«Seit Einführung der Regel ist unsere Milchleistung im Schnitt um 500 bis 800 Liter pro Kuh gesunken. Und wir haben noch Glück, weil wir Luzerne zufüttern können», lautet der Kommentar eines Landwirts, der nicht namentlich erwähnt werden möchte.

Mit «Regel» meint er die Verpflichtung von Bio Suisse, dass das gesamte Futter für Wiederkäuer seit dem 1. Januar 2022 nur noch aus Knospe-Anbau stammen darf.

Bergbetriebe intensiv produzierende Betriebe besonders betroffen

Abo Milchleistung Bio-Viehtag in Landquart: Proteinversorgung wird zur Herausforderung Friday, 19. May 2023 Diese Regelung ist für viele Bio-Milchwirtschaftsbetriebe, die seit 2018 auch GMF (Graslandbasierte Milchviehfütterung) erfüllen müssen, zunehmend eine Knacknuss. Die BauernZeitung hat sich bei betroffenen Mitgliederorganisationen sowie landwirtschaftlichen Bioberatern erkundigt. Sie bestätigen die angespannte Situation.

Tiefere Proteingehalte in Bio-Futtermitteln

Diese trifft aber nicht jeden Betrieb gleich stark. «Einige Landwirte haben bereits seit Jahren in die entsprechende Richtung gezüchtet. Andere haben darauf vertraut, dass die Proteingehalte im Kraftfutter gleich hoch bleiben würden. Die laufen jetzt voll in den Hammer», lautet dazu der Kommentar eines landwirtschaftlichen Beraters aus der Innerschweiz. Denn die Proteingehalte im Kraftfutter sind gleichzeitig seit der Regel-Einführung gesunken. Indessen klagen betroffene Landwirte vermehrt über Fruchtbarkeitsprobleme bei den betroffenen Kühen. Sie verwerfen oder nehmen schlechter auf. Für einen entsprechenden Richtungswechsel in der Züchtung bräuchte man Jahre.

Was passiert, wenn die Tiere von der Alp zurückkehren?

Weitere Faktoren kommen hinzu, welche die Situation aktuell zusätzlich verschärfen. Die Grundfutterqualität ist in vielen Gebieten mittelmässig, die Erträge der Bio-Körnerleguminosen waren 2023 gering. «Und was geschieht, wenn die Tiere von den Alpen zurückkehren oder wenn ein Intensivbetrieb in einem Tal aussteigt? Welche Auswirkungen hat dies auf die ‹Käsi›?», fragt eine Bioberaterin aus der Ostschweiz. Offene Fragen, welche zurzeit auch viele Bio-Landwirte beschäftigen.


Fehlende Proteine im Bio-Kraftfutter für Wiederkäuer: Das sagen Bio Suisse und zwei bedeutende Bio-Futtermühlen dazu.

Saubere Auslegeordnung mit eigener Arbeitsgruppe

Es sei ein mutiger Entscheid gewesen, den die Delegierten der Bio Suisse mit der Regelung von 100 % einheimischem Bio-Knospe-Futter getroffen hätten, kommentiert David Herrmann, Verantwortlicher der Medienstelle der Bio Suisse, die Situation. Man sei sich dem Mangel an Protein bewusst und habe darum eine Arbeitsgruppe gebildet, welche die Situation umfassend analysiert. Die Gruppe ist aus Akteuren der Biobranche zusammengesetzt. Neben zwei stark betroffenen Mitgliederorganisationen bestehe sie aus den Fachgruppen Ackerbau und Milch, dem FiBL, der Geschäftsstelle, dem Vorstand sowie der Markenkommission Anbau. Das Ziel sei, sich einen umfassenden Überblick über die Lage zu verschaffen. Dazu wurde eine Mitgliederbefragung lanciert. Daneben seien die weiteren Aufgaben der Gruppe, allfällige Aktionen zu koordinieren und Empfehlungen zu erarbeiten. Wie diese aussehen, werde zu einem späteren Zeitpunkt kommuniziert, so David Herrmann.

Kleiner Spielraum für die Futtermühlen

«Uns fehlt aktuell einfach einheimisches Bioprotein in ausreichenden Mengen», kommentiert Peter Rytz, Senior-Chef der Mühle Rytz, die Lage. Durch den Beschluss, bei der Wiederkäuerfütterung auf 100 % einheimische Komponenten zu setzen, sei der Spielraum für die Mühlen auch entsprechend klein.

Auf diese Rohstoffe greifen die Mühlen zurück

Grundsätzlich stünden vier Hauptquellen für die Proteinversorgung zur Verfügung (Werte in Frischsubstanz).

  • Erbsen und Ackerbohnen: Diese enthalten mit 20 bis 24 % eher wenig Protein. Erschwerend komme nun hinzu, dass bei der Bioernte 2023 deutlich geringere Mengen von diesen Kulturen produziert worden sind.
  • CH-Rapskuchen: Der Proteingehalt liege hier bei 28 bis 32 %. Die Menge an Bioware sei jedoch sehr gering.
  • CH-Sonnenblumenkuchen: Verfügt über Proteingehalte von 21 bis 25 %. Die Verfügbarkeit sei jedoch ähnlich wie beim Bioraps sehr gering.
  • Bio-Futtersoja: Verfügt über sehr hohe Proteingehalte von 36 bis 40 %, daraus hergestellter Sojakuchen 42 bis 46 %. In der Schweiz gebe es jedoch zu wenig Biolandwirte, die Futtersoja anbauen würden. Preislich sei die Produktion von Speisesoja für die Tofuproduktion sehr verlockend. Einige Produzenten steigen darum um, diese Mengen fehlen den Mühlen dann im Futterkanal.

Ausgleich für Futtermühlen in Berggebieten

Abo Produktion Den Biobetrieben geht das Eiweiss aus Monday, 13. December 2021 Grundsätzlich verfüge die Branche zwar über Regelungen, welche die Mühle Rytz verpflichten, gewisse Teile der angenommenen Proteinträger an Futtermühlen in Berggebieten zukommen zu lassen, die Mengen, welche bei der Mühle eingehen, reichen jedoch nicht aus, um diese vollständig zu beliefern.

Verstärkt wird die Situation durch Proteinträger, die gar nicht erst in den Handel kommen. «Viele Ackerbaubetriebe mit Tierhaltung verkaufen uns diese nicht, sondern lassen daraus Tierfutter für den Eigenbedarf herstellen, was zur Folge hat, dass diese Mengen nicht auf den Markt kommen», kommentiert Rytz die Situation. Eine Empfehlung der Futtermühle lautet, aktiv auf Ackerbaubetriebe zuzugehen und mit diesen zusammenzuarbeiten. Aufgrund der Bio-Richtlinien seien diese verpflichtet, 10 bis 20 % der offenen Ackerfläche mit Kunstwiesen zu belegen. Verfügen diese über einen hohen Luzerne-/Kleeanteil, könnten diese als Heu oder Pellets einen Teil des Proteins ersetzen.

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Deutliche Auswirkungen auf die Milchmenge und den Milchgehalt

Ähnlich beurteilt Eric Droz, Geschäftsführer von der Biomühle Lehmann, die Situation. Vor 2022 habe man hauptsächlich Eiweisskonzentrat und das 100-Tage-Futter mit 24 % Eiweiss verkauft. Seit 2022 stünden Proteinträger wie Soja oder Rapskuchen nur noch in sehr kleinen Mengen zur Verfügung. Das Proteinkonzentrat sei gestrichen worden, die Gehalte mussten gesenkt und Soja hauptsächlich durch Ackerbohnen und Eiweisserbsen ersetzt werden. Gerade auf Roboterbetrieben werde vermehrt Mischfutter eingesetzt, welches gemäss GMF nicht als Kraftfutter zählt, um nicht über die 5 %-Marke zu kommen. Ein Ausgleich der Ration sei mit so tiefen Proteingehalten nicht mehr möglich. In Gebieten, wo der Kunstfutterbau nicht möglich sei, habe diese Richtlinienanpassung deutliche Auswirkung auf Milchmenge und auch Milchgehalt.

Fehlende Anbaubereitschaft für mehr Bio-Proteinträger

Dossier Serie Anbau von Körnerleguminosen Monday, 18. July 2022 «Uns fehlen einfach die konzentrierten Proteinträger, diese sind nicht in ausreichender Menge verfügbar», kommentiert Eric Droz die tieferen Proteingehalte vom Kraftfutter. Die knapp 1000 t Bio-Futtersoja, welche 2022 geerntet wurden, reichten bei weitem nicht aus, um die Nachfrage in der Schweiz zu decken.Man habe seitens der Futtermühlen und der Branche seit Jahren kommuniziert, dass der Anbau von Körnerleguminosen auszudehnen sei. Dieser sei auch durch relevante Richtpreiserhöhungen attraktiver gemacht worden, sagt Droz zum Anbau, betont jedoch auch: «Doch wir stellen fest, dass die Anbaubereitschaft nicht gegeben ist und die Flächen nur in geringem Masse ausgebaut werden. Möchten wir an der Strategie 100%-CH-Knospen-Futter festhalten, ist ein vermehrter Anbau unumgänglich.»