sei, erklärt Beat Reidy, der das Projekt vonseiten der HAFL leitet. Grundsätzlich gehe es um eine Schärfung des Labels. Wichtig sei aber, dass die Richtlinien für die Produzenten weiterhin umsetzbar seien und ein Mehrwert bestehen bleibe, betont der HAFL-Dozent.

Der Mehrwert muss erkannt werden

Auch dem Podiumsmoderator und Präsidenten der Schweizer Milchproduzenten (SMP) Boris Beuret ist die Umsetzbarkeit der Anforderungen für die Produzenten wichtig. «Die Produzenten, das haben wir auch während der Bauernproteste gespürt, wollen mit einfachen Systemen weiterfahren und nicht ständig neue Anforderungen erfüllen müssen», so Beuret.

«Wir müssen einfacher, klarer, ehrlicher und transparenter werden»

Matthias Baumann, Migros Aare. 

Damit neue Anforderungen von den Praktikern auch akzeptiert würden, müssten diese auch erkennen, welcher Mehrwert hinter einer Entwicklung stehe. Man sei jedoch auch auf die Konsument(innen) angewiesen, die letztlich dazu bereit sein müssten, für einen Mehrwert zu bezahlen.

Die richtigen Faktoren verbessern

Während zwei Jahren habe man sich bei der Branchenorganisation Milch (BOM) in einer Arbeitsgruppe über die Weiterentwicklung des Grünen Teppichs beraten, so Boris Beuret. Bis zum Schluss waren alle Branchen darin vertreten. Ende des letzten Jahres dann die grosse Enttäuschung: Das ganze Projekt wurde vom Tisch gewischt.

«IP-Suisse bleibt ihrem System treu.»

Andreas Stalder, Präsident IP-Suisse.

Der Grund: Niemand war bereit, für den Mehrwert zu bezahlen. «Es wurde uns klar gesagt, dass die Konsumenten nicht bereit sind, dafür zu bezahlen», erklärt der SMP-Präsident. «Es wäre völlig kontraproduktiv, wenn wir uns immer nachhaltiger positionieren, aber am Ende niemand dafür bezahlen will. Wir müssen die richtigen Faktoren verbessern und uns nicht einfach nur aus Prinzip weiterentwickeln», so Beuret.

Potenzial der Wiesenmilch im «Gras»

Doch wie sehen die Gäste auf dem Podium die Zukunft der Wiesenmilch? Hier scheiden sich die Meinungen. Michael Sutter zielt auf eine Verschärfung des Punkte-Systems ab und sieht das Potenzial der Wiesenmilch «im Gras». Weil Wiesenmilch auf unterschiedliche Arten produziert werden könne, sei sowohl für die Vermarktung als auch für die Produzenten schwierig zu vermitteln, was die Wiesenmilch denn überhaupt sei, so Sutter.

Statt Verschärfung auf Klimarechner setzen

Hansueli Jungen hingegen blickt in eine andere Zukunft. Man könne nun sicherlich das Punkte-System ausbauen, doch die Basis müsse dies dann auch akzeptieren. «Das System muss für die Bauern umsetzbar sein und gewollt werden», so Jungen. Statt einer Verschärfung des Punkte-Systems sieht er vielmehr eine Chance im Klimarechner der BOM. Ab 2025 soll es den Milchproduzenten voraussichtlich möglich sein, den CO2-Fussabdruck der Schweizer Milchproduktion zu erfassen.

Bereits heute wird der Rechner im Ressourcenprojekt «Klimastar» genutzt. «Bereits vor zwei, drei Jahren habe ich zu Andreas Stalder gesagt, man sollte diesen Rechner übernehmen», so Jungen. Mit den Daten, die man daraus von den Betrieben erhalte, könnten Ziele gesetzt und die dafür nötigen Massnahmen ergriffen werden. Die Daten müssten natürlich auch dem Handel und der Verarbeitung etwas wert sein. «Nur schon fürs Ausfüllen des Rechners müsste man einen Rappen pro Kilogramm Milch erhalten», so Jungen.

IP-Suisse bleibt System treu

Zu Beginn der Podiumsdiskussion machte Andreas Stalder auf die am Medienanlass des Projekts «Klimastar Milch» getroffene Aussage von Nestlé-Geschäftsführer Eugenio Simioni aufmerksam. «Niemand ist bereit, für die Nachhaltigkeit zu bezahlen», wiederholte Boris Beuret während der Diskussion die Aussage Simionis. Schon vor zehn Jahren habe IP-Suisse als Erste ein Klima-Punkte-System lanciert, sagte darauf Andreas Stalder. «Und zwar für den Gesamtbetrieb und nicht nur für einzelne Produktionsrichtungen.»

«Mich hat aber noch kein Konsument gefragt, welchen Anteil das Gras an der Gesamtration ausmacht»

Beatrice Rufer, Wiesenmilch-Produzentin aus Deisswil BE.

Um nicht für jede Produktionsrichtung einen eigenen Rechner erstellen zu müssen, habe IP-Suisse aktiv nach Partnern gesucht. «Alle sagten damals, es sei eine gute Sache, aber am Ende machten wir selbst etwas», sagt Stalder. Von allen Seiten heisse es nun, man könne keine höheren Preise realisieren. «Wir erhielten für unsere Arbeit 5 Rappen, früher waren es einmal 10 Rappen», so Stalder.

Sicherlich könnte es heute mehr sein, doch dies gelte es nun zusammen mit dem Markt zu erarbeiten. «Mir kommt es quer rein, dass nun jede Branche selbst gefordert ist, etwas zu machen», erklärt der Präsident. IP-Suisse bleibe ihrem System treu, denn es habe sich durchaus gezeigt, dass das Klima gesamtbetrieblich berücksichtigt werden könne, so Stalder.

Weide ist Konsumenten wichtig

Aus der Podiumsdiskussion geht hervor: Eine nachhaltigere Milchproduktion fordert auch Konsumenten, die bereit sind, einen Mehrwert dafür zu bezahlen. Daher ist es laut Beatrice Rufer wichtig zu wissen, wofür der Konsument denn überhaupt bereit wäre, mehr zu zahlen. René Schwager interessierte daher Rufers Einschätzung, was an der Wiesenmilch im Vergleich zur konventionellen Milch geschätzt würde.

Da sie auf dem Betrieb einen Camping-Stellplatz betreibe, sei sie oft mit Konsumenten in Kontakt, so Rufer. Sie spüre dabei immer wieder, dass die Weide ein wichtiger Punkt für die Konsument(innen) sei. «Es interessiert sie, wie oft die Kühe auf die Weide kommen und wie lange. Mich hat aber noch kein Konsument gefragt, welchen Anteil das Gras an der Gesamtration ausmacht», so die Landwirtin.

Ein Dschungel voller Botschaften

Und wie kann laut Matthias Baumann von Migros Aare erreicht werden, dass der Konsument den Mehrwert der Wiesenmilch erkennt? Dass Mehrwerte erkannt würden, sei gesamthaft und nicht nur bei der Wiesenmilch eine Herausforderung, so Baumann.

Das Einprasseln von verschiedenen Botschaften und Labels in den Supermärkten überfordere den Kunden. Heutzutage gehe es darum, dass es trotz der Überkommunikation gelinge, einen einfach zu verstehenden Mehrwert zu transportieren, für den die Leute auch bereit seien, zu zahlen. «Wir müssen einfacher, klarer, ehrlicher und transparenter werden», so Baumann.


Die BauernZeitung fragt: Was nehmen Sie aus der Diskussionsrunde am Milchpodium mit?

[IMG 2]Urs Brändli, Präsident Bio Suisse: Den Austausch und die Diskussion untereinander erachte ich als sehr wertvoll und wichtig. Die gesamte Gesellschaft entwickelt sich stetig weiter. So müssen sich auch die Bäuerinnen und Bauern für die Zukunft rüsten, auch wenn diese Weiterentwicklung für sie herausfordernd sein kann. Heute wie auch in Zukunft ist es wichtig, dass für die Betriebe auch der finanzielle Aspekt zur Existenzsicherung stimmt. Veranstaltungen wie das Milchpodium tragen viel dazu bei, das gegenseitige Verständnis innerhalb der Landwirtschaft zu fördern. fmo

[IMG 3]Matthias Baumann, Migros Aare:  Am Milchpodium habe ich insbesondere den Austausch mit den einzelnen Akteuren auf einer so direkten Ebene geschätzt. Es ist wichtig, dass solche Diskussionen gemeinsam mit den Landwirtinnen und Landwirten, mit Vertretern der beteiligten Verbände und mit Marktakteuren geführt werden. Der Anlass auf dem Hof in Märchligen hat erneut sehr schön zum Ausdruck gebracht, wie das Befinden ist und was die einzelnen Akteure beschäftigt. Ein solcher Austausch hilft uns, gemeinsam weiterzukommen. fmo

[IMG 4]Stefan Kohler, Geschäftsführer BOM: Die Frage, ob man für ein Label neue Anforderungen einführen will oder muss, ist sehr zentral. Dieses Thema hatten wir in der BO Milch in diesem Winter auch, als es um die Weiterentwicklung des Grünen Teppichs ging. Ich sehe, dass die Frage auch bei der Wiesenmilch sehr aktuell ist. Es gibt Landwirtinnen und Landwirte, die finden, man müsse sich weiterentwickeln, um überhaupt am Markt zu bleiben, andere sind skeptischer. Zentral ist, dass man darüber redet, wie und wo Mehrwerte entstehen und wie solche am Markt abgegolten werden. lja