«Schon wieder eine Kontrolle?» – Landwirte stöhnen oft, wenn ein Kontrolleur auf den Hof kommt. Das Gefühl, ständig überwacht zu werden, sorgt für Unmut und teils auch für Verwirrung.
Aber warum gibt es so viele Kontrollen, und was läuft dabei schief? Marcel von Ballmoos, Geschäftsführer der Kontrollorganisation Aniterra, erklärt, was dahinter steckt und warum die Inspektionen wichtiger sind, als viele denken.
Schon wieder eine Kontrolle?
Grundsätzlich findet laut Marcel von Ballmoos auf einem Betrieb alle vier Jahre sowohl eine Tierschutz- als auch eine Primärproduktionskontrolle statt. Zufällige Stichproben würden jedoch dazu führen, dass ein Betrieb schon früher erneut kontrolliert werde. Weitere Gründe für zusätzliche Kontrollen sind die Übernahme eines Betriebs, Mängel im Vorjahr oder die Anmeldung einer neuen Tierwohlkategorie.
Obwohl die Kontrollen normalerweise im Vierjahresrhythmus stattfinden, scheint es den Landwirten oft so, als würden sie häufiger durchgeführt. Der Grund dafür, so der Geschäftsführer, seien die vielen verschiedenen Kontrollbereiche innerhalb der Tierhaltung. «Manchmal heisst es dann, man sei bereits der fünfte Kontrolleur dieses Jahr», erzählt der Agronom. Für die Landwirte sei es teils schwer, die unterschiedlichen Kontrollen voneinander zu unterscheiden. «Ihnen kommt es manchmal so vor, als würde man immer das Gleiche kontrollieren», erklärt er weiter.
Kombinierte Kontrollen je nach Kanton möglich
Damit die Kontrolleure die Tierhaltung auf dem Betrieb beurteilen können, müssen die Tiere zu Hause im Stall sein. Da sich einige Bestände jedoch während der Sommermonate auf der Alp befinden, habe es sich so eingependelt, dass die Kontrollen grösstenteils im Winterhalbjahr durchgeführt würden, erklärt der Spezialist. Eine feste Regel gebe es jedoch nicht, sodass auch ein Besuch im Sommer möglich sei. Die Organisation der Tierhaltungskontrollen ist in den Kantonen unterschiedlich. «Je nach Kanton sind verschiedene Kombinationen der Kontrollbereiche möglich», erklärt Marcel von Ballmoos.
In den Zentralschweizer Kantonen Luzern, Uri und Obwalden könne beispielsweise die Primärproduktionskontrolle mit der Tierschutzkontrolle kombiniert werden, so von Ballmoos weiter. Daher finde in diesen Kantonen auch die Primärproduktionskontrolle im Winter statt. Im Kanton Bern hingegen übernehme der Kanton selbst die Primärproduktionskontrolle. «Daher vermute ich, dass diese über das ganze Jahr verteilt durchgeführt werden», so der Fachmann.
Zuweisung beruht auf Zufallsprinzip
Die Kontrolleure können sowohl angemeldet als auch unangemeldet auf dem Betrieb erscheinen. Doch wie wird entschieden, welche Betriebe unangemeldet besucht werden? «Als Kontrollstelle sind wir Dienstleister und führen die Aufträge gemäss unseren Auftraggebern aus», erklärt Marcel von Ballmoos. Die Zuweisung erfolge in der Regel durch die Kantone selbst. «Ich gehe davon aus, dass die Zuweisung bei den Grundkontrollen auf einem Zufallsprinzip beruht», meint er weiter.
Jeder Kanton lege zudem den Prozentsatz seiner unangemeldeten Kontrollen selbst fest. Dieser liegt laut dem Agronomen zwischen 25 und 100 Prozent. Eine Zusatzkontrolle im Folgejahr aufgrund eines Mangels erfolge gewöhnlich immer unangemeldet.
Kontrolle ohne Betriebsleiter?
Immer wieder zu grossen Diskussionen führe die Frage, ob ein Kontrolleur bei einem unangemeldeten Besuch den Stall ohne Betriebsleiter betreten dürfe oder nicht, so der Aniterra-Geschäftsführer. Laut dem Kontrolleur haben mündige Personen, die auf dem Betrieb mitarbeiten, den Kontrolleuren grundsätzlich den Zutritt in die Stallungen zu gewähren.
«Jeder Betrieb sollte uns eine unangemeldete Kontrolle gewähren»
Marcel von Ballmoos, Geschäftsführer der Kontrollorganisation Aniterra.
Ist der Betriebsleiter nicht anwesend, so werden lediglich die Tiere begutachtet. Der schriftliche Teil werde dann zu einem späteren Zeitpunkt gemeinsam mit dem Betriebsleiter durchgeführt. Zur Glaubwürdigkeit sei es jedoch wichtig, dass der Kontrolleur die Tiere kurz sehen dürfe. «Wir sind der Meinung, dass jeder Betrieb eine unangemeldete Kontrolle gewähren muss, allein schon aus Fairness gegenüber den anderen», stellt der Agronom klar.
Dokumente werden auch bei unangemeldeten Kontrollen eingesehen
Die meisten Kontrollen, bei denen Dokumente überprüft werden, erfolgen laut Marcel von Ballmoos angemeldet. Im Bereich der Tierhaltung gibt es aber Dokumente, die jederzeit nachgeführt sein müssen und auch bei unangemeldeten Kontrollen überprüft werden. Dazu zählen bei der Tierschutzkontrolle das Auslauf- sowie das Behandlungsjournal. Bei letzterem gehe es primär darum, zu überprüfen, ob die erkrankten Tiere angemessen behandelt wurden. Damit die Einträge auch regelmässig erfolgen, empfiehlt der Fachmann, die Dokumente an einem häufig besuchten und gut zugänglichen Ort aufzubewahren.
Bei der Primärproduktionskontrolle werden neben dem Behandlungsjournal zudem die Medikamenteninventarliste, die TAM-Vereinbarung (Tierarzneimittel) und der dazugehörige regelmässige Tierarzt-Check überprüft. Betriebe mit eigener Wasserquelle müssten zudem die Ergebnisse der Wasserproben vorlegen können.
Auch Kälber brauchen Wasser
Und welche Mängel werden bei den Kontrollen häufig festgestellt? «Die Arten der Mängel sind sehr unterschiedlich», erklärt Marcel von Ballmoos. Bei den Tierschutzkontrollen gebe es deutliche Unterschiede zwischen unangemeldeten und angemeldeten Besuchen. Bei angemeldeten Kontrollen handle es sich häufig um Mängel, die dem Landwirt nicht bewusst seien, wie beispielsweise nicht gesetzeskonforme Stallmasse.
«Am schwierigsten ist es immer, wenn die Bewirtschafter den Sinn des Gesetzes nicht einsehen»
Marcel von Ballmoos über die Arten der Mängel bei einer Kontrolle.
Bei unangemeldeten Kontrollen hingegen stelle man meist sogenannte qualitative Mängel fest. Zu den häufigsten Beanstandungen zählen hier laut dem Kontrolleur bei den Rindern verschmutzte Tiere und einzeln gehaltene Kälber, die über 14 Tage alt sind. Die Einzelhaltung von Kälbern im Alter von über zwei Wochen ist nämlich nur erlaubt, wenn die Tiere in einem Iglu mit dauerndem Zugang zu einem Gehege im Freien leben. Auch die Versorgung der Kälber mit Wasser ab dem ersten Lebenstag und das Anbieten von Raufutter ab der zweiten Lebenswoche seien wiederkehrende Themen.
Knappe Einstreu und fehlende Beschäftigung
Bei den Schweinen zähle die fehlende Beschäftigung der Tiere zu den häufigsten Beanstandungen, aber auch das zu knappe Einstreuen der Buchten. «Am schwierigsten ist es immer, wenn die Bewirtschafter den Sinn des Gesetzes nicht einsehen», erklärt von Ballmoos. Immer wieder komme es auch zu Belegungsfehlern, zum Beispiel wenn Kühe auf einem Rinderplatz stehen. In Boxenlaufställen könne man teilweise auch eine Überbelegung feststellen.
Bei den Primärproduktionskontrollen zähle eine nicht aktualisierte Inventarliste, insbesondere auch die Aufbewahrung von abgelaufenen Medikamenten, zu den häufigsten Beanstandungen. Der Anteil der Beanstandungen sei bei den unangemeldeten Besuchen sicherlich höher als bei den angemeldeten, meint der Kontrolleur. «Unangemeldete Kontrollen geben jedoch ein ehrlicheres Bild ab», fügt von Ballmoos hinzu.
Bei Beanstandung Nachkontrolle im Folgejahr
Und wie geht es nach einer Beanstandung weiter? «In den meisten Kantonen ist nach der Kontrolle das Veterinäramt dafür zuständig, dass die Mängel behoben werden», erklärt Marcel von Ballmoos. Anders sei es im Kanton Bern, wo Aniterra als Kontrollstelle auch direkt die Nachkontrolle übernehme. «Je nach Art des Mangels erhalten die Tierhalter eine entsprechende Frist zur Behebung», so der Agronom. Diese betrage in den meisten Fällen ungefähr drei Wochen. «In 95 % der Fälle ist der Mangel nach einer Beanstandung behoben», sagt der Geschäftsführer erfreut. Laut dem Kontrolleur treten bei den Grundkontrollen im Tierschutzbereich bei ungefähr 20 % der Kontrollen Mängel auf.
Unabhängig davon, ob der Mangel behoben wurde oder nicht, gebe es im Folgejahr eine Nachkontrolle, um den entsprechenden Bereich erneut zu überprüfen. Diese erfolge dann in den meisten Fällen unangemeldet.
