«Im Hitzesommer 2018 begann ich, mir zunehmend Gedanken zur Weidewirtschaft zu machen», erzählt René Hiltbrunner. Er bewirtschaftet mit seiner Familie einen 30-ha-Betrieb in Bibern SH mit Futter- und Ackerbau (IP Suisse), Spezialkulturen (Kirschen, Quitten), Mutterkuhhaltung und Pouletmast. «Für uns im Schaffhausischen ist Trockenheit oft eine Herausforderung. In vielen Jahren verlieren wir einen Schnitt», sagt er. 2018 sei es besonders arg gewesen. Die Tiere fanden nichts mehr zu fressen, trotzdem mussten sie im Natura-Beef-RAUS-Programm täglich auf die Weide.
Holistisches Management
René Hiltbrunner hoffte, im Bodenkurs von Dietmar Näser und Friedrich Wenz neue Impulse zu bekommen. «Die Inputs zur Regenerativen Landwirtschaft waren wertvoll. Jedoch war immer nur vom Acker die Rede. Aber zwei Drittel meiner Fläche sind Wiesen», erinnert er sich. Er stiess dann beim Recherchieren im Internet auf einen Onlinekurs von Viviane Theby und buchte ihn. Das ermöglichte ihm Zugang zu einem neuen, ganzheitlichen Weidemanagement (holistisches Betriebsmanagement).
«Ausgehend von Mob Grazing als Weidesystem soll der ganze Betrieb so organisiert werden, dass man Entscheidungen treffen kann, die sozial, ökonomisch und ökologisch von Vorteil sind», erklärt der Landwirt. Er und seine Frau Michaela besuchten Thebys Betrieb im deutschen Wittlich. «Das hat mich endgültig überzeugt», sagt er. Für viele Probleme suche man technische Lösungen, so auch beim Klimawandel – aber Hiltbrunner ist der Meinung, dass man von der Natur lernen und diese für sich arbeiten lassen soll. Das Ziel sei, Weide und Landschaft so zu verbessern, dass sie für die nachfolgenden Generationen eine Lebensgrundlage sein könnten. «Die Herde ist das Werkzeug dazu.»
[IMG 2]
Bisonherden hätten früher die Prärien Nordamerikas beweidet, und die Böden seien nachher sehr fruchtbar gewesen. Sie seien das Vorbild, sagt René Hiltbrunner. Neben der Besatzzeit sei auch die Ruhe- und Erholungszeit für das Gras zentral. Bisons blieben nicht lange an einem Ort und würden auch nicht alles blank abfressen. Das niedergetrampelte oder stehen gelassene Futter schütze den Boden vor dem Austrocknen. Wenn es regne, werde das Wasser aufgenommen und fliesse nicht oberirdisch ab. Auch könne man Teilstücke der Weide so einzäunen, dass man die Tiere gezielt auf Flächen mit ungünstigem Bewuchs lasse, so würden diese dann auch abgefressen. «Bei einer herkömmlichen Weideführung bleiben solche Grasbüschel immer stehen, und man muss dann einen Säuberungsschnitt machen», gibt Hiltbrunner zu bedenken. Das falle bei ihm weg – was gut ist, denn in seinen steilen Hängen wäre das mühsam zu bewerkstelligen. Da die Weideteilstücke nur kurzfristig belegt seien, gebe es auch keine Trittschäden.
Von Jahr zu Jahr ein Lernprozess
Weniger Arbeit als ein herkömmliches Weidesystem gebe Mob Grazing kaum. Der tägliche Umtrieb und das Auszäunen seien nicht zu unterschätzen. Bei wüchsigen Temperaturen solle man die Koppeln schnell wechseln, denn dann geschehe der Aufwuchs rasch. Bei weniger günstigen Bedingungen sei der Weidewechsel zu verlangsamen, weil das Gras eine längere Regenerationszeit brauche. «Es ist von Jahr zu Jahr ein Lernprozess», sagt René Hiltbrunner und zeigt einen Weideplan. [IMG 3] Diesen hat das Savory-Institut entwickelt, dessen Gründer Allan Savory das holistische Managementsystem entwickelt hat. «Diesen Winter bin ich nicht dazu gekommen, meine Weideplanung festzuhalten», bedauert Hiltbrunner. Und auch jetzt, während der Kirschenernte, hat er weniger Zeit für die Umsetzung des Konzepts. «Aber das heisst eben ganzheitlich: Es nützt nichts, die Weideplanung bis ins Detail zu planen und dabei die Spezialkulturen zu vernachlässigen», hält er fest.
Website von Familie Hiltbrunner und Viviane Theby:

