In der Bio-Wiederkäuerfütterung fehlt zunehmend das Protein. In den letzten Wochen häuften sich die Meldungen von Betrieben, die sich über grosse Leistungseinbussen bei ihren Milchkühen beklagten (wir berichteten). Das Thema beschäftigte auch die Thurgauer und St. Galler Bioproduzenten am Basisabend von Bio Ostschweiz. Rund 65 Anwesende trafen sich am Dienstagabend, 31. Oktober 2023, in Wattwil, wo der Vorstand über die traktandierten Geschäfte für die Herbst-DV von Bio Suisse informierte.
Mühlen machen mit
«Der Leidensdruck ist gross», stellt Peter Schweizer fest. Bei ihm und Sepp Sennhauser hätten sich viele besorgte Bauern gemeldet. Einige melken bis zu 700 Liter weniger Milch pro Kuh. Grund sind einerseits die gesunkenen Proteingehalte im Kraftfutter. Hinzu kommt, dass die Grundfutterqualitäten vielerorts mittelmässig und die Erträge der Bio-Körnerleguminosen in diesem Jahr gering waren.
Auch wenn längst nicht alle Milchviehbetriebe Mühe mit der Regelung «100 Prozent Schweizer Futter» haben, appellierten Sennhauser und Schweizer an die Solidarität. Schweizer informierte, dass der Vorstand von Bio Ostschweiz zuhanden der Herbst-DV einen Antrag eingereicht hat. «Wir fordern eine befristete Ausnahmebewilligung für den Winter 2023/24 für den Import von Proteinträgern in Knospe-Qualität oder EU-Bio.» An der 5-Prozent-Regelung für Kraftfutter wolle man nicht rütteln, betonte er.
Der Druck aus der Ostschweiz zeigte offenbar Wirkung, denn Bio Suisse reagierte auf den Antrag und unterbreitet den Delegierten am 15. November einen Gegenvorschlag. Demnach soll an der 100 Prozent Raufutterregelung festgehalten werden. Für den Import von Proteinträgern könnte es aber zeitlich beschränkte Ausnahmen geben:
- 10 % Importe im 1. und 2. Jahr
- 5 % Importe im 3. bis 5. Jahr
Die Mühlen hätten ihre Zustimmung gegeben, teilte Schweizer mit. Die Gespräche von Bio Suisse mit den vier grössten Futtermühlen fanden am Montag statt. Die Mühlen rechnen den Vorschlag bis Ende Woche nach, es könnte noch Anpassungen geben. Sofern der Gegenantrag an der DV eine Mehrheit findet, würden die Änderungen per sofort in Kraft treten.
Eine Zumutung für Bauern und Kühe
Im Saal war man bei dem Thema geteilter Meinung. Eine Bäuerin meinte: «Wir müssen unsere Kühe mit unserem Futter füttern. Wenn das nicht funktioniert, muss man an der Züchtung etwas ändern.» Sepp Sennhauser entgegnete, dass man in drei Jahren eine Kuh nicht umpolen könne. «Die Schwierigkeit ist, dass die Eiweissgehalte im Futter und die Erträge stark schwanken.» Er wisse von einer Mühle, die bei den Eiweisserbsen in der Schweiz mit 250 t/ha gerechnet habe, geerntet wurden 50 Tonnen. «Wir haben diese Proteinmengen nicht in der Schweiz, deshalb braucht es diese Ausnahme», weibelte Sennhauser für den Gegenantrag.
Ein weiterer Bauer beklagte, man habe im Berggebiet gar nicht die Möglichkeiten, die Tiere mit eigenem Eiweiss zu versorgen. Es sei eine Frechheit, was den Betrieben und den Kühen zugemutet werde.
«Jeder Mensch greift bei Mangelerscheinungen zu einem ‹Pülverli›. Aber wir dürfen den Tieren nichts gegen die Unterversorgung geben.»
Votum eines Biobergbauers und Mitglied von Bio Ostschweiz
An der Strategie ändert sich nichts
Ein anderer Bauer berichtete, er müsse zehn Kühe mehr melken, um auf die gleiche Milchmenge zu kommen. Mehr Kühe bedeuteten aber auch mehr Futter und mehr Gülle. «Ob das ökologischer ist, sei dahingestellt.» Er plädierte dafür, dass zukünftig 5 Prozent Bio-Futter aus der EU zugelassen würde. «EU-Soja ist sicherlich nachhaltiger als unsere getrockneten Graswürfel.» Damit reagierte er auf das Votum einer Teilnehmerin, die kritisierte, die Bauern würden sich einerseits über zu wenig Eiweissträger beklagen, andererseits blieben Graswürfelproduzenten auf ihrer Ware sitzen.
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Einig war man sich schlussendlich aber doch, dass es jetzt eine rasche Lösung für die betroffenen Betriebe braucht.
«An der Strategie ändert das ja nichts. Der Fahrplan bleibt gleich, aber die Betriebe erhalten mehr Zeit.»
Votum eines Biobauern und Mitglied von Bio Ostschweiz
Die Anwesenden stimmten schliesslich dem Vorschlag des Vorstands zu, dass die Ostschweizer Delegierten ihren Antrag zurückziehen, sollte der erwähnte Gegenvorschlag von Bio Suisse zur Abstimmung kommen.


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